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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: VII ZB 15/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 765 a
Pfändet der Gläubiger den dem Schuldner gemäß § 667 BGB zustehenden Auszahlungsanspruch gegen den Drittschuldner wegen der auf ein Konto des Drittschuldners eingehenden, dem Schuldner zustehenden Sozialleistungen, kann der Schuldner unter den Voraussetzungen des § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZB 15/07

vom 4. Juli 2007

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Prof. Dr. Kniffka und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 18. Januar 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Höhe von 238,32 €.

Wegen dieser Forderung erwirkte die Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über Ansprüche des Schuldners gemäß § 667 BGB auf Auszahlung aller dem Drittschuldner zugegangenen und künftig zugehenden Geldleistungen, die ein Dritter erbringt, der zu dem Drittschuldner nicht in einem Rechts- oder Leistungsverhältnis steht, und die dem Schuldner als Leistungsempfänger zustehen. Auf Weisung des Schuldners, der kein eigenes Bankkonto unterhält, werden die ihm gegenüber der Agentur für Arbeit zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 680,08 € auf ein Konto des Drittschuldners überwiesen.

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat auf den Antrag des Schuldners nach § 765 a ZPO den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss abgeändert und angeordnet, dass Zahlungen der Agentur für Arbeit an den Drittschuldner in Höhe eines Betrages von monatlich 680,08 € nicht der Pfändung unterliegen. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin durch Beschluss des Einzelrichters am 11. Januar 2006 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Senat hat auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin diesen Beschluss im Hinblick auf die in fehlerhafter Besetzung getroffene Zulassungsentscheidung aufgehoben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Das Landgericht hat nach Übertragung der Sache auf die Kammer die sofortige Beschwerde der Gläubigerin durch Beschluss vom 18. Januar 2007 erneut zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners erreichen.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, dem Schuldner sei hinsichtlich der Pfändung des gegen den Drittschuldner bestehenden Auszahlungsanspruchs zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte gemäß § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz im Umfang von 680,08 € monatlich zu gewähren. Die dem Schuldner in dieser Höhe gewährten Sozialleistungen entsprächen dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 850 f Abs. 1 a) ZPO. Der Schuldner habe durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, allein der Umstand, dass er aufgrund vorausgegangener Pfändungen sein Bankkonto verloren habe, sei der Grund dafür, dass die laufenden Sozialleistungen auf ein Konto des Drittschuldners überwiesen würden. Bei der gemäß § 765 a ZPO vorzunehmenden Abwägung sei deshalb vorrangig darauf abzustellen, aus welchem Rechtsgrund dem Schuldner der Betrag ursprünglich zugestanden habe.

2. Die Rechtsbeschwerde hält eine Vollstreckungsschutzanordnung nach § 765 a ZPO für unzulässig. Der Umfang des vom Schuldner zu beanspruchenden Pfändungsschutzes sei in den § 55 SGB I und § 851 k ZPO abschließend geregelt.

3. Die Erwägungen des Beschwerdegerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Pfändet der Gläubiger den dem Schuldner gemäß § 667 BGB zustehenden Auszahlungsanspruch gegen den Drittschuldner wegen der auf ein Konto des Drittschuldners eingehenden, dem Schuldner zustehenden Sozialleistungen, kann der Schuldner unter den Voraussetzungen des § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen.

a) § 765 a ZPO gilt grundsätzlich neben den übrigen vollstreckungsrechtlichen Schutzvorschriften (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdn. 1281; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765 a Rdn. 38; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 765 a Rdn. 6; OLG Nürnberg, Rpfleger 2001, 361; LG Mönchengladbach, Rpfleger 2005, 614; LG Essen, Rpfleger 2002, 162; LG Berlin, Rpfleger 1992, 128, 129; a.A. MünchKommZPO-Heßler, 2. Aufl., § 765 a Rdn. 13 m.w.N.). Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass bei der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall auch die in den gesetzlichen Pfändungsschutzbestimmungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen zu berücksichtigen sind.

b) Die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO kommt allerdings nur in Betracht, wenn andere Schutzvorschriften erschöpft sind oder nicht zur Anwendung kommen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 765 a Rdn. 13; Schuschke/Walker, aaO; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2002, 1664). Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Schuldner Pfändungsschutz hinsichtlich des gepfändeten Auszahlungsanspruchs weder nach § 55 Abs. 1, 4 SGB I beanspruchen noch durch einen auf § 850 k ZPO gestützten Antrag erlangen kann.

Nach § 55 Abs. 1, 4 SGB I sind Forderungen aus einer Gutschrift einer auf ein Konto des Berechtigten überwiesenen Sozialleistung nach Ablauf von sieben Tagen insoweit nicht der Pfändung unterworfen, als ihr Betrag dem unpfändbaren Teil der Leistungen für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Pfändungsschutz nach § 55 SGB I besteht dagegen nicht für Forderungen aus der Gutschrift auf dem Konto eines Dritten, den der Berechtigte als Zahlungsempfänger der Geldleistung angegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 98/87, NJW 1988, 709, 710).

Eine Aufhebung der Pfändung im Umfang des gemäß § 55 Abs. 4 SGB I unpfändbaren Betrags laufender künftiger Sozialleistungen kommt in entsprechender Anwendung des § 850 k ZPO hinsichtlich solcher Leistungen in Betracht, die auf ein bei einem Geldinstitut unterhaltenes Konto des Schuldners überwiesen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - VII ZB 56/06, NJW 2007, 604). § 850 k ZPO ist dagegen nicht entsprechend anwendbar, wenn die laufenden Sozialleistungen auf Weisung des Schuldners auf ein Konto eines Dritten überwiesen werden und der Gläubiger den Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen den Dritten pfändet (vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850 k Rdn. 5; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 850 k Rdn. 3; LG Berlin, Rpfleger 1992, 128, 129).

c) Ermessensfehlerfrei nimmt das Beschwerdegericht an, dass dem Schuldner nach den gegebenen Umständen zur Vermeidung einer unangemessenen Härte im Sinne des § 765 a ZPO ein für seinen notwendigen Lebensunterhalt erforderlicher Betrag in Höhe von 680,08 € monatlich zu belassen ist.

Der Schuldner hat mit der Anweisung an den Sozialversicherungsträger, die ihm zustehenden Sozialleistungen an den Drittschuldner auszuzahlen, keine Verfügung zugunsten eines Dritten getroffen. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts dient das Konto des Drittschuldners dazu, dem Schuldner, der selbst keine Kontoverbindung besitzt, eine banktechnische Abwicklung der Leistungsbeziehung mit dem Sozialversicherungsträger zu ermöglichen.

Die Gläubigerin wird dadurch, dass der Auszahlungsanspruch gegen den Dritten in Höhe des für den notwendigen Lebensbedarf des Schuldners erforderlichen Betrags von der Pfändung ausgenommen wird, nicht unangemessen benachteiligt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist davon auszugehen, dass der Schuldner für die dem Auszahlungsanspruch zugrunde liegenden Leistungen der Agentur für Arbeit in voller Höhe Pfändungsschutz beanspruchen könnte. Durch die Anwendung des § 765 a ZPO wird daher hier einer unzumutbaren Härte entgegengewirkt, die daraus resultiert, dass der Schuldner, der auf die betreffenden Beträge existentiell angewiesen ist, über kein eigenes Bankkonto verfügt.



Ende der Entscheidung

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