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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.06.1998
Aktenzeichen: VI ZR 260/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 852 Abs. 2
BGB § 852 Abs. 2

Die Fortsetzung von Verhandlungen wird erst dann verweigert im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB, wenn ein Abbruch der Verhandlungen klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird.

BGH, Urteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97 - OLG Zweibrücken LG Frankenthal


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 260/97

Verkündet am: 30. Juni 1998

Grünth Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler und Dr. Greiner

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juli 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers hinsichtlich der Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 21. November 1988 in Ludwigshafen geltend. Der damals zwölf Jahre alte Kläger war von einem vom Beklagten zu 3 geführten Straßenbahnzug der Beklagten zu 2 auf dem von der Straße abgesetzten Gleiskörper erfaßt und verletzt worden.

Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldnern Ersatz von 2.506 DM materiellem Schaden (Kosten für Nachhilfeunterricht) und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen, nicht übergegangenen materiellen Schäden sowie von dem Beklagten zu 3 zusätzlich ein Schmerzensgeld. Die ursprünglich gegen den Beklagten zu 1 als den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2 erhobene Klage hat der Kläger zurückgenommen.

Das Landgericht hat die am 22. Januar 1996 eingegangene und den Beklagten am 31. Januar 1996 zugestellte Klage nach Einrede der Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Zurückweisung seiner Berufung.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, mögliche Ansprüche des Klägers aus § 1 HaftpflichtG und §§ 823, 847 BGB seien nach Ablauf von mehr als drei Jahren verjährt. Ansprüche gegen den Beklagten zu 3 seien vor Einreichung der Klage nicht geltend gemacht worden. Die Verjährungsfrist habe mit dem Unfalltag begonnen, denn die sorgeberechtigte Mutter des damals minderjährigen Klägers habe am selben Abend Kenntnis vom Schaden und vom Schädiger gehabt oder erhalten können.

Für Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 sei eine Hemmung der Verjährungsfrist ab Zugang des Schreibens vom 22. Juni 1992 mit Zugang des Schreibens des früheren Beklagten zu 1 vom 24. August 1993 beendet worden; dieser habe in dem Schreiben eine Haftung definitiv abgelehnt. Von diesem Zeitpunkt bis zur Klageeinreichung seien zwei Jahre und nahezu fünf Monate vergangen.

Weitere fast zweieinhalb Jahre sei die Verjährungsfrist vom 8. Dezember 1989 bis Juni 1992 gelaufen. Zwar sei der Lauf der Verjährungsfrist durch das Schreiben der Beklagten zu 2 vom 10. Februar 1989, mit dem sie die Weiterleitung des Anspruchsschreibens des Klägers an den Haftpflichtversicherer mitgeteilt habe, zunächst gehemmt gewesen. Diese Hemmung habe jedoch am 8. Dezember 1989 geendet. An diesem Tage sei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers das Schreiben des früheren Beklagten zu 1 zugegangen, mit dem erstmals mitgeteilt worden sei, daß der Schaden nicht anerkannt werden könne. Der Wortlaut des Schreibens lasse keinen Zweifel daran, daß jegliche Einstandspflicht abgelehnt werde.

II.

Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand, soweit es eine Haftung der Beklagten zu 2 verneint.

1. Im Ansatz ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 2 aus § 1 HaftpflichtG und aus §§ 823, 831 BGB in drei Jahren ab dem Zeitpunkt verjähren, in dem die gesetzliche Vertreterin des damals erst zwölf Jahre alten Klägers Kenntnis nicht nur von der Schädigung, sondern auch von der Person des Schädigers hatte (§§ 11 HaftpflichtG, 852 Abs. 1 BGB).

Das Berufungsgericht geht ferner zu Recht davon aus, daß der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt ist, solange zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Geschädigten Verhandlungen schweben (§ 852 Abs. 2 BGB). Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiter die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Hemmung der Verjährung habe jedenfalls mit Zugang des jegliche Haftung ablehnenden Schreibens des Versicherers vom 24. August 1993 am Folgetag, dem 25. August 1993, geendet. Die Revision nimmt ausdrücklich hin, daß infolgedessen bis zum Eingang der Klage beim Landgericht circa zwei Jahre und fünf Monate der Verjährungsfrist verstrichen waren.

2. Das Berufungsgericht rechnet jedoch zu Unrecht die Zeit zwischen dem 8. Dezember 1989 und dem 22. Juni 1992 (Ankündigung der Einsicht in die Akten des Strafverfahrens) zum Ablauf der Verjährungsfrist hinzu, weil in diesem Zeitraum die Verjährungsfrist nicht gehemmt gewesen sei. Diese Ansicht verkennt die rechtlichen Voraussetzungen für ein Ende der Verhandlungen gemäß § 852 Abs. 2 BGB, wie die Revision mit Erfolg beanstandet.

a) Nach der Aufnahme von Verhandlungen zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten ist die Verjährung gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 852 Abs. 2 BGB). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muß - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGHZ 93, 64, 67; Senatsurteil vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90 - VersR 1991, 475).

b) Das Berufungsgericht stellt eine Verweigerung der Verhandlungen durch klares und eindeutiges Verhalten seitens des für die Beklagte zu 2 handelnden Versicherers nicht fest. Es prüft lediglich, ob das Schreiben des Versicherers vom 7. Dezember 1989 eine Ablehnung der Einstandspflicht zum Ausdruck bringt. Auf die hiervon zu unterscheidende Frage, ob damit eine Fortsetzung der Verhandlungen klar und eindeutig verweigert wird, geht es dagegen nicht ein. Auch dem Urteil des Landgerichts ist dazu nichts zu entnehmen. Dieses geht davon aus, die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist ende schon dann, wenn der Verhandlungspartner Ansprüche verneine.

Das verkennt die Rechtslage. Zwar ist ein für den Beginn der Verjährungshemmung maßgebliches "Verhandeln" im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB, das grundsätzlich weit zu verstehen ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1988 - VI ZR 120/87 - VersR 1988, 718, 719), nicht anzunehmen, wenn der Verhandlungspartner jegliche Einstandspflicht verneint (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90 - VersR 1991, 475). Wie der Senat in der genannten Entscheidung dargelegt hat, gilt jedoch anderes für den Abbruch bereits aufgenommener Verhandlungen. Diese können auch weiterlaufen, wenn bei dem Ersatzverpflichteten eine Vergleichsbereitschaft zurücktritt, solange er gesprächsbereit bleibt. Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, daß der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt. Zu diesen Voraussetzungen aber hat das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - Feststellungen nicht getroffen. Es legt insbesondere nicht dar, inwiefern das genannte Schreiben einen Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt. Daß der Versicherer bereit ist, die Frage einer Einstandspflicht - unter bestimmten Voraussetzungen - neu zu prüfen, steht der Annahme eines Abbruchs von Verhandlungen im Regelfall entgegen. Warum das vorliegend anders sein sollte, ist nicht ersichtlich und wird vom Berufungsgericht nicht dargelegt. Das Schreiben vom 7. Dezember 1989 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Nach Sachlage kann der Schadensersatzanspruch nicht anerkannt werden. Gleichwohl betonen wir unsere Bereitschaft, die Angelegenheit nochmals zu prüfen, wenn Hinweise auf ein, wie von Ihnen angegebenes Mitverschulden des Strabführers nachprüfbar, nachvollziehbar, vorgelegt bzw. ausreichend begründen werden."

Der Kläger durfte diesem Schreiben des Versicherers die Aufforderung zu weiterem Vortrag entnehmen. Eine solche Aufforderung läßt keinen Abbruch der Verhandlungen erkennen, wie das für ein Ende der Verjährungshemmung gemäß § 852 Abs. 2 BGB erforderlich wäre; sie bringt im Gegenteil die für Verhandlungen wesentliche Gesprächsbereitschaft zum Ausdruck.

Auf der Grundlage der derzeitigen tatsächlichen Feststellungen bestand für den Kläger zudem - entgegen der von der Revisionserwiderung geäußerten Auffassung - keine Veranlassung, im Hinblick auf die von ihm behauptete Vereinbarung über eine Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist während der Dauer des Strafverfahrens bereits nach dem 3. November 1992 (dem Ende des Strafverfahrens) den Haftpflichtprozeß weiter zu betreiben. Diese Vereinbarung war im Gegenteil dazu geeignet, auch für die Zeit zwischen dem 8. Dezember 1989 und dem 22. Juni 1992, für die Verhandlungen zwischen dem Kläger und dem Versicherer der Beklagten zu 2 nicht ersichtlich sind, die Hemmung der Verjährungsfrist zu sichern. Dafür, daß nach der durch die Rücknahme der Revision seitens der Staatsanwaltschaft am 3. November 1992 eingetretenen rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens schon vor Zugang des eine Fortsetzung der Verhandlungen verweigernden Schreibens vom 24. August 1993 die Hemmung der Verjährungsfrist beendet worden wäre, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen war nach allem die Verjährungsfrist nur vom 21. November 1988 bis 11. Februar 1989 und vom 25. August 1993 bis 22. Januar 1996 in Lauf und damit bei Klagerhebung noch nicht verstrichen.

III.

Der Revision ist der Erfolg dagegen zu versagen, soweit sie die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 3 beanstandet. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß Ansprüche gegen diesen Beklagten vorprozessual zu keiner Zeit geltend gemacht worden sind. Diese Feststellung ist mit einer zulässigen Verfahrensrüge nicht angegriffen worden. Hinsichtlich des Beklagten zu 3 ist deshalb zu keiner Zeit eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen mit dem Versicherer der Beklagten zu 2 (vgl. §§ 7 Nr. 1 Satz 1, 5 Nr. 7 AHB) eingetreten. Die Abweisung der Klage ist daher berechtigt.

Ende der Entscheidung

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