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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.03.2009
Aktenzeichen: VI ZB 54/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 574 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 10. März 2009

durch

die Vizepräsidentin Dr. Müller,

die Richter Zoll und Wellner,

die Richterin Diederichsen sowie

den Richter Stöhr

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. September 2007 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 300.000 EUR

Gründe:

I.

Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17. April 2007 verurteilt worden. Dieses Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis übersandt worden. Das von dem Prozessbevollmächtigten unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das handschriftliche Datum "03.05.2007". Es ist ausweislich der auf dem Dokument befindlichen Aufdrucke am 2. Mai 2007 um 14:27 Uhr an das Landgericht gefaxt und dort um 14:29 Uhr empfangen worden und trägt den gerichtlichen Eingangsstempel "2. Mai 2007". Die Berufung des Beklagten ist am Montag, dem 4. Juni 2007 beim Berufungsgericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2007 (Dienstag), eingegangen am selben Tag, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 3. August 2007 zu verlängern, was antragsgemäß geschah. Die Berufungsbegründung ist am 6. August 2007 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangen. Wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu geltend gemacht, die Berufungsbegründung sei am 2. August 2007 zur Post gegeben worden, zudem habe es eine Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten versäumt, die Berufungsbegründung vor Aufgabe zur Post noch am 2. August 2007 per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln.

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Den Wiedereinsetzungsantrag hat es zurückgewiesen, weil zur rechtzeitigen Versendung der Berufungsbegründung per Post nicht ausreichend vorgetragen sei und hinsichtlich des behaupteten Versehens der Rechtsanwaltsgehilfin bezüglich des Faxversandes jedenfalls von einem anwaltlichen Organisationsmangel auszugehen sei.

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Ziel einer Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen hat (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Berufung im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen. Auf die Frage, ob für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausreichende Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind, kommt es dabei nicht an. Denn die Berufung ist mit Ablauf des 2. Juli 2007 unheilbar unzulässig geworden, weil die Berufungsbegründungsfrist, welche gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwei Monate ab Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beträgt, an diesem Tag ablief, ohne dass eine Berufungsbegründung eingereicht oder ein Verlängerungsantrag gestellt wurde.

1.

Dieser Sachverhalt ist noch im Rechtsbeschwerdeverfahren zu berücksichtigen, obwohl erst in der Rechtsbeschwerdeerwiderung auf die maßgeblichen Tatsachen hingewiesen worden ist. Die Zulässigkeit der Berufung ist noch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen, weil ein Verfahren vor dem Revisionsgericht nur möglich ist, solange der Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig beendet ist, was neben der Zulässigkeit der Revision voraussetzt, dass das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung angegriffen worden und die Rechtskraft dieses Urteils damit zunächst in der Schwebe gehalten worden ist (BGHZ 6, 369, 370; 7, 280, 287; 102, 37, 38; BGH, Beschluss vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92 - NJW-RR 1992, 1338, 1339; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 557 Rn. 8). Dies gilt ersichtlich auch, sofern das Berufungsurteil mit der Rechtsbeschwerde angegriffen wird.

2.

Die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgte am 2. Mai 2007. Voraussetzung einer wirksamen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an eine der in § 174 Abs. 1 ZPO aufgeführten Personen ist neben der Übermittlung des Schriftstücks in Zustellungsabsicht die Empfangsbereitschaft des Empfängers. Er muss das zuzustellende Schriftstück mit dem Willen entgegen nehmen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen. Zustellungsdatum ist deshalb der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - NJW 2003, 240; BGHZ 30, 335, 336; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2006 - I ZB 39/05 - NJW 2007, 600, 601, jeweils m.w.N.). Die Zustellung ist am Tage der wirklichen Zustellung auch dann wirksam erfolgt, wenn im Empfangsbekenntnis ein falsches Datum eingesetzt ist (BGHZ 35, 236, 238).

Der Beweis, den das Empfangsbekenntnis auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks erbringt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - aaO, m.w.N.), ist hier hinsichtlich des handschriftlich eingetragenen Datums durch die Datumsausdrucke der Faxgeräte und den Eingangsstempel des Landgerichts widerlegt. Wenn das Empfangsbekenntnis dem Gericht bereits am 2. Mai 2007 per Fax zugegangen ist, kann der Tag der wirklichen Zustellung nicht der 3. Mai 2007 gewesen sein. Die Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten haben auf die Hinweise der Beschwerdeerwiderung hin Einsicht in die Prozessakte genommen. Dass die Datumsausdrucke der Faxgeräte und das Datum des Gerichtsstempels falsch seien, wird nicht geltend gemacht.

3.

Unerheblich ist, dass das Berufungsgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. August 2007 verlängert hat, ohne zu berücksichtigen, dass diese Frist bereits abgelaufen war. Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ist unwirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (Senatsbeschluss BGHZ 116, 377 ff.; Zöller/Heßler, aaO; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 520 Rn. 12). So liegt der Fall hier.

4.

Die Rechtsbeschwerde macht nach Kenntnisnahme von der Beschwerdeerwiderung und Einsichtnahme in die Verfahrensakte nicht geltend, dass hinsichtlich des wirklichen Zeitpunkts der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils abweichende Ausführungen oder sachdienliche Verfahrensanträge möglich seien. Die Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind deshalb zu verneinen. Die in der Beschwerdeschrift gerügten Verfahrensfehler des Berufungsgerichts haben sich, sofern die Rügen gerechtfertigt sein sollten, nicht ausgewirkt. Die Berufung war, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, unabhängig davon als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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