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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: VII ZR 122/01
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 181
HGB § 15 Abs. 1
Die fehlende Eintragung der Befreiung eines Vertreters von den Beschränkungen des § 181 BGB kommt einem Vertragspartner nicht zugute, dem es nicht möglich gewesen wäre, sein Handeln bei Kenntnis der nicht eingetragenen Tatsache anders einzurichten.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 122/01

Verkündet am: 9. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Februar 2001 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin klagt auf Restwerklohn aus abgetretenem Recht. Die Parteien streiten darum, ob die Verjährung der im Jahre 1997 fällig gewordenen Forderung durch die von der Klägerin erhobene Klage unterbrochen worden ist.

Die Beklagte beauftragte die S. KG (im folgenden: Auftragnehmerin) mit Beton- und Maurerarbeiten für die Erweiterung einer Kläranlage. Diese führte die Arbeiten aus und rechnete ab. Die Beklagte zahlte den geforderten Restwerklohn nicht. Die Auftragnehmerin trat ihre Forderung am 1. Oktober 1997 zunächst an die geschäftsführende Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der Klägerin, Frau I., ab. Die Gesellschafter der Klägerin befreiten diese mit Beschluß vom 19. Januar 1998 von den Beschränkungen des § 181 BGB; eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte nicht. Frau I. erklärte am 10. Juli 1998, daß sie die Forderung an die Klägerin abtrete; sie nahm die Abtretung zugleich in deren Namen an.

Das Landgericht hat die am 9. Dezember 1998 zugestellte Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Forderung in vollem Umfang weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hält den Anspruch für verjährt. Die Klage habe die Verjährungsfrist nicht unterbrochen, weil sie nicht von der Berechtigten (§ 209 Abs. 1 BGB) erhoben worden sei. Im Berufungsverfahren sei durch Vorlage der entsprechenden Urkunden belegt worden, daß die Auftragnehmerin ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten habe und die Abtretung vom 10. Juli 1998, bei der die Willenserklärungen beider Seiten von Frau I. abgegeben worden seien, wegen deren Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB durch den Gesellschafterbeschluß vom 19. Januar 1998 wirksam gewesen sei. Die Klägerin sei mithin nach der materiellen Rechtslage vor Verjährungseintritt Inhaberin der Klageforderung geworden.

Die Klägerin könne der Beklagten die Befreiung der Geschäftsführerin ihrer Komplementär-GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB aber wegen der fehlenden Eintragung nach § 15 Abs. 1 HGB nicht entgegenhalten. Für die Anwendung dieser Vorschrift sei es nicht erforderlich, daß die Beklagte das Handelsregister eingesehen habe oder der Eintragungsstand für ihr Handeln oder Unterlassen kausal gewesen sei. Geschützt sei das Vertrauen auf die Richtigkeit der in Form des Handelsregisters geschaffenen öffentlichen Informationsgrundlage über die Verhältnisse einer Handelsfirma. Es handele sich um einen typisierten Vertrauensschutz, bei dem Kenntnisnahme vom Registerinhalt und Kausalität unwiderleglich vermutet würden, soweit lediglich die Möglichkeit eines Handelns im Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage bestanden habe. Die Beklagte hätte den Vertrauensschutz des § 15 Abs. 1 HGB zum einen benötigt, wenn sie trotz Kenntnis der Abtretung vom 10. Juli 1998 im Vertrauen auf den Registerinhalt und das Verbot des Selbstkontrahierens an den bisherigen Forderungsinhaber gezahlt hätte. Zum anderen hätte sie aufgrund des Registerinhalts in Verbindung mit dem Verbot des Selbstkontrahierens seit Ablauf des Jahres 1999 davon ausgehen können, daß die Klage nicht vom Berechtigten erhoben worden sei und sie daher wegen Verjährungseintritts über die Mittel für die Begleichung der Forderung anderweitig verfügen könne. Die Abtretung sei schwebend unwirksam gewesen; eine vor Ablauf der Verjährung erfolgte Genehmigung der Abtretung sei nicht vorgetragen. Eine spätere Genehmigung könne nicht zur Verjährungsunterbrechung führen.

II.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Klage hat die Verjährung rechtzeitig unterbrochen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Wirksamkeit der Annahme der Abtretung durch Frau I. als Vertreterin der Klägerin eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB voraussetzte oder ob ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft vorlag, welches eine solche Befreiung nicht erforderte. Die Befreiung ist vor der Annahme der Abtretung erteilt worden; die fehlende Eintragung in das Handelsregister kann die Beklagte der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 1 HGB entgegenhalten.

1. Die Berufung auf den durch § 15 Abs. 1 HGB gewährleisteten Vertrauensschutz setzt nicht voraus, daß derjenige, der sich auf das Handelsregister beruft, es tatsächlich eingesehen hat (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1975 - II ZR 62/75, BGHZ 65, 309, 311).

2. Der Schutz des § 15 Abs. 1 HGB greift nur ein, wenn die Möglichkeit bestand, daß der Dritte sein Handeln auf die Registereintragung einrichtete. Die Anwendung der Vorschrift ist auf Fälle beschränkt, in denen die Kenntnis der einzutragenden Tatsachen für das Verhalten des Dritten und seine durch dieses Verhalten beeinflußten Rechte oder Verbindlichkeiten von Bedeutung sein kann. Der Dritte muß sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den unrichtigen Eintragungsstand wenigstens verlassen haben können (MünchKommHGB/ Lieb, § 15 Rn. 32; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 15 Rn. 9).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat sich nicht in einem rechtsgeschäftlichen Verhalten auf die fehlende Eintragung einrichten können. Die Erwägung des Berufungsgerichts zu einer möglichen Zahlung ist nicht von Bedeutung, weil der Schutz des § 15 Abs. 1 HGB erst eingreifen könnte, wenn eine Zahlung erfolgt wäre. Ein mögliches Vertrauen der Beklagten darauf, wegen Verjährung der Forderung über ihre finanziellen Mittel anders disponieren zu können, wird durch § 15 Abs. 1 HGB nicht geschützt.

III.

Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die nach dessen Rechtsstandpunkt nicht erforderlichen Feststellungen zu Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu ermöglichen.



Ende der Entscheidung

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