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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: VII ZR 107/03
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 Bf
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 Cf

Entscheidung wurde am 19.07.2004 korrigiert: im Leitsatz muß es unter 1.7.4 statt Einbaudecke richtig Einbaudicke und unter II. 1.7.4 muß es ebenso statt Einbaudecke richtig Einbaudicke heißen
Die folgenden Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers benachteiligen den Klauselgegner unangemessen und sind daher wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam:

"ZTV-Asphalt-StB 94

1.7.3

Werden bei der Abnahme Über- bzw. Unterschreitungen der in den Abschnitten 2-9 sowie in 1.4 und 1.5 angegebenen Grenzwerte festgestellt, so gilt jede unzulässige Unter- oder Überschreitung als jeweils ein Mangel. Darüber hinaus können auch andere Mängel vorliegen, die hier nicht behandelt werden.

1.7.4

Abgesehen von seinen Rechten aus den §§ 12 und 13 VOB/B kann der Auftraggeber bei Nichteinhaltung der Grenzwerte für

- das Einbaugewicht,

- die Einbaudecke,

- den Bindemittelgehalt,

- den Verdichtungsgrad und

- die Ebenheit

Abzüge gemäß Anhang 1 vornehmen. Die Gewährleistungsverpflichtungen des Auftragnehmers bleiben dabei unberührt. Für Mängel aus sonstigen Gründen werden in dieser Vorschrift keine Angaben für Abzüge gemacht.

Der Auftragnehmer hat jedoch Anspruch auf Rückzahlung des aufgrund eines Mangels abgezogenen Betrages, wenn er diesen Mangel aufgrund seiner Gewährleistungsverpflichtung beseitigt."


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 107/03

Verkündet am: 29. April 2004

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 6. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten restlichen Werklohn in Höhe eines Betrages von 34.952,25 € (= 68.360,66 DM), den die Beklagte unter Hinweis auf eine Bestimmung in den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Fahrbahndecken aus Asphalt (ZTV-Asphalt-StB 94: zukünftig ZTV-Asphalt) mit der Begründung angeblicher Unterschreitung von Grenzwerten von der Schlußrechnung einbehalten hat.

II.

Im Mai 1995 beauftragte die Beklagte die Klägerinnen mit der Verbreiterung einer Richtungsfahrbahn der Bundesautobahn A 2. Die Vertragsparteien vereinbarten u.a. die Geltung der ZTV-Asphalt.

Nach der Abnahme der Arbeiten durch die Beklagte erteilten die Klägerinnen ihre Schlußrechnung. Die Beklagte zog u.a. einen Betrag in Höhe der Klageforderung mit der Begründung ab, die Asphaltschichten seien mangelhaft. Die Klägerinnen erklärten gegen den Abzug fristgerecht einen Vorbehalt.

Die Beklagte meint, sie sei aufgrund der Nrn. 1.7.3 und 1.7.4 ZTV-Asphalt berechtigt, den Abzug vorzunehmen.

Die genannten beiden Klauseln lauten wie folgt:

"1.7.3

Werden bei der Abnahme Über- bzw. Unterschreitungen der in den Abschnitten 2-9 sowie in 1.4 und 1.5 angegebenen Grenzwerte festgestellt, so gilt jede unzulässige Unter- oder Überschreitung als jeweils ein Mangel. Darüber hinaus können auch andere Mängel vorliegen, die hier nicht behandelt werden.

1.7.4

Abgesehen von seinen Rechten aus den §§ 12 und 13 VOB/B kann der Auftraggeber bei Nichteinhaltung der Grenzwerte für

- das Einbaugewicht,

- die Einbaudicke,

- den Bindemittelgehalt,

- den Verdichtungsgrad und

- die Ebenheit

Abzüge gemäß Anhang 1 vornehmen. Die Gewährleistungsverpflichtungen des Auftragnehmers bleiben dabei unberührt. Für Mängel aus sonstigen Gründen werden in dieser Vorschrift keine Angaben für Abzüge gemacht.

Der Auftragnehmer hat jedoch Anspruch auf Rückzahlung des aufgrund eines Mangels abgezogenen Betrages, wenn er diesen Mangel aufgrund seiner Gewährleistungsverpflichtung beseitigt."

III.

1. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei aufgrund der vereinbarten ZTV-Asphalt berechtigt, den Abzug vorzunehmen.

2. Die Berufung der Klägerinnen hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei nicht berechtigt, den Betrag abzuziehen, weil die Regelung der Nr. 1.7.4 ZTV-Asphalt einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Sache sei von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Wirksamkeit der Klausel, die von der öffentlichen Hand im Straßenbau regelmäßig verwendet werde, für eine Vielzahl von Verträgen von Bedeutung sei.

Mit der Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts an.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht standhält.

2. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Klausel 1.7.4 ZTV-Asphalt mit folgenden Erwägungen als unwirksam erachtet:

a) Die Klausel, die als Allgemeine Geschäftsbedingung von der Beklagten gestellt worden sei, unterliege gemäß § 24 AGBG einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG.

b) Einer Inhaltskontrolle halte die Klausel nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Leitbildes des werkvertraglichen Gewährleistungsrechtes abweiche. Sie diene dazu, dem Auftraggeber die Durchsetzung von Mängelansprüchen dadurch zu erleichtern, daß er ohne Rücksicht auf das Nachbesserungsrecht des Auftragnehmers berechtigt sei, einen Abzug von der Vergütung vorzunehmen. Dieses Recht habe zur Folge, daß dem Auftragnehmer das ihm vorrangig zustehende Nachbesserungsrecht ersatzlos abgeschnitten werde. Das Nachbesserungsrecht des Auftragnehmers sei im Hinblick auf seine Hauptpflicht, das Werk mangelfrei zu erstellen, eine zentrale Regelung des Werkvertragsrechts. Infolgedessen müsse dem Auftragnehmer die Möglichkeit der Nachbesserung offen bleiben, bevor dem Auftraggeber sekundäre Gewährleistungsansprüche, beispielsweise auf Schadensersatz und Minderung, zustehen könnten.

2. Diese Erwägungen halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Begründung des Berufungsgerichts ist insoweit nicht tragfähig, als das Berufungsgericht unterstellt, daß dem Auftragnehmer durch die genannte Klausel das Nachbesserungsrecht in jedem Fall abgeschnitten wird. Die Klausel 1.7.4 sieht vor, daß der Auftragnehmer den aufgrund eines Mangels einbehaltenen Betrag verlangen kann, wenn er den Mangel beseitigt.

b) Die Klausel 1.7.4 hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie trotz des eingeräumten Rechts, den Einbehalt durch eine Nachbesserung abzulösen, den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Sie weicht im Zusammenhang mit der Klausel 1.7.3 in mehrfacher Hinsicht von dem gesetzlichen Leitbild des werkvertraglichen Gewährleistungsrechtes ab. Eine isolierte Inhaltskontrolle der Klausel 1.7.4 ist nicht möglich, weil die Klausel 1.7.3 regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Grenzwert im Sinne der Klausel 1.7.4 ein Mangel ist, der den Auftraggeber zu einem Abzug berechtigt.

(1) Die Klausel 1.7.3 bestimmt, daß jede unzulässige Über- oder Unterschreitung der vereinbarten Grenzwerte ein Mangel ist. Durch diese Regelung wird die Haftung des Unternehmers für jede Über- oder Unterschreitung begründet, unabhängig davon, ob eine zugesicherte Eigenschaft vereinbart ist oder ein Fehler vorliegt, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert. Die Regelung des 1.7.3 enthält keine Vereinbarung einer zugesicherten Eigenschaft. Durch die Klausel wird der Auftragnehmer jedoch haftungsrechtlich stets so gestellt, als habe er die vereinbarten Grenzwerte als zugesicherte Eigenschaft vereinbart.

(2) Die Klausel 1.7.4 räumt dem Auftraggeber ohne weitere Voraussetzung das Recht ein, Abzüge nach Maßgabe Anhang 1 zu den ZTV-Asphalt vorzunehmen, wenn ein Grenzwert nicht eingehalten worden ist.

Diese Regel greift in mehrfacher Hinsicht zu Lasten des Auftragnehmers in das gesetzliche Leitbild des werkvertraglichen Gewährleistungsrechtes ein.

(a) Die Klausel räumt dem Auftraggeber das Recht, einen Abzug vorzunehmen, auch in den Fällen ein, in denen der Auftragnehmer nicht haftet, weil eine Abweichung vorliegt, die nicht die Voraussetzungen eines Fehlers erfüllt.

(b) In den Fällen, in denen dem Auftragnehmer eine Nachbesserung noch möglich und er zur Nachbesserung berechtigt ist, kann der Auftraggeber den Abzug vornehmen, bevor er den Auftragnehmer zur Nachbesserung aufgefordert hat. Dem Auftraggeber steht neben dem Abzug das Recht zu, mindestens den dreifachen Betrag der Mängelbeseitigungskosten einzubehalten. Da der Auftraggeber sich in der Klausel 1.7.4 die Rechte aus den §§ 12 und 13 VOB/B uneingeschränkt vorbehalten hat und die Gewährleistungsverpflichtungen des Auftragnehmers durch den Abzug unberührt bleiben sollen, kann der Auftraggeber über den Abzug hinaus Kostenvorschuß, Drittnachbesserungskosten, Minderung und Schadensersatz verlangen. Die Klausel sieht nicht vor, daß der Abzug berücksichtigt wird.

(c) In den Fällen, in denen der Auftraggeber die Nachbesserung vertragswidrig vereitelt, weil er ohne Aufforderung zur Mängelbeseitigung eine Drittnachbesserung hat vornehmen lassen, ist der Auftraggeber gemäß der Klausel 1.7.4 berechtigt, die Vergütung des Auftragnehmers um den Abzug zu kürzen, obwohl ihm unter den genannten Voraussetzungen eine Geldforderung hinsichtlich des Mangels nicht zusteht. Hat der Auftraggeber sein Recht auf Nachbesserung verloren, kann der Auftragnehmer die Rückzahlung des Abzugs nur verlangen, wenn er den Mangel beseitigt, obwohl er dazu nicht mehr verpflichtet ist.

Ende der Entscheidung

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