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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: VII ZB 31/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1629 Abs. 3
ZPO § 850 k
ZPO § 851
Macht ein Elternteil gemäß § 1629 Abs. 3 BGB Unterhaltsansprüche des Kindes geltend und zahlt der Unterhaltsschuldner auf ein Konto dieses Elternteils, so kann der Unterhaltsschuldner nicht als Vollstreckungsgläubiger wegen anderer Forderungen gegen den Kontoinhaber auf diesen Zahlungsbetrag vollstreckungsrechtlich Zugriff nehmen.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 31/05

vom 29. März 2006

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 6. Dezember 2004 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 27. September 2004 wird zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Wert: 3.850 € (Wert der zu vollstreckenden Forderung)

Gründe:

I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Vor dem Familiengericht schlossen sie einen Vergleich, nach dem sich der Gläubiger unter anderem verpflichtete, für die drei Kinder einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt 863 € an die Schuldnerin zu zahlen. Die Schuldnerin verpflichtete sich in dem Vergleich, für die von ihr und den Kindern genutzte Wohnung des Gläubigers an diesen eine Nutzungsentschädigung in Höhe von monatlich 550 € zu zahlen.

Wegen rückständiger Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.850 € erließ das Amtsgericht auf Antrag des Gläubigers am 19. Mai 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin, ein Geldinstitut, gepfändet wurden. Wegen rückständigen Kindesunterhalts für den Zeitraum von November 2002 bis März 2004 zahlte der Gläubiger auf das Konto der Schuldnerin bei der Drittschuldnerin mit Wertstellung zum 2. Juli 2004 einen Betrag von 4.531,17 €. Die Schuldnerin hat daraufhin beantragt, von der Pfändung des Gläubigers in ihr Konto bei der Drittschuldnerin diese Zahlung des Gläubigers freizustellen. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag der Schuldnerin zurückgewiesen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und Wiederherstellung des Beschlusses des Amtsgerichts.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht ist der Ansicht, dass die Schuldnerin keinen Anspruch auf die beantragte "Freistellung" habe. Der Pfändungsschutz für den rückständigen Unterhalt nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO sei durch Überweisung auf das Konto der Schuldnerin untergegangen. Auch ein Pfändungsschutz nach § 850 k ZPO bestehe nicht. Die Vorschrift gelte nur für wiederkehrende Einkünfte der in §§ 850-850 b ZPO bezeichneten Art, nicht jedoch für einmalige Leistungen, auch wenn für sie vorher ein Pfändungsschutz in Betracht gekommen sei. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen der allgemeinen Schutzvorschrift des § 765 a ZPO nicht vor.

2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Dem Gläubiger ist der vollstreckungsrechtliche Zugriff auf die Kontoforderung der Schuldnerin in Höhe von 4.531,17 € verwehrt.

a) Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Landgerichts, daß der Schuldnerin kein auf §§ 850 b Abs. 1 Nr. 2, 850 k Abs. 1 ZPO gegründeter Anspruch auf Aufhebung der Pfändung zusteht. Diese Vorschriften schützen unmittelbar nur den Unterhalt des Schuldners selbst als des Empfängers ihm zustehender Renten und rentenähnlicher Bezüge gegenüber einem Vollstreckungszugriff (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90, 95; Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 98/87, NJW 1988,709). Hier stand die Unterhaltsforderung, auf die Zahlung auf das Konto der Schuldnerin erfolgte, jedoch den Kindern der Parteien zu und sollte deren Unterhalt sichern, nicht denjenigen der Schuldnerin.

b) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Versagung eines auf § 765 a ZPO gestützten Vollstreckungsschutzes. Die Schuldnerin vermag keine ihre eigenen Unterhaltsinteressen beeinträchtigende Härte geltend zu machen, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre. § 765 a ZPO schützt aber nur Belange des Schuldners (vgl. Walker in Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 765 a Rdn. 10; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 765 a Rdn. 11; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765 a Rdn. 9).

c) Die hier in Rede stehende Kontoforderung ist jedoch, soweit sie die Zahlung auf den Kindesunterhalt betrifft, entsprechend § 851 Abs. 1 ZPO i. V. mit § 399 BGB als unpfändbar zu erachten; diese Unpfändbarkeit kann im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden.

aa) Der Gläubiger hat die streitgegenständliche Zahlung auf die im gerichtlichen Vergleich der Parteien niedergelegten Unterhaltsansprüche der Kinder erbracht.

Die Schuldnerin hatte insoweit die Unterhaltsansprüche, gestützt auf die ihr in § 1629 Abs. 3 BGB gewährte Ermächtigung, im eigenen Namen geltend gemacht. Die auf dieser Grundlage auf ihr Bankkonto erfolgte Zahlung - auch wenn sie Unterhaltsrückstände betrifft - unterliegt einer besonderen, treuhandähnlichen Zweckbindung, die sich am Auszahlungsanspruch gegenüber dem Kreditinstitut fortsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 94/90, aaO).

bb) Eine derartige Zweckbindung einer Forderung, die treuhänderischen Charakter hat, kann im Hinblick auf §§ 399 BGB, 851 Abs. 1 ZPO zur Unpfändbarkeit dieser Forderung führen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 270/98, NJW 2000,1270 m.w.N.). Von einer solchen Rechtsfolge ist bei der hier zu beurteilenden Sachgestaltung auszugehen. Die in Ausübung des § 1629 Abs. 3 BGB erlangte Zahlung darf auch als Bestandteil der Kontoforderung der Schuldnerin nur der Zweckbestimmung des Kindesunterhalts dienen.

cc) Die Nichtbeachtung dieser Unpfändbarkeit, die aus der dargestellten Zweckbindung folgt, kann die Schuldnerin unter den hier gegebenen Umständen im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren geltend machen und im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Prüfung stellen. Es kann dahinstehen, ob die Schuldnerin in Ausübung der Ermächtigung des § 1629 Abs. 3 BGB oder als Vertreterin im Namen der Kinder nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auch deren Widerspruchsrechte aus § 771 ZPO geltend machen könnte, die aus einer treuhänderisch gesicherten materiellen Position dieser Kinder resultieren könnten. Die Schuldnerin kann jedenfalls auf diesen Weg nicht verwiesen werden, wenn - wie es hier der Fall ist - die Unpfändbarkeit gegenüber dem Gläubiger eingewandt wird, der selbst die Zahlung zu bewirken hatte, die der Erfüllung der gemäß § 1629 Abs. 3 BGB verfolgten Unterhaltsforderung diente, und sie auf das Konto der Schuldnerin geleistet hat. In diesem Fall ist es vielmehr gerechtfertigt, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850 k ZPO die Freistellung des Guthabens zur Sicherung des Unterhaltsinteresses der Kinder von der Pfändung auszusprechen.

Ende der Entscheidung

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