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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: VII ZR 103/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 263
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Der Streitgegenstand einer Werklohnklage ändert sich nicht dadurch, daß eine neue Schlußrechnung vorgelegt wird.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 103/01

Verkündet am: 4. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Wiebel, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt nach der Kündigung zweier Pauschalpreisverträge, denen die VOB/B zugrunde lag, noch offenen Werklohn für die von ihr erbrachten Leistungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin auf der Basis neuer Schlußrechnungen ihre Forderungen mit 607.858,67 DM bzw. 566.715,63 DM beziffert. Die Berufung ist erfolglos geblieben.

Die Klägerin hat Revision bezüglich beider Beklagten eingelegt und diejenige gegen den Beklagten zu 1 zurückgenommen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagte) verfolgt sie ihre Ansprüche weiter. Es geht in der Revision nur um die Frage, ob die Klägerin prüfbar abgerechnet hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin erstellten neuen Schlußrechnungen für nicht prüfbar. Es sei davon auszugehen, daß die Klägerin die Pauschalpreise nur "im Kopf kalkuliert" habe. Sie hätte daher eine retrospektive Kalkulation offenlegen müssen. Sie habe aber nur die jeweiligen Gesamtpauschalen in Teilpauschalen hinsichtlich der einzelnen Gewerke aufgeschlüsselt, ohne diese weiter zu begründen und insoweit die tatsächlichen Gegebenheiten bei Vertragsschluß darzulegen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Die in der mündlichen Verhandlung erhobene Gegenrüge der Revisionserwiderung, die Klägerin habe sich nicht gegen die Beschwer durch das klageabweisende Urteil des Landgerichts gewandt, weil sie ihren Anspruch in der Berufung auf neue Schlussrechnungen gestützt und damit einen neuen Streitgegenstand eingeführt habe, ist unbegründet. Die Klägerin verfolgt in beiden Instanzen ihren Werklohnanspruch aus dem Bauvertrag. Dadurch wird der Streitgegenstand bestimmt. Dieser ändert sich entgegen der vom OLG Naumburg (NJW-RR 2000, 391, 392) vertretenen Auffassung nicht dadurch, dass neue Schlussrechnungen vorgelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 - VII ZR 57/00, BauR 2001, 124, 125 = ZfBR 2001, 34 = NZBau 2001, 146).

III.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht stellt unzutreffende Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Schlußrechnung.

1. Nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen zur Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages hat der Auftragnehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen ist nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Der Auftragnehmer muß deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Soweit zur Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluß nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muß der Auftragnehmer im nachhinein im einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind. Eine ausreichend aufgegliederte, gewerkebezogene Aufstellung kann genügen. Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muß den Auftraggeber in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH, Urteile vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 99/99, BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102, 103 = NZBau 2001, 85; vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182, 1186 = ZfBR 2000, 472, 475 = NZBau 2000, 375, 377 und vom 11. Februar 1999 - VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 633 = ZfBR 1999, 194, 195).

2. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die erbrachten Leistungen und ihre Bewertung prüfbar dargelegt.

Die Klägerin hat bezüglich beider Bauvorhaben den Pauschalpreis nachträglich in 23 Einzelgewerke zerlegt und diese wiederum mit Pauschalen bewertet, deren Summe den Pauschalpreis ergibt. Sie hat sodann - nach ihrem Vortrag anhand der von ihr bzw. ihren Subunternehmern nach der Kündigung gefertigten Aufmaße - die Kosten errechnet, die bei vollständiger Fertigstellung der einzelnen Gewerke entstanden wären und diejenigen, die tatsächlich entstanden sind. Das prozentuale Verhältnis dieser beiden Werte hat sie auf die Pauschalen für die Einzelgewerke übertragen und auf diese Weise für jedes Gewerk den Teil des kalkulierten Preises bestimmt, der dem Anteil der tatsächlich erbrachten Leistung entsprach. Sie hat die Aufmaße vorgelegt, die angesetzten Einheitspreise genannt und ihre Aufstellungen schriftsätzlich erläutert.

Damit wurde die Beklagte in die Lage versetzt, die einzelnen Positionen und deren kalkulatorischen Wahrheitsgehalt z.B. durch Preisvergleiche zu überprüfen. Ob die von der Klägerin zugrunde gelegten Aufmaße zutreffen und den Bautenstand zum Zeitpunkt der Kündigung wiedergeben, ist eine Frage der Richtigkeit der Schlußrechnungen und nicht der Prüfbarkeit. Diese wird auch nicht durch kleinere Rechenfehler beeinträchtigt.

Das Berufungsgericht beanstandet zu Unrecht als nicht nachvollziehbar, daß bei dem Bauvorhaben Ö. Koordinierungskosten in Höhe von 75.100 DM und ein Betrag von 60.000 DM für Wagnis und Gewinn angesetzt sind, während bei dem Bauvorhaben D. Koordinierungskosten fehlen und hinsichtlich Wagnis und Gewinn ein Abzug von 8.047,93 DM erfolgt ist. Es übersieht, daß bei dem Bauvorhaben D. kein Raum für einen positiven Ansatz ist, weil die von der Klägerin ermittelten tatsächlichen Gesamtkosten laut Aufmaß die kalkulierten Gesamtkosten übersteigen, sich somit für die Klägerin ein Verlust errechnet.



Ende der Entscheidung

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