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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.10.1998
Aktenzeichen: VI ZB 22/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 139
ZPO § 570
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 22/98

vom

27. Oktober 1998

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Dressler und Dr. Greiner am 27. Oktober 1998

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Juli 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 9.112,95 DM.

Gründe:

I.

Der Kläger hat gegen das ihm am 26. Mai 1998 zugestellte Urteil des Landgerichts vom 23. April 1998 mit einem am 9. Juli 1998 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Er hat hierzu vorgetragen, sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter habe mit einem von ihm eigenhändig am Abend des 23. Juni 1998 gefertigten, frankierten und in den seinem Büro gegenüberliegenden Postbriefkasten eingeworfenen Schreiben die jetzigen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten mit der Einlegung der Berufung beauftragt und ihnen den bevorstehenden Ablauf der Berufungsfrist am 26. Juni 1998 bekannt gegeben. Dieses Schreiben habe die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erst am 01. Juli 1998 erreicht, wobei der Briefumschlag den Poststempel vom 30. Juni 1998 getragen habe. Das Schreiben müsse daher im Bereich der Post liegengeblieben sein, womit unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeiten nicht habe gerechnet werden müssen.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versäumung der Berufungsfrist beruhe auf einem Verschulden des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers. Dieser habe zwar das Schreiben vom 23. Juni 1998 so rechtzeitig zur Post gegeben, daß er habe damit rechnen dürfen, daß es die vorgesehenen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten rechtzeitig erreichen werde. Unvorhersehbare Verzögerungen des Postverkehrs brauche sich der Kläger nicht zurechnen zu lassen. Jedoch sei es Pflicht des erstinstanzlichen Rechtsanwalts gewesen, sich bei Erteilung eines Rechtsmittelauftrages darüber zu vergewissern, ob der beauftragte Rechtsanwalt den Auftrag innerhalb der Rechtsmittelfrist übernehme; an der Erfüllung dieser Pflicht fehle es hier, was zur Fristversäumung geführt habe. Etwas anderes könne nur gelten, wenn mit dem Rechtsmittelanwalt im Einzelfall oder allgemein abgesprochen worden wäre, daß dieser Rechtsmittelaufträge annehmen, prüfen und ausführen werde; für eine derartige Handhabung sei aber hier nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.

Gegen den ihm am 3. August 1998 zugestellten Beschluß des Berufungsgerichts wendet sich der Kläger mit der am 17. August 1998 eingegangenen sofortigen Beschwerde, zu deren Begründung er insbesondere vorträgt:

Zwischen seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und den hier beauftragten Rechtsmittelanwälten sei es ständige Übung gewesen, daß letztere ein ihnen angetragenes Berufungsmandat übernehmen. Unter diesen Umständen sei sein erstinstanzlicher Anwalt nicht verpflichtet gewesen, eine weitere Überprüfung der Übernahme des von ihm erteilten Rechtsmittelauftrags durchzuführen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger die hier eingetretenen Verzögerungen im Postverkehr nicht angelastet werden dürfen. Sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter konnte sich darauf verlassen, daß das am Abend des 23. Juni 1998 zur Post gegebene Schreiben die vorgesehenen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten rechtzeitig erreichen werde.

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht ein Verschulden des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumung, das sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß, darin gesehen, daß sich der Anwalt nicht innerhalb der Berufungsfrist darüber vergewissert hat, daß die Rechtsmittelanwälte den ihnen erteilten Auftrag übernehmen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein erstinstanzlicher Anwalt, der einen Berufungsauftrag erteilt, sich insoweit beim Rechtsmittelanwalt vergewissern muß (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 13. Oktober 1992 - VI ZB 21/92 - VersR 1993, 770 f. m.w.N.; BGH, Beschluß vom 7. November 1995 - XI ZB 21/95 - NJW-RR 1996, 378); an dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Kläger hat in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nichts dazu vorgetragen, daß sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter dieser Pflicht nachgekommen sei.

3. Allerdings muß sich ein erstinstanzlicher Anwalt dann nicht über die Übernahme des Rechtsmittelauftrags durch den vorgesehenen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vergewissern, wenn zwischen den Anwälten eine besondere Abmachung bezüglich der Ausführung der Rechtsmittelaufräge besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1993 - VIII ZB 40/93 - VersR 1994, 956, 957 sowie vom 7. November 1995 - XI ZB 21/95 - aaO). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, hat jedoch zutreffend im Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte für eine derartige Handhabung zu erkennen vermocht.

Das Vorbringen des Klägers in seiner Beschwerdebegründung, in welcher nunmehr vorgetragen wird, es sei zwischen seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und den Rechtsmittelanwälten ständige Übung gewesen, daß letztere das angetragene Berufungsmandat übernehmen, kann als verspätet keine Berücksichtigung finden. Zwar kann nach § 570 ZPO eine Beschwerde grundsätzlich auch auf neue Tatsachen gestützt werden. Soweit sich die Beschwerde jedoch gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluß richtet, ist zu beachten, daß alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden müssen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden. Keinesfalls darf in der Beschwerde neuer Vortrag über Maßnahmen nachgeschoben werden, auf deren Fehlen die Versagung der Wiedereinsetzung im angefochtenen Beschluß gestützt worden ist (st. Rspr. vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97 - VersR 1997, 895 f. m.w.N. sowie zuletzt vom 12. Mai 1998 - VI ZB 10/98 - und vom 21. Juli 1998 - VI ZB 12/98).

Vorliegend hat der Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist lediglich zur Rechtzeitigkeit der Absendung des Schreibens vom 23. Juni 1998 sowie zur Verzögerung der Postlaufzeit vorgetragen. Daß hinsichtlich der Handhabung von Rechtsmittelaufträgen zwischen seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und den beauftragten Rechtsmittelanwälten Absprachen bestanden haben, wird erstmals mit der Beschwerde - als Reaktion auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses - vorgebracht und erweist sich deshalb als unzulässiger neuer Vortrag.

4. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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