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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.10.1999
Aktenzeichen: VI ZR 323/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 323/98

Verkündet am: 12. Oktober 1999

Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller und Dr. Greiner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. August 1998 hinsichtlich der Kostenentscheidung, soweit diese nicht die durch die Anrufung des Landgerichts und Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. entstandenen Mehrkosten betrifft, und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem in der Schweiz wohnhaften Beklagten Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Geldanlage, die in der Beteiligung an der LGS, einer Gesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Virginia, bestand. Der Beklagte, der sich in den USA als Financier und Anlageberater betätigte, hatte diese Gesellschaft gegründet, um durch den Bau einer Pipeline ein Gasfeld in Kentucky zu erschließen. Die Durchführung des Projekts vor Ort sollte der TSM (einer Gesellschaft nach dem Recht des US-Staates Neu-Mexiko) obliegen, deren Präsident der Amerikaner St. war.

Die Partner der LGS (Geldanleger), zu denen auch der Kläger gehörte, wurden durch verschiedene Vermittler und Untervermittler geworben. Die Abwicklung der Beteiligung erfolgte durch die in der Schweiz ansässige T. GmbH, die sich ebenfalls in der Hand des Beklagten befand.

Am 28. Oktober 1988 unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung zur LGS über eine Zeichnungssumme von 50.000 US-Dollar zuzüglich einer sogenannten Emissionsgebühr von 2.500 US-Dollar.

Nachdem die T. GmbH ihm unter dem 7. November 1988 den Erhalt der Beitrittserklärung bestätigt hatte, überwies der Kläger an sie am 9. November 1988 52.500 US-Dollar, die er sich durch Darlehen beschafft hatte. Am Tage zuvor hatte der Beklagte für die LGS die Beitrittserklärung des Klägers angenommen; diese Annahmeerklärung schickte die T.-GmbH dem Kläger unter dem 21. November 1988 zu. Am 9. November 1988 teilte der Beklagte dem Kläger mit, seit Wochen werde nun wieder mit Hochdruck an dem durch einen Hurrican in Verzug geratenen Projekt gearbeitet.

Tatsächlich aber hatte St. am 31. Oktober 1988 einen der Geschäftsführungsverträge gekündigt; seit Anfang November 1988 ruhten die Arbeiten. Die Kündigung zog er zwar am 10. November 1988 wieder zurück und gab gegenüber dem Beklagten eine Fertigstellungs- und Erfüllungsgarantie ab. Gleichwohl wurden die Arbeiten nicht wieder aufgenommen; zur Durchführung des Vorhabens kam es nicht.

Der Kläger, der kein Geld zurückerhalten hat, behauptet, der Beklagte habe es mit unzutreffenden Angaben von vornherein auf den Betrug der Anleger abgesehen gehabt. Außerdem seien die Einlagen der Anleger nicht in das Projekt geflossen, sondern auf Umwegen an den Beklagten gelangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Beklagten keine bewußt unwahren Angaben nachzuweisen seien und nicht auszuschließen sei, daß dieser selbst von seinen amerikanischen Partnern betrogen worden sei. Das Oberlandesgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist dem Landgericht darin gefolgt, daß dem Beklagten nicht nachzuweisen sei, daß er es von vornherein auf einen Betrug der Anleger angelegt habe. Jedoch sieht es eine sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) des Klägers, der die Klage im Berufungsrechtszug nur noch auf deliktische Ansprüche gestützt hat, darin, daß der Beklagte den Kläger vor der Annahme der Beitrittserklärung am 8. November 1988 nicht darauf hingewiesen habe, daß die Durchführung des Projekts hochgradig gefährdet sei, weil St. am 31. Oktober 1988 einen Geschäftsführungsvertrag gekündigt habe und an der Pipeline seit Anfang November 1988 nicht mehr gearbeitet worden sei. Das Verschweigen dieser Umstände sei leichtfertig und gewissenlos und damit sittenwidrig gewesen; der Beklagte habe gewußt, daß ein Anleger in ein in dieser Weise in der Luft hängendes Projekt kein Geld investiere; er habe den Verlust des Geldes zumindest billigend in Kauf genommen und deshalb vorsätzlich gehandelt.

Der Beklagte sei daher verpflichtet, dem Kläger gegen Abtretung der Beteiligungsrechte an der LGS die Beträge zu erstatten, die dieser auf das für die Geldanlage aufgenommene Darlehen bereits zurückgezahlt habe, und ihn im übrigen von seiner restlichen Darlehensverbindlichkeit freizustellen.

II.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Revision rügt zu Recht, daß die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe dem Kläger die bei der Verwirklichung des Erschließungsprojekts aufgetretenen Schwierigkeiten in sittenwidriger Weise verschwiegen und dadurch sei es zu dem vom Kläger erlittenen Schaden gekommen, von den tatsächlichen Feststellungen nicht getragen wird.

1. Das Berufungsgericht nimmt an, daß der Beklagte die Beitrittserklärung des Klägers vom 28. Oktober 1988 nicht habe annehmen dürfen, ohne den Kläger auf die Probleme, die sich inzwischen bei der Durchführung des Bauvorhabens ergeben hatten, hinzuweisen. Er sei vielmehr verpflichtet gewesen, den Kläger vor Annahme der Beitrittserklärung am 8. November 1988 wahrheitsgemäß darüber zu unterrichten, daß an der Pipeline seit Anfang November 1988 nicht mehr gearbeitet worden und die Durchführung des Vorhabens ab diesem Zeitpunkt hochgradig in Frage gestellt gewesen sei.

Eine solche Hinweispflicht mag aus Gründen vorvertraglicher Rücksichtnahme bestanden haben. Doch reichen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um auch eine deliktische Pflicht des Beklagten im Sinne des § 826 BGB, auf die der Kläger sein Klagebegehren allein noch stützt, bejahen zu können.

Zwar hatte der Geschäftspartner des Beklagten in den USA, St., einen der Geschäftsführungsverträge, mit dem die TSM mit der Durchführung der das Projekt betreffenden Aufgaben betraut worden war, am 31. Oktober 1988 gekündigt und die Bauarbeiten Anfang November eingestellt. Doch wurde diese Kündigung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 10. November wieder zurückgenommen und eine Fertigstellungsgarantie abgegeben, wobei aus dem Widerruf der Kündigung hervorgeht, daß St. dem Beklagten, wie die Revision zu Recht geltend macht, schon zwei Tage zuvor, nämlich am 8. November, eine das Projekt betreffende Fertigstellungsgarantie ausgefertigt hatte. Unter welchen Umständen und aus welchen Gründen es zu der Kündigungsrücknahme und der Abgabe der Fertigstellungsgarantie kam, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Derartiger Feststellungen hätte es jedoch bedurft, denn es liegt nahe, daß diesen Erklärungen Verhandlungen zwischen den Beteiligten vorausgingen, um die aufgetretenen Schwierigkeiten zu beheben. War dies aber der Fall, kann es nicht ohne weiteres als sittenwidrig angesehen werden, wenn der Beklagte auf die Beseitigung der Schwierigkeiten und eine Fortführung des Projekts vertraute und deshalb den Kläger von den vermeintlich nur vorübergehenden Schwierigkeiten vor Annahme der Beitrittserklärung nicht unterrichtete. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß für die Anleger eine gewisse Sicherheit darin bestand, daß ihr Geld zunächst auf ein Treuhandkonto der T.-GmbH eingezahlt wurde. Solange sich das Geld auf diesem Konto befand, kann in dem Unterlassen eines Hinweises an den Kläger vor Annahme seiner Beitrittserklärung jedenfalls ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten nicht erblickt werden.

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht die Annahme, daß der dem Kläger durch die Kreditaufnahme und die Zahlung der Zeichnungssumme einschließlich Emissionsgebühr entstandene Schaden auf der vom Beklagten unterlassenen Aufklärung über die bei Annahme der Beitrittserklärung am 8. November 1988 bestehenden Schwierigkeiten beruht. Die getroffenen Feststellungen lassen jedenfalls nicht den Schluß zu, daß der Beklagte durch eine rechtzeitige Aufklärung über die Schwierigkeiten überhaupt in der Lage gewesen wäre, den Kläger an der Kreditaufnahme und Überweisung der genannten Beträge zu hindern.

a) Die T.-GmbH in der Schweiz bestätigte den Erhalt der Beitrittserklärung des Klägers unter dem 7. November. Ob sie dort schon vorher eingegangen war, ist nicht festgestellt. Ebensowenig ist festgestellt, ob der Beklagte am 7. November von der Beitrittserklärung des Klägers Kenntnis hatte. Das kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, da das Bestätigungsschreiben nicht vom Beklagten persönlich, sondern von einer Mitarbeiterin im Auftrag der T.-GmbH unterschrieben wurde und der Beklagte selbst die Beitrittserklärung des Klägers - jedenfalls nach den Erklärungen in der Beitrittsvereinbarung - am 8. November an einem Ort in den USA angenommen hat. Danach kann als feststehend lediglich davon ausgegangen werden, daß der Beklagte jedenfalls am 8. November von der Beitrittserklärung des Klägers Kenntnis hatte.

b) Dann aber ist nicht ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt, daß eine an diesem Tage veranlaßte Unterrichtung des Klägers über die aufgetretenen Schwierigkeiten sich auf die Überweisung der Zeichnungssumme, die seinem Konto am 9. November belastet wurde, noch hätte auswirken können. Wäre dies nicht der Fall, würde die Unterlassung einer etwa gebotenen Mitteilung an den Kläger für den durch die Zahlung eingetretenen Schaden nicht ursächlich geworden sein. Das gleiche gilt für das Schreiben unter dem 9. November 1988 aus den USA, mit dem der Beklagte dem Kläger mitteilte, es werde seit Wochen mit Hochdruck an dem Projekt gearbeitet. Insoweit fehlt es indessen an Feststellungen des Berufungsgerichts, die - evtl. nach ergänzendem Vorbringen der Parteien - nachzuholen sein werden.

c) Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, der Beklagte hätte als Initiator und Beherrscher der Anlegerwerbung dafür sorgen müssen, daß die Anleger schon in dem Bestätigungsschreiben durch die T.-GmbH von der Einstellung der Arbeiten unterrichtet wurden, vermag die Annahme der Kausalität nicht zu stützen. Denn es fehlt die Feststellung, wann das Schreiben vom 7. November dem Kläger zugegangen ist und ob es - hätte es die Unterrichtung enthalten - die Abbuchung der Beträge von dem Konto des Klägers am 9. November noch hätte verhindern können.

Abgesehen davon könnte, selbst wenn man eine derartige Unterrichtung aus vorvertraglichen Pflichten für geboten hielte, in dem Unterlassen einer entsprechenden Anweisung an die Bediensteten der T.-GmbH unter den gegebenen Umständen kein sittenwidriges Verhalten, d.h. ein leichtfertiges und gewissenloses Versäumnis des Beklagten gesehen werden.

III.

Da sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, muß es, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit der Schadensersatzfrage aufgrund beiderseitigen Parteivortrags weiter nachgegangen werden kann.

Ende der Entscheidung

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