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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.10.2001
Aktenzeichen: VI ZB 32/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 32/01

vom

2. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Oktober 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Dressler, Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Juli 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 44.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat gegen das ihn beschwerende Urteil des Landgerichts K. vom 7. März 2001, das seinem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Dr. M. ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 12. März 2001 zugestellt worden ist, am 17. April 2001 Berufung eingelegt. Am 31. Mai 2001 hat der Kläger durch seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist beantragt. Hierzu hat er vorgetragen:

In der Kanzlei seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten seien sowohl das Datum der Urteilszustellung am 12. März 2001 als auch der hieraus resultierende Ablauf der Berufungsfrist am 12. April 2001 sowie gehörige Vorfristen ordnungsgemäß notiert worden. Mit Schreiben vom 9. April 2001 habe demgemäß Rechtsanwalt Dr. M. die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit der Prüfung der Berufungsaussichten beauftragt. In diesem Auftragsschreiben sei jedoch - ebenso wie auf der beigefügten Urteilskopie - als Zustellungstag fälschlicherweise der 14. März 2001 angegeben gewesen. In der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten sei daraufhin Fristablauf für die Einlegung der Berufung auf den 17. April 2001 (Dienstag nach Ostern) notiert worden, worauf an diesem Tag das Rechtsmittel eingelegt worden sei. Anhand der zwischenzeitlich zugeleiteten Gerichtsakte habe dann der zweitinstanzliche Anwalt am 23. Mai 2001 die Fristversäumung festgestellt und Wiedereinsetzung beantragt. Diese sei deshalb gerechtfertigt, weil Rechtsanwalt Dr. M. bereits am 11. April 2001, nachdem ihm die Bestätigung der Mandatsübernahme durch die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten noch nicht vorgelegen habe, seine Angestellte D. angewiesen habe, telefonisch nachzufragen und auf den Fristablauf am 12. April 2001 hinzuweisen. Dementsprechend habe Frau D. auch mit einer ihr namentlich nicht in Erinnerung gebliebenen Kanzleikraft der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten gesprochen und von dort erfahren, das Mandat sei übernommen worden; die Berufungsschrift werde noch im Verlauf des 11. April 2001 an das Oberlandesgericht geleitet. Warum letzteres unterblieben sei, lasse sich nicht mehr klären.

Das Berufungsgericht hat mit an den Kläger am 25. Juli 2001 zugestelltem Beschluß die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die am 8. August 2001 eingegangene sofortige Beschwerde.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist beruht auf einer - dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - schuldhaften Pflichtverletzung seines Prozeßbevollmächtigten I. Instanz, Rechtsanwalt Dr. M..

1. Zu Recht geht das Oberlandesgericht davon aus, daß es Rechtsanwalt Dr. M. als Verstoß gegen seine anwaltlichen Pflichten anzulasten ist, daß er in dem von ihm an die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erteilten Rechtsmittelauftrag ein fehlerhaftes Datum der Urteilszustellung (14. März 2001 statt 12. März 2001) mitgeteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten bei Erteilung eines schriftlichen Rechtsmittelauftrags die Pflicht zur eigenverantwortlichen Überprüfung des Zustellungszeitpunktes des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidend hierfür ist, daß sich der Rechtsmittelanwalt hinsichtlich des Ablaufs der Rechtsmittelfrist auf die Angaben verlassen muß, weil ihm - solange keine Handakten vorliegen - die notwendige anwaltliche Überprüfung der Frist nicht möglich ist (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968, 1969 m.w.N.). Rechtsanwalt Dr. M. hätte sich bei Unterzeichnung seines Schreibens vom 9. April 2001 anhand der in der Kanzlei vorhandenen Unterlagen davon überzeugen müssen, daß das mitgeteilte Zustellungsdatum zutreffend ist; im vorliegenden Fall hätte er, da die Urteilszustellung bereits am 12. März 2001 erfolgt war, was er nicht nur im Empfangsbekenntnis bescheinigt hatte, sondern was auch in seiner Kanzlei ordnungsgemäß so notiert worden war, den im Auftragsschreiben enthaltenen Datumsfehler korrigieren müssen (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 13. Februar 2001 - VI ZB 34/00 - NJW 2001, 1579, 1580). Daß er dies nicht tat, ist ihm als schuldhafter Sorgfaltsverstoß anzulasten.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war diese Pflichtverletzung auch ursächlich für die Fristversäumung. Denn im Hinblick auf das im Auftragsschreiben falsch mitgeteilte Zustellungsdatum war in der Kanzlei des zweitinstanzlichen Anwalts die Rechtsmittelfrist fehlerhaft auf den 17. April 2001 notiert worden, was sodann zu der Verspätung führte.

2. Der in der Mitteilung eines fehlerhaften Zustellungsdatums liegende Verstoß gegen die eigenen Sorgfaltspflichten des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten wurde auch nicht - wie mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird - dadurch "geheilt", daß die Kanzleiangestellte D. auf Anweisung des Rechtsanwalts Dr. M. am 11. April 2001 ein Telefongespräch mit dem Inhalt geführt haben soll, wie es seitens des Klägers vorgetragen wird. Es mag dahinstehen, ob das Vorbringen zu diesem Telefongespräch als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden kann, obwohl die eidesstattliche Versicherung der Frau D. in den entsprechenden Versicherungen der in der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten tätigen Angestellten keineswegs eine Bestätigung findet. Denn selbst wenn man insoweit in vollem Umfang vom Vortrag des Klägers ausgeht, führt dies nicht dazu, daß die Fristversäumung Rechtsanwalt Dr. M. - und damit dem Kläger - nicht mehr zurechenbar wäre. Die telefonische Nachfrage, ob der zweitinstanzliche Anwalt das Mandat übernimmt und demgemäß Berufung einlegt, war zwar erforderlich (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 1992 - VI ZB 21/92 - VersR 1993, 770 und vom 19. Juni 2001 - VI ZB 22/01 - zur Veröffentlichung vorgesehen m.w.N.). Diese zusätzliche Sicherheitsmaßnahme war aber nicht geeignet, die eindeutige anwaltliche Mitteilung des zutreffenden Zustellungsdatums zu ersetzen und konnte erst recht nicht zu einer klaren Korrektur des zunächst schriftlich fehlerhaft mitgeteilten Zustellungsdatums führen (vgl. zu einem teilweise ähnlich gelagerten Sachverhalt Senatsbeschluß vom 4. April 2000 - VI ZB 3/00 - NJW 2000, 3071, 3072). Der Kläger weist selbst darauf hin, daß Rechtsanwalt Dr. M., als er das Telefongespräch vom 11. April 2001 veranlaßte, gar nicht wußte, daß dem zweitinstanzlichen Anwalt ein falsches Zustellungsdatum mitgeteilt worden war und es nun galt, mit äußersten Maßnahmen zu verhindern, daß dieser Fehler zu einer Fristversäumung führt.

3. Da die Fristversäumung auf einer Pflichtwidrigkeit des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers beruht, hat das Berufungsgericht die nachgesuchte Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Es kann daher offenbleiben, ob auch dem zweitinstanzlichen Anwalt ein Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten ist, wie das Oberlandesgericht annimmt.



Ende der Entscheidung

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