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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: VI ZR 131/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Aa
a) Der Schutz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten erfordert grundsätzlich, daß ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind. Eine erst später erfolgte Aufklärung ist zwar nicht in jedem Fall verspätet. Eine hierauf erfolgte Einwilligung ist jedoch nur wirksam, wenn unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden. Deshalb ist bei stationärer Behandlung eine Aufklärung erst am Tag des Eingriffs grundsätzlich verspätet.

b) Eine Haftung wegen nicht ausreichender oder nicht rechtzeitiger Aufklärung entfällt, wenn der Patient über das maßgebliche Risiko bereits anderweitig aufgeklärt ist.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 131/02

Verkündet am: 25. März 2003

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller sowie die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. März 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld nach zwei vom Beklagten zu 1) im Klinikum der Beklagten zu 2) durchgeführten Bandscheibenoperationen, die nach seiner Behauptung zu einer kompletten Lähmung seiner Blase geführt haben.

Nachdem ein am 10. April 1989 durchgeführtes Kernspintomogramm einen medio-lateral gelegenen Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 rechts mit deutlicher Komprimierung des Duralschlauches und der rechten Nervenwurzel S1 gezeigt hatte, suchte der Kläger am 12. April 1989 den Beklagten zu 2) in der Klinik auf. Er klagte über seit mehr als 6 Wochen bestehende Lumboischialgien rechts mit einer Fußheberparese rechts. Konservative Therapien waren erfolglos geblieben. Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion bestanden nicht. Anhand der seitens des Klägers mitgebrachten Krankenunterlagen stellte der Beklagte zu 2) die Operationsindikation und ließ den Kläger für Samstag, den 15. April 1989, zur Operation vormerken, weil am 12. April 1989 kein Bett frei war.

Dementsprechend wurde der Kläger am 15. April stationär in der Klinik aufgenommen. Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigten sich eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule, positive Nervenwurzeldehnungszeichen, diskrete Fußheberparese rechts, Abschwächung des Achillessehnenreflexes sowie eine Hypästhesie im Dermatom S1 rechts. Am Nachmittag klärte der Beklagte zu 2) den Kläger über die Operationsrisiken auf. Das vom Kläger unterzeichnete Einwilligungsformular erwähnt handschriftlich als mögliche Komplikationen: "Blutung, Nachblutung, entzündliche Komplikationen, neurologische Ausfälle". Gegen 20.00 Uhr erfolgte dann die Operation durch den Beklagten zu 2) und den früheren Beklagten zu 3).

Im Anschluß an den bis zum 27. April 1989 dauernden stationären Aufenthalt führte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme durch. Da er weiterhin über Beschwerden klagte, wurde er am 18. Mai 1989 nochmals in der neurochirurgischen Klinik der Beklagten zu 1) aufgenommen. Nach neuerlicher Aufklärung mit Hinweis auf neurologische Ausfälle als Risiko erfolgte dort am Abend des 26. Mai 1989 eine Reoperation, bei der lediglich Narbengewebe vorgefunden wurde. Während dieses zweiten Klinikaufenthaltes traten Blasenentleerungsstörungen auf, wobei allerdings der genaue Zeitpunkt nicht dokumentiert wurde.

Im weiteren Verlauf schilderte der Kläger häufig wechselnde Beschwerden im Sinne von Sensibilitätsstörungen und Lähmungen im Bereich der unteren Extremitäten. Bei neurologischen Untersuchungen wurden, abgesehen von den Blasenentleerungsstörungen, keine neurologischen Defizite festgestellt, und es wurde die Diagnose eines akuten psychogenen Ausnahmezustands gestellt.

Am 9. Juni 1989 wurde der Kläger voll mobil und weitgehend schmerzfrei, bei allerdings weiterhin gestörter Blasenfunktion, nach Hause entlassen. Die Blasenentleerungsstörung bildete sich sodann über Wochen hinweg zunächst zurück, trat nach einem Jahr jedoch in Form einer Blasenlähmung wieder in Erscheinung. Der Kläger ist derzeit darauf angewiesen, sich sechsmal am Tag selbst zu katheterisieren.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung durch Teilurteil bestätigt, soweit sie die früheren Beklagten zu 3) bis 5) betraf. Bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) hat es mit dem angefochtenen Schlußurteil die Berufung zurückgewiesen und die Revision zur Frage der Rechtzeitigkeit der Aufklärung zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht geführt. Insoweit ergebe sich auch nicht wegen der festgestellten Dokumentationsmängel eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers.

Hinsichtlich beider Operationen liege eine wirksame Einwilligung vor. Zwar sei eine Aufklärung, die nur neurologische Störungen erwähne, ohne dies näher zu erklären, unzureichend, weil ein Laie mit einer neurologischen Störung nicht gravierende Störungen wie eine Lähmung der Blase verbinde. Nach Vernehmung der beiden Parteien stehe aber fest, daß der Beklagte zu 2) den Kläger am 15. April 1989 auch darauf hingewiesen habe, daß in seltenen Einzelfällen eine Lähmung der Blase eintreten könne, die in sehr seltenen Fällen von Dauer sei.

Die Aufklärung sei im Hinblick auf die konkreten Umstände des Falles rechtzeitig erfolgt. So habe sich der Kläger mit der Erforderlichkeit einer Operation bereits einige Tage davor gedanklich beschäftigt, da bereits seit Mittwoch festgestanden habe, daß operiert werden müsse. Nachdem ihm am Samstag u.a. das (sehr seltene) Risiko einer Blasenlähmung mitgeteilt worden sei, habe er bis zur Operation noch mehrere Stunden Zeit gehabt, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob er sich operieren lassen wolle. Darüber hinaus habe ihm die Möglichkeit offen gestanden, bei Zweifeln seinen Vater oder einen seiner Freunde, beides Ärzte, telefonisch zu kontaktieren, um das Für und Wider einer Operation noch einmal zu besprechen. Da es sich bei der Blasenstörung um ein sehr seltenes Risiko handele, werde der Kläger den Eintritt der schlimmen Folge jedoch für dementsprechend wenig wahrscheinlich gehalten haben.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision, die sich gegen die Auffassung wendet, die Aufklärung sei ausreichend gewesen und rechtzeitig erfolgt, nicht durchweg stand.

1. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage, ob die Aufklärung rechtzeitig erfolgte, hindert den erkennenden Senat nicht, auch zu prüfen, ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Überzeugung gewonnen hat, daß der Kläger am 15. April 1989 ausreichend aufgeklärt worden ist. Wird die Revision zugelassen, so erfaßt die Zulassung den Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 - VersR 1995, 841; BGHZ 141, 232, 233 f. und 130, 50, 59 m.w.N.; BGH, Urt. vom 5. Februar 1998 - III ZR 103/97 - NJW 1998, 1138, 1139).

Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Kläger inhaltlich ausreichend aufgeklärt worden sei, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

a) Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte zu 2) den Kläger am 15. April 1989 u.a. auf das Risiko einer, möglicherweise auch dauerhaften, Blasenlähmung hingewiesen hat, läßt entgegen der Auffassung der Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Angriffe der Revision hiergegen beschränken sich darauf, die eigene Würdigung an die Stelle der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht zu setzen.

b) Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner Aufklärung darüber, daß eine Blasenlähmung und -schwächung nicht zwangsläufig auf eine intraoperative Verletzung zurückzuführen sein muß, sondern sich auch infolge einer Verkettung unglücklicher Umstände entwickeln kann, die vom Arzt nur begrenzt zu beeinflussen sind. Entscheidend ist eine Verdeutlichung des Risikos, wohingegen es im Streitfall keiner Aufklärung darüber bedurfte, daß sich das Risiko auch unabhängig vom ärztlichen Vorgehen verwirklichen könne.

c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das von den Beklagten verwendete "Einwilligungsformular für einen ärztlichen Eingriff" sei völlig unspezifisch und unzureichend gewesen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bedarf es zum Zwecke der Aufklärung grundsätzlich des vertrauensvollen Gesprächs zwischen Arzt und Patienten, auf dessen Inhalt das Berufungsgericht bei seiner Überzeugungsbildung zulässigerweise abgestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 8. Januar 1985 - VI ZR 15/83 - VersR 1985, 361, 362). Das schließt die ergänzende Verwendung von Merkblättern nicht aus, in denen die notwendigen Informationen zu dem Eingriff einschließlich seiner Risiken schriftlich festgehalten sind. Daß der Kläger infolge der Verwendung des Formulars bezüglich der Risiken des Eingriffs, etwa durch deren verharmlosende Darstellung, irregeführt worden wäre, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

2. Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Aufklärung am Nachmittag des 15. April 1989, des Operationstags, rechtzeitig erfolgt sei.

a) Insoweit geht das Berufungsgericht zwar im Ansatz von der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats aus, nach der der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muß, daß er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1056 f.; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1236; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960 f.). Zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes erfordert dies grundsätzlich, daß ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind. Allerdings ist eine erst später erfolgte Aufklärung nicht in jedem Fall verspätet. Vielmehr hängt die Wirksamkeit einer hierauf erfolgten Einwilligung davon ab, ob unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden (Senatsurteile vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - aaO und vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - aaO). Je nach den Vorkenntnissen des Patienten von dem bevorstehenden Eingriff kann bei stationärer Behandlung eine Aufklärung im Verlaufe des Vortages grundsätzlich genügen, wenn sie zu einer Zeit erfolgt, zu der sie dem Patienten die Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts erlaubt (Senatsurteil vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - aaO). Hingegen reicht es bei normalen ambulanten und diagnostischen Eingriffen grundsätzlich aus, wenn die Aufklärung am Tag des Eingriffs erfolgt. Auch in solchen Fällen muß jedoch dem Patienten bei der Aufklärung über die Art des Eingriffs und seine Risiken verdeutlicht werden, daß ihm eine eigenständige Entscheidung darüber, ob er den Eingriff durchführen lassen will, überlassen bleibt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - aaO und vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - aaO).

b) Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß seine Wertung von der Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766 abweicht und hat deshalb die Revision zugelassen. Es meint, im Streitfall sei die Aufklärung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls noch als rechtzeitig anzusehen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Wie im Senatsurteil vom 7. April 1992 dargelegt, wird ein Patient auch bei Aufklärung am Vorabend einer Operation in der Regel mit der Verarbeitung der ihm mitgeteilten Fakten und der von ihm zu treffenden Entscheidung überfordert sein, wenn er - für ihn überraschend - erstmals aus dem späten Aufklärungsgespräch von gravierenden Risiken des Eingriffs erfährt, die seine persönliche zukünftige Lebensführung entscheidend beeinträchtigen können. Ob das im Streitfall verwirklichte Risiko ein solches Gewicht hatte, kann dahinstehen, da die Aufklärung ohnehin erst am Tag des Eingriffs erfolgte. Das war nach den dargelegten Grundsätzen jedenfalls verspätet. Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß sogar bei größeren ambulanten Eingriffen mit beträchtlichen Risiken eine Aufklärung erst am Tag des Eingriffs nicht mehr rechtzeitig sein dürfte, zumal solchen Operationen gewöhnlich Untersuchungen vorangehen, in deren Rahmen die erforderliche Aufklärung bereits erteilt werden kann (Senatsurteil vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - aaO).

c) Die Umstände des Einzelfalls geben keinen Anlaß, von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Der Beklagte zu 2) konnte den Kläger bereits am Mittwoch, dem 12. April 1989, über die Risiken der Bandscheibenoperation aufklären, als er ihm zu dem operativen Eingriff riet und zugleich einen Operationstermin mit ihm vereinbarte. Dies wäre der richtige Zeitpunkt für die Aufklärung gewesen, auch wenn eine rechtzeitige Aufklärung - notfalls durch zusätzliche Einbestellung des Patienten - noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Da der Kläger dem Beklagten zu 2) nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 12. April die Krankenunterlagen mitbrachte, lagen zu diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Informationen vor, die dann auch zu der Entscheidung für die Operation führten. Am 15. April 1989 haben sich bei der Aufnahmeuntersuchung grundlegend neue Gesichtspunkte nicht ergeben. Wenn wegen des fehlenden Bettes am 12. April 1989 die stationäre Aufnahme für Samstag, den 15. April 1989 vereinbart wurde, kann für diesen Tag von einer "notfallmäßigen Aufnahme" nicht gesprochen werden.

Bei dieser Sachlage ist die Aufklärung am Nachmittag des Operationstages in Anbetracht der möglichen erheblichen Folgen des Eingriffs für die Lebensführung des Patienten nicht rechtzeitig erfolgt. Der Beklagte zu 2) hat bei seiner Parteivernehmung selbst darauf hingewiesen, daß es sich bei der Operation um eine Stelle handelte, die zu den empfindlichsten des Menschen überhaupt zähle, und der Operateur in einen Bereich eintrete, in dem die Nerven, u.a. der Blase, des Darms und des Damms verliefen und beeinflußt werden könnten. In Anbetracht dieser möglichen gravierenden Folgen benötigte der Kläger zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts eine längere Bedenkzeit für eine Einwilligung in die Operation. Der Umstand, daß er bereits seit einigen Tagen von dem Operationstermin wußte, kann nicht zu einer anderen Wertung führen, weil es bei der Abwägung entscheidend auf die Kenntnis von den Operationsrisiken ankommt. Der Hinweis auf eine mögliche telefonische Nachfrage bei seinem Vater oder einem seiner Freunde geht schon deswegen fehl, weil nicht einmal feststeht, daß der Kläger diese in der verbleibenden Zeit bis zum Beginn der Operationsvorbereitungen erreicht hätte. Ebenso kommt es nicht darauf an, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führen konnte. Entscheidend war vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben konnte. Bei der hier gegebenen möglichen besonders schweren Belastung für die Lebensführung des Patienten war die rechtzeitige Information über das Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107 und 144, 1, 5; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105). Gerade solche schwerwiegenden Risiken können den Patienten veranlassen, eine Operation auch bei bestehender Indikation zu hinterfragen und sich über etwaige Alternativen zu informieren, selbst wenn es sich dabei aus Sicht des behandelnden Arztes nicht um eine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit handeln sollte.

d) Der nicht rechtzeitig aufgeklärte Patient muß allerdings substantiiert darlegen, daß ihn die späte Aufklärung in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt hat, und plausibel machen, daß er, wenn ihm rechtzeitig die Risiken der Operation verdeutlicht worden wären, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei allerdings an die Substantiierungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1236; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960, 962). Insoweit weist die Revision jedoch darauf hin, daß der Kläger solche Gründe in der Berufungsinstanz vorgetragen hat.

3. Soweit die Revision eine nicht ausreichende und verspätete Aufklärung vor der zweiten Operation am 26. Mai 1989 geltend macht, kann sie keinen Erfolg haben. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats entfällt eine solche Haftung, wenn feststeht, daß der Patient über das maßgebliche Risiko bereits anderweit aufgeklärt ist, da er dann weiß, in welchen Eingriff er einwilligt (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539; vom 22. Januar 1980 - VI ZR 263/78 - VersR 1980, 428, 429; vom 23. Oktober 1979 - VI ZR 197/78 - VersR 1980, 68, 69). Hier war eine inhaltlich ausreichende Aufklärung am 15. April 1989 erfolgt, die für die Operation am 26. Mai 1989 ausreichte, weil sich gegenüber der ersten Operation kein neues Risiko ergeben hat.

III.

Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den im Verfahren weiter relevanten Fragen getroffen hat. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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