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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: VII ZR 101/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 717 Abs. 2
Vollstreckt der Gläubiger aus einem erstinstanzlichen Urteil, das fehlerhaft ein Leistungsverweigerungsrecht nicht berücksichtigt, steht dem Schuldner ein Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO in Höhe des Betrages zu, in dem ihm im zweiten Rechtszug das Leistungsverweigerungsrecht zuerkannt wird.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL

VII ZR 101/05

Verkündet am: 8. März 2007

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 15. März 2005 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die über 12.301,96 € hinausgehende Widerklage abgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn für den Umbau eines Schulgebäudes in ein Wohn- und Geschäftshaus. Der Beklagte macht zahlreiche Mängel geltend. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 32.247,03 € verurteilt sowie zur Zahlung weiterer 12.640,02 € Zug um Zug gegen Beseitigung bestimmter Mängel.

Nach Darstellung des Beklagten hat die Klägerin die 32.247,03 € zuzüglich verschiedener weiterer Schadenspositionen wie Zinsen und Kosten im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben. Der Beklagte möchte diese Beträge zurück haben; er hat im Berufungsverfahren Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Klägerin zur Zahlung von 49.430,94 € zu verurteilen.

Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Landgerichts nur zum Teil bestätigt und den Beklagten zur Zahlung von 12.301,96 € verurteilt sowie zur Zahlung weiterer 33.843,05 € Zug um Zug gegen Beseitigung zweier Mängel; die Widerklage hat es abgewiesen.

Der Senat hat die Revision des Beklagten zugelassen, soweit die Widerklage abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist in Höhe von 12.301,96 € nicht begründet; im Übrigen hat sie Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hält die Widerklage insgesamt für unbegründet, weil über § 717 Abs. 2 ZPO die Wiederherstellung der Zurückbehaltungslage aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, aus dem bereits vollstreckt worden sei, nicht verlangt werden könne.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Nur im Ergebnis ist die Abweisung der Widerklage in Höhe von 12.301,96 € zutreffend. In diesem Umfang ist der Beklagte rechtskräftig zur unbedingten Zahlung verurteilt worden. Dann ist gegen die Zwangsvollstreckung in dieser Höhe nichts einzuwenden und der Beklagte kann diesen Teilbetrag und die auf ihn entfallenden weiteren Schadenspositionen wie etwa Zinsen und Kosten nicht zurückverlangen. Hinsichtlich der weiteren Schadenspositionen kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil bisher nicht feststeht, um welche Schäden und Beträge es im Einzelnen geht.

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht, die über 12.301,96 € hinausgehende Widerklage abzuweisen.

a) Die vom Landgericht neben der Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochene unbedingte Verurteilung des Beklagten ist vom Berufungsgericht nur zum Teil bestätigt worden. Dadurch hat sich die auf die unbedingte Verurteilung durch das Landgericht gestützte Zwangsvollstreckung zunächst in Höhe von 32.247,03 € abzüglich 12.301,96 €, mithin 19.945,07 € als ungerechtfertigt erwiesen. Diesen Betrag kann der Beklagte grundsätzlich zurückverlangen, § 717 Abs. 2 ZPO. Das Gleiche gilt für die mit diesem Teilbetrag zusammenhängenden weiteren Schadenspositionen wie etwa Zinsen und Kosten, die bisher im Einzelnen nicht festgestellt sind.

b) Zu Unrecht stützt das Berufungsgericht seine entgegen gesetzte Entscheidung auf die Auffassung, über § 717 Abs. 2 ZPO könne die Wiederherstellung einer Zurückbehaltungslage nicht verlangt werden. Darum geht es hier nicht. Im Mittelpunkt des Begehrens des Beklagten steht nicht der Versuch, eine Zurückbehaltungslage wieder herzustellen, um im Rahmen der vom Berufungsgericht nunmehr ausgesprochenen Zug-um-Zug-Verurteilung ein verloren gegangenes Druckmittel vorübergehend wieder zu erlangen. Der Beklagte verlangt vielmehr diejenigen Teilbeträge zurück, welche er wegen der Zwangsvollstreckung aus der zu weit reichenden und dadurch teilweise fehlerhaften unbedingten Verurteilung durch das Landgericht an die Klägerin gezahlt hat. Die Wiederherstellung der Zurückbehaltungslage ist dann nur mittelbare Folge dieser dem Beklagten zustehenden Korrektur einer Zwangsvollstreckung, die sich als unberechtigt erwiesen hat.

Dadurch unterscheidet sich der Fall von den höchstrichterlich entschiedenen Fällen, auf welche das Berufungsgericht sich durch seinen Hinweis auf eine Kommentierung (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rdn. 19 zu § 273, insoweit übereinstimmend mit aaO 66. Aufl.) bezieht.

Das Reichsgericht hatte die Frage zu entscheiden, ob ein Kläger Rückübertragung des Besitzes an einem Grundstück verlangen kann, der ihm durch den Widerkläger aufgrund einer Zwangsvollstreckung entzogen wurde, die auf einem zutreffenden, vom Berufungsgericht bestätigten landgerichtlichen Urteil beruhte. Ziel des dortigen Klägers war es, auf diese Weise ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen auf das Grundstück zu erhalten, die er erstmals im Berufungsverfahren geltend gemacht hatte (RG, Urteil vom 1. November 1924, V 322/23, RGZ 109, 104). Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob dem vom Landgericht zutreffend zum Anschluss von Windkraftanlagen verurteilten Netzbetreiber, der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Windkraftanlagen während des Berufungsverfahrens angeschlossen hat, ein Zurückbehaltungsrecht wegen der für die Herstellung des Anschlusses entstandenen Kosten zustehe (BGH, Urteil vom 11. Juni 2003 - VIII ZR 160/02, BGHZ 155, 141, 165). In beiden Fällen ging es gerade nicht um eine auf einen erstinstanzlichen Titel beruhende Zwangsvollstreckung, die sich im Berufungsverfahren als unberechtigt herausgestellt hat und über § 717 Abs. 2 ZPO zu korrigieren war, sondern um ein erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht, zu dessen Verwirklichung der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO nicht herangezogen werden kann. Aus diesen Fallgestaltungen ergibt sich nichts darüber, was nach einer im Ergebnis nicht gerechtfertigten Vollstreckung aufgrund eines im weiteren Verlauf des Verfahrens abgeänderten Titels verlangt werden kann.

Eben diesen Fall betrifft § 717 Abs. 2 ZPO. Der Zweck dieser Bestimmung ist, nach Aufhebung des Urteils, welches die Vollstreckung ermöglicht hat, die durch die Vollstreckung bewirkte Vermögensverschiebung so schnell wie möglich rückgängig zu machen (BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - IX ZR 122/96, BGHZ 136, 199). Entsprechendes gilt, wenn der Vollstreckungstitel nur teilweise aufgehoben wird, wie es mit der unbedingten Verurteilung durch das Landgericht im Berufungsurteil geschehen ist.

c) Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob und in welchem Umfang der Beklagte die über 12.301,96 € hinaus beigetriebenen Beträge zurückverlangen kann.

Zum einen ist offen, welche Schäden über die beigetriebenen 32.247,03 € hinaus im Einzelnen geltend gemacht werden und welche dieser Schadenspositionen zu Recht verlangt werden. Zum anderen ist der Beklagte neben der unbedingten Verurteilung auch verurteilt worden, weitere 33.843,05 € Zug um Zug gegen Beseitigung zweier Mängel zu zahlen. Wenn und soweit die Klägerin diese beiden Mängel inzwischen behoben und der Beklagte die nach dieser Mangelbeseitigung fällige weitere Zahlung noch nicht geleistet hat, würde die Rückforderung der zuviel beigetriebenen Beträge eine unzulässige Rechtsausübung bedeuten. Denn dann hätte der Beklagte die eben gewonnenen Beträge umgehend an die Klägerin wieder zurückzureichen.

Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.



Ende der Entscheidung

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