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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: VII ZR 119/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313 Satz 1
BGB § 313 Satz 1

Vereinbaren die Vertragsparteien eines notariell beurkundeten Erwerbervertrages im Hinblick auf einen unvorhersehbaren Umstand nachträglich eine Frist für den Baubeginn und ein Rücktrittsrecht des Erwerbers für den Fall des verspäteten Baubeginns, um die zeitgerechte Bauausführung und die fristgerechte Fertigstellung zu regeln, unterliegt diese Vereinbarung nicht der Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB.

BGH, Urteil vom 5. April 2001 - VII ZR 119/99 - OLG Dresden LG Dresden


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 119/99

Verkündet am: 5. April 2001

Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kniffka und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 17. März 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Die Kläger verlangen von dem Beklagten die erste Rate aus einem Erwerbervertrag über eine Eigentumswohnung. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte den Vertrag zu Recht gekündigt hat.

II.

Im Dezember 1996 schlossen die Parteien einen Erwerbervertrag über eine noch zu sanierende Eigentumswohnung in einer Eigentumswohnungsanlage. Die Vereinbarungen über die Fälligkeit der einzelnen Abschlagszahlungen entspricht dem § 3 Abs. 2 der MaBV. Die Fälligkeit der einzelnen Abschlagsforderungen sollte unter Vorlage einer Bestätigung des bauleitenden Architekten über den Bautenstand eintreten.

Der Baubeginn wurde im Vertrag im Unterschied zur Fertigstellung nicht geregelt:

"Die bezugsfertige Erstellung des Vertragsgegenstandes soll bis zum 31. März 1998 erfolgen. Die Fertigstellung der Außenanlagen ist bis zum 30. Juni 1998 vorgesehen."

Den Klägern wurde die Baugenehmigung im November 1996 und der Baufreigabeschein im Dezember 1996 erteilt. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Ehefrau des Beklagten schwanger geworden war, schlossen die Parteien am 5. Juli 1997 schriftlich die folgende Vereinbarung:

"Hiermit wird vereinbart, daß Herrn Dr. Sch. bis zum 16. Juli 1997 verbindlich der Baubeginn für das Objekt "P. - straße 5" mitgeteilt wird. Falls dies von der GbR nicht erreicht wird, kann Herr Dr. Sch. die Rückabwicklung des Kaufvertrages ohne Einwendungen der GbR einleiten, d.h. der Vertrag wird im beiderseitigen Einvernehmen gelöst und rückabgewickelt ...".

Mit Schreiben vom 15. Juli 1997 sagten die Kläger dem Beklagten den Baubeginn zum 1. September 1997 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tage forderten sie den Beklagten auf, die erste Rate zu zahlen.

Mit Schreiben vom 10. August 1997 erklärte der Beklagte den Klägern, er bitte um die am 5. Juli 1997 vereinbarte Rückabwicklung des Vertrages, weil die Bank der Kläger ihm mitgeteilt habe, daß die Zwischenfinanzierung nicht gesichert und damit der Baubeginn zu dem angegebenen Termin nicht möglich sei.

Die Kläger teilten dem Beklagten mit Schreiben vom 15. August 1997 mit, daß ihr Schreiben vom 15. Juli 1997 nach wie vor gültig sei und der Bau am 1. September 1997 begonnen werde. Der Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 1. September 1997 den Rücktritt vom Vertrag.

Nachdem Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien gescheitert waren, erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 15. Mai 1998 erneut den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Kläger hilfsweise auf, das Objekt bis zum 27. Mai 1998 bezugsfertig zu erstellen. Das Objekt wurde zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt.

Die als Voraussetzung für die Fälligkeit vereinbarte Bescheinigung des Architekten über den Bautenstand für die erste Abschlagsforderung legten die Kläger erst während des Prozesses am 28. Mai 1998 vor.

III.

Das Landgericht, das nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Bau nicht am 1. September 1997 begonnen worden ist, hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision des Beklagten ist begründet, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

II.

Das Berufungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Rücktrittserklärung des Beklagten sei schon deshalb unwirksam, weil die nachträgliche Vereinbarung vom 5. Juli 1997 formunwirksam sei (III.). In einer Hilfsbegründung erachtet das Berufungsgericht den Rücktritt als unwirksam, weil die sachlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten (IV.).

III.

1. Das Berufungsgericht hat die Formunwirksamkeit der nachträglichen Vereinbarung vom 5. Juli 1997 mit folgenden Erwägungen begründet:

Die Vereinbarung sei formunwirksam, weil sie eine erhebliche Änderung des ursprünglichen Vertrages zu Lasten der Kläger enthalte. Da der Schutzzweck des § 313 Satz 1 BGB darin bestehe, die Parteien von unüberlegten Eingriffen zu schützen, hätte die Vertragsänderung einer Beurkundung bedurft. § 313 Satz 1 BGB sei bereits dann anwendbar, wenn lediglich eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers im Grundbuch eingetragen sei. Diese Voraussetzung sei gegeben, beim Abschluß der Vereinbarung vom 5. Juli 1997 sei zugunsten des Beklagten bereits eine Auflassungsvormerkung eingetragen gewesen.

2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die nachträgliche Vereinbarung der Parteien ist nicht formunwirksam.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nachträgliche Vereinbarungen der Parteien eines Grundstücksveräußerungsvertrages gemäß § 313 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn eine bereits formgültig begründete Verpflichtung in rechtlich erheblicher Weise verändert wird. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt dann in Betracht, wenn durch eine nachträgliche Vereinbarung nur unvorhergesehen aufgetretene Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung beseitigt werden sollen und wenn die zu diesem Zweck getroffene Vereinbarung die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag nicht wesentlich verändern (BGH, Beschluß vom 9. November 1995 - V ZR 36/95, NJW 1996, 452 = ZIP 1996, 79; Urteil vom 2. Oktober 1987 - VII ZR 42/86, NJW-RR 1988, 185 = WM 1987, 1467; Urteil vom 6. Juni 1986 - V ZR 264/84, NJW 1986, 351; Urteil vom 6. November 1981 - V ZR 138/80, NJW 1982, 434 = WM 1982, 157).

b) Nach diesen Grundsätzen war die nachträgliche Vereinbarung der Parteien vom 5. Juli 1997 nicht beurkundungsbedürftig:

(1.) Die nachträgliche Vereinbarung diente dazu, die Vertragsabwicklung im Hinblick auf das nach Vertragsabschluß entstandene besondere Interesse des Beklagten in einer frühzeitigen oder zumindest fristgerechten Fertigstellung der Wohnung einvernehmlich zu regeln, um Streitigkeiten über die zeitgerechte Bauausführung während des Bauablaufs nach dem vereinbarten Beginn zu vermeiden.

(2.) Durch die Vereinbarung sind die gegenseitigen Pflichten aus dem Erwerbervertrag nicht wesentlich verändert worden. Die Vereinbarung berührt nicht unmittelbar die jeweiligen durch den notariell beurkundeten Vertrag wirksam begründeten Hauptpflichten, sondern lediglich die Abwicklung des Vertrages für den Fall, daß die Kläger mit dem Bau nicht fristgerecht beginnen würden. Die Vereinbarung einer Vertragsfrist für den Beginn des Baus und eines Kündigungsrechts des Beklagten bei nicht fristgerechtem Baubeginn konkretisiert lediglich die mit dem notariell beurkundeten Vertrag begründeten Rechte des Erwerbers.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Auftraggeber eines Werkvertrages vor Ablauf der vereinbarten Herstellungsfrist vom Vertrag zurücktreten, wenn vor der Fertigstellung absehbar ist, daß der Termin vom Auftraggeber nicht eingehalten werden kann (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BGHZ 144, 242 = BauR 2000, 1182 = ZfBR 2000, 472; Urteil vom 5. Mai 1992 - X ZR 115/90, NJW-RR 1992, 1141; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, Teil 6 Rdn. 292). Mit der nachträglichen Vereinbarung haben die Vertragsparteien als Voraussetzung eines derartigen Rücktrittsrechts den nicht fristgerechten Baubeginn einvernehmlich festgelegt.

Danach war es nicht für die Wirksamkeit des Vertrages vom 5. Juli 1997 erforderlich, daß er entsprechend § 313 Satz 1 BGB notariell beurkundet wurde.

IV.

1. Das Berufungsgericht hat die Rücktrittserklärung des Beklagten mit folgenden Erwägungen als unwirksam erachtet:

a) Der Beklagte habe mit seiner Erklärung vom 10. August 1997, er trete vom Vertrag zurück, seine eigenen Vertragspflichten verletzt und dadurch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB verwirkt, so daß die Vorleistungspflicht der Kläger entfallen sei. Durch sein Schreiben vom 10. August 1997 habe sich der Beklagte unberechtigt vom Vertrag gelöst und diese Erklärung am 1. September 1997 wiederholt. Auch während der Vergleichsverhandlungen im Oktober 1997 habe der Beklagte erklärt, seiner Meinung nach sei der Vertrag aufgelöst. Aufgrund seiner Vertragsuntreue könne er den Klägern nicht entgegenhalten, sie hätten sich nicht vertragsgerecht verhalten. Der Beklagte hätte vielmehr auf das Antwortschreiben der Kläger vom 15. August 1997 seine Leistungsbereitschaft erklären müssen. Statt dessen habe der Beklagte seinen Rücktritt am 1. September 1997 wiederholt. Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt werde, daß ihm in der Vereinbarung vom 5. Juli 1997 ein Rücktrittsrecht für den Fall des verspäteten Baubeginns eingeräumt worden sei, hätte er am 1. September 1997 trotz Versäumnisse der Kläger nicht zurücktreten dürfen, weil er sich vertragsuntreu verhalten habe. Aus diesem Grund sei eine Beweisaufnahme zu dem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht in der Vereinbarung vom 5. Juli 1997 nicht erforderlich, weil die Frage nicht entscheidungserheblich sei.

b) Die fehlende Vertragstreue des Beklagten verhindere, daß seine weiteren Rücktrittserklärungen wirksam seien. Von den Klägern sei nicht zu erwarten gewesen, daß sie ohne die Zahlung der Raten die Sanierung des Objektes durchgeführt hätten. Selbst wenn die Kläger sich im Verzug befunden hätten, hätten dem Beklagten aufgrund seiner fehlenden Bereitschaft zur Gegenleistung die gesetzlichen Rücktrittsrechte nicht zugestanden.

2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) In der Revision ist zugunsten des Beklagten zu unterstellen, daß die Vereinbarung vom 5. Juli 1997 den von ihm behaupteten Inhalt hatte, er habe den Vertrag kündigen dürfen, wenn die Kläger nicht am 1. September 1997 mit den Arbeiten begonnen hätten.

b) Unter dieser Voraussetzung war der Beklagte am 10. August 1997 noch nicht berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten. Ob sein Schreiben bereits eine Kündigungserklärung enthält, ist angesichts des Wortlauts des Schreibens zweifelhaft. Die Kläger haben ausweislich ihres Antwortschreibens vom 15. August 1997 das Schreiben des Beklagten selbst nicht als eine Kündigung verstanden. Sie haben sich nicht gegen eine etwaige Kündigung verwahrt, sondern lediglich ihre Angabe zum Beginn des Baues wiederholt.

Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Erklärung des Beklagten aus der Sicht der Kläger als Kündigung zu verstehen war. Die Reaktion der Kläger auf die Erklärung des Beklagten ist ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, daß sie die Erklärung des Beklagten lediglich als Ankündigung einer Kündigung verstanden haben. Sollte der Beklagte am 10. August 1997 eine unbedingte Kündigung erklärt haben, wäre sie unberechtigt.

c) Die für die weitere revisionsrechtliche Betrachtung unterstellte unberechtigte Kündigungserklärung des Beklagten vom 10. August 1997 führt nicht ohne weiteres dazu, daß die Kläger wegen Vertragsuntreue des Beklagten von ihrer Vorleistungspflicht entbunden worden sind. Eine derartige Rechtsfolge ließe sich nur mit dem Grundsatz von Treu und Glauben begründen.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Grundsatz von Treu und Glauben sind deshalb rechtsfehlerhaft, weil es nicht alle relevanten Umstände berücksichtigt hat.

Im Hinblick auf den im Schreiben vom 10. August 1997 mitgeteilten Sachverhalt, wonach die Finanzierung der Bauarbeiten der Klägerin nicht gesichert sei, war der Beklagte berechtigt gewesen, eine Kündigung für den Fall anzukündigen, daß die Kläger nicht am 1. September 1997 mit dem Bau beginnen werden. Darüber hinaus haben die Kläger sich selbst vertragswidrig verhalten. Sie haben bereits mit Schreiben vom 15. Juli 1997 den Beklagten aufgefordert, die erste Rate zu zahlen mit der wahrheitswidrigen Behauptung, der Bautenstand der ersten Rate sei erreicht. Außerdem haben die Kläger gegen ihre vertragliche Kooperationsverpflichtung verstoßen. Sie sind nicht auf den Hinweis des Beklagten eingegangen, der Beginn des Baus sei deshalb gefährdet, weil die Zwischenfinanzierung nach Auskunft der Bank nicht gesichert sei.

Selbst wenn die Kläger aufgrund der vorzeitigen und deshalb unwirksamen Kündigung des Beklagten berechtigt gewesen wären, den Baubeginn von einer Vertragstreueerklärung des Beklagten abhängig zu machen, hätten die Kläger aufgrund ihres Schreibens vom 15. August 1997 diese Erklärung nicht mehr erwarten können. Sie haben nach dem Schreiben vom 10. August 1997 ohne Vorbehalt den Baubeginn am 1. September 1997 angekündigt, obwohl nach Auskunft der Bank die Zwischenfinanzierung und damit der Baubeginn zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleistet war.

d) Da der Bau am 1. September 1997 nach dem Sachvortrag des Beklagten, der in der Revision als richtig zu unterstellen ist, nicht begonnen worden war, war der Beklagte mit dem von ihm behaupteten und in der Revision zu unterstellenden Inhalt der Vereinbarung vom 15. Juli 1997 berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.

Ende der Entscheidung

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