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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: VII ZB 31/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 180 Satz 1
ZPO § 189
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 31/07

vom 11. Oktober 2007

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 14. Februar 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 2.956,33 €

Gründe:

I.

Der Beklagte wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht seine Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat.

Der erstinstanzlich anwaltlich nicht vertretene Beklagte ist vom Amtsgericht zur Zahlung von 2.956,33 € für Installationsarbeiten des Klägers verurteilt worden. Am 5. Dezember 2006 hat die mit der Zustellung des Urteils beauftragte Postbedienstete versucht, das Urteil dem Beklagten an dessen Wohnanschrift in W., unter der er verklagt worden war, zu übergeben; sie hat es, weil die Übergabe nicht möglich war, in den zu dieser Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt.

Der Beklagte hat am 8. Januar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Nachdem das Landgericht darauf hingewiesen hatte, dass der Beklagte die Berufungsfrist versäumt habe, hat dieser die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei im Oktober 2006 aus der Wohnung in W. aus- und in eine Wohnung in B. eingezogen. Ein Freund, den er mit der Nachsendung seiner Post beauftragt habe, habe ihm das Urteil übersandt und mitgeteilt, es sei am 6. Dezember 2006 zugestellt worden. Der von ihm am 15. Dezember 2006 beauftragte Rechtsanwalt habe eine Büroangestellte angewiesen, durch einen Anruf bei der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts abzuklären, ob die Zustellung des Urteils tatsächlich am 6. Dezember 2006 erfolgt sei. Die Büroangestellte habe diese Anweisung nicht ausgeführt, sondern die Berufungsfrist nach dem von dem Beklagten angegebenen Zustelldatum berechnet.

Das Landgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe die Berufungsfrist aufgrund eines Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten versäumt. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht durfte die Berufung des Beklagten nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die Berufungsfrist sei am 5. Januar 2007 abgelaufen.

a) Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen klären müssen, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, dass er vor dem 5. Dezember 2006 seine Wohnung in W. aufgegeben habe und nach B. umgezogen sei. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass der Zustellungsempfänger die Wohnung, in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich innehat, also dort seinen Lebensmittelpunkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1987 - VI ZR 268/86, NJW 1988, 713; Urteil vom 14. September 2004 - XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415). Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, konnte ihm daher das Urteil des Amtsgerichts nicht am 5. Dezember 2006 durch Einlegen in den Briefkasten der Wohnung in W. gemäß § 180 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustellungsmangel vor dem 6. Dezember 2006 gemäß § 189 ZPO geheilt worden ist, bestehen nicht.

b) Der Senat, der die Zulässigkeit der Berufung selbst von Amts wegen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüfen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92, NJW-RR 1992, 1338, 1339), sieht hier davon ab, zu klären, zu welchem Zeitpunkt die Zustellungswirkungen eingetreten sind. Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Beklagten nicht im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Zustellung geprüft. Auch hat es bisher dem Kläger nicht Gelegenheit gegeben, zu diesem Vortrag Stellung zu nehmen. Daher erscheint es angebracht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird von Amts wegen zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814), ob der Beklagte am 5. Dezember 2006 noch die Wohnung in W. innehatte und gegebenenfalls auch wann ihm das Urteil des Amtsgerichts tatsächlich zugegangen ist (vgl. § 189 ZPO). Dabei ist das Gericht nicht von einem Beweisantritt der Parteien abhängig und nicht auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457).

3. a) Aus diesen Überlegungen zur Zulässigkeit der Berufung folgt, dass das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag derzeit nicht zurückweisen durfte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Versäumung der Berufungsfrist ist bei verständiger Würdigung nur für den Fall gestellt, dass der Beklagte die Berufungsfrist versäumt haben sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457, 1458). Über den Wiedereinsetzungsantrag ist daher erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung gewahrt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460).

b) Für den Fall, dass das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangt, die Berufungseinlegung sei verspätet erfolgt, weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte nach seinem Vortrag die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt hätte. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten nahe gelegen hätte, eine schriftliche Auskunft über den Zustellungszeitpunkt einzuholen. Jedenfalls hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass er die Ausführung seiner Anweisung anhand eines schriftlichen Erledigungsvermerkes hätte kontrollieren können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 57/07, Tz. 7, bei juris veröffentlicht).

Ende der Entscheidung

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