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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.01.1998
Aktenzeichen: VI ZR 311/96
Rechtsgebiete: RVO


Vorschriften:

RVO § 636
RVO § 637
RVO §§ 636, 637

Zu den Voraussetzungen einer Haftungsfreistellung nach den §§ 636, 637 RVO.

BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 311/96 - OLG Naumburg LG Magdeburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 311/96

Verkündet am: 20. Januar 1998

Weschenfelder Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 1998 durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Bischoff, Dr. v. Gerlach und Dr. Greiner

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 8. August 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der bei dem Speditionsunternehmen Z. KG angestellt war, verlangt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für die materiellen und immateriellen Schäden, die ihm als Beifahrer eines von der Beklagten zu 1) gelenkten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW entstanden sind.

Am 15. Februar 1992 begleitete der Kläger den Geschäftsführer Z., der Halter dieses PKW war, auf dessen Weisung auf einer Fahrt nach Bi.. Der Kläger sollte einen in B. abgestellten LKW der Z. KG nach W. überführen. Bei dieser Gelegenheit sollten private Möbel der Beklagten zu 1) (künftig Beklagte) nach W. mitgenommen werden. Wegen privater Schwierigkeiten der Beklagten kam es jedoch nicht zur Mitnahme der Möbel, so daß der LKW, den der Kläger fahren sollte, in B. verblieb.

Auf der Rückfahrt am selben Tage kam die Beklagte mit dem Fahrzeug ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Dabei wurde Z. tödlich verletzt. Der Kläger erlitt schwere Verletzungen.

Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen hat das Schadensereignis für den Kläger als Wegeunfall anerkannt, weil er von der Z. KG damit beauftragt worden sei, zum Abholen eines LKW mit nach B. zu fahren. Für die Hinterbliebenen des Z. wurde die Zahlung einer Rente abgelehnt, weil es sich für ihn um eine Privatfahrt gehandelt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Haftung der Beklagten durch die §§ 636 ff. RVO ausgeschlossen. Für den Kläger habe es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt, der sich nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr zugetragen habe. Vielmehr habe der Kläger während der Fahrt nach B. eine arbeits- und betriebsbezogene Tätigkeit ausgeübt. Daß auf der Rückfahrt Möbel der Beklagten gefälligkeitshalber hätten mitgenommen werden sollen, stehe dem Versicherungsschatz aus § 539 Abs. 2 RVO nicht entgegen.

Im Rahmen des Möbeltransportes sei die Beklagte Unternehmerin im Sinne des § 636 RVO gewesen. Für deren Unternehmen sei der Kläger arbeitnehmerähnlich tätig geworden, so daß für ihn Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO bestanden habe. Daß sich die Fahrt für Z. als reine Privatfahrt dargestellt habe, ändere daran nichts.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zutreffend geltend macht, zu Unrecht angenommen, daß einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 823, 847 BGB der Haftungsausschluß der §§ 636, 637 RVO entgegenstehe.

1. Die Klagansprüche scheitern entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon an § 636 RVO.

Eine Haftungsfreistellung der Beklagten nach dieser Vorschrift setzte voraus, daß der Kläger für ein Unternehmen der Beklagten zu 1) tätig gewesen wäre und hierbei den Unfall erlitten hätte. Das ist nicht der Fall.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der von der Beklagten beabsichtigte Möbeltransport als Unternehmen im Sinne von § 636 RVO angesehen werden könnte, denn nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundessozialgerichts erfordert die Unternehmereigenschaft eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, die auf einen einheitlichen Zweck ausgerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (Senatsurteil vom 26. Juni 1990 - VI ZR 233/89 - VersR 1990, 1161; BSGE 16, 79, 81; 36, 111, 115). Diese Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden. Selbst wenn sie bejaht würde, scheiterte eine Haftungsfreistellung der Beklagten zu 1) daran, daß die Tätigkeit des Klägers nicht dem Unternehmen der Beklagten zu 1) zuzuordnen wäre.

Im Augenblick des Unfalls war der Kläger jedenfalls für sein Stammunternehmen, also die Z. KG unterwegs. Da er von seinem Arbeitgeber den Auftrag hatte, den in B. abgestellten LKW nach W. zu überführen, stellte sich die Fahrt für ihn als Dienstreise dar, und zwar sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt.

Sollte der Kläger auf dem Wege nach Bi. daneben - wie unterstellt - auch für ein Unternehmen der Beklagten tätig geworden sein, so würde seine Tätigkeit nach der Rechtsprechung des Senats ihr Gepräge durch das Stammunternehmen erhalten, so daß Versicherungsschutz nur dort ausgelöst wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1996 - VI ZR 155/95 - VersR 1996, 1412).

2. Ein Haftungsausschluß nach § 637 RVO, den das Berufungsgericht nicht ausdrücklich geprüft hat, kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Diese Vorschrift setzt voraus, daß die den Unfall verursachende Beklagte als Betriebsangehörige in demselben Betrieb wie der Kläger tätig, also dessen Arbeitskollegin bei der Z. KG gewesen wäre. Das könnte nur dann bejaht werden, wenn u.a. die Beklagte zu 1) der Weisungs- und Direktionsbefugnis der Z. KG unterworfen gewesen wäre. (Senatsurteil vom 10. Mai 1983 - VI ZR 252/81 - VersR 1983, 687, 688 m.w.N.; BAG NJW 1984, 885). Dazu ist hier nichts festgestellt.

III.

Das angefochtene Urteil muß danach aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, damit die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers geprüft werden könnnen.

Ende der Entscheidung

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