Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: VII ZR 134/08
Rechtsgebiete: HOAI


Vorschriften:

HOAI § 15 Abs. 2
Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind nicht auf einen Architekten anwendbar, der lediglich mit den Aufgaben der Grundlagenermittlung bis zur Vorbereitung der Vergabe (Leistungsphasen 1 bis 6 des § 15 Abs. 2 HOAI) beauftragt worden ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. Januar 1996 - VII ZR 85/95, BauR 1996, 418 = ZfBR 1996, 155).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,

den Richter Dr. Kuffer,

den Richter Bauner,

die Richterin Safari Chabestari und

den Richter Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. April 2008 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 25. Mai 2007 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der beklagte Architekt wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz. Im Revisionsverfahren geht es darum, ob er sich auf die Einrede der Verjährung berufen kann.

Der Beklagte wurde von den Klägern im Jahre 1992 mit den Grundleistungen der Phasen 1 bis 6 des § 15 Abs. 2 HOAI für die Errichtung des Hauses der Kläger beauftragt. Das Grundstück befindet sich 100 Meter von der Elbe entfernt. Die Planung des Beklagten sah keine Abdichtung gegen drückendes Grundwasser vor.

Nach Abnahme des Hauses im Januar 1994 trat erstmals im April des Jahres 1994 Wasser in den Keller ein. Die Kläger wandten sich deswegen an die bauausführende Firma, die selbst nichts unternahm, jedoch den Beklagten über den Wassereintritt und ihre Auffassung informierte, es liege kein Ausführungsfehler vor. Der Beklagte blieb untätig.

Nach einem neuen Wassereintritt im Jahre 2002 beauftragten die Kläger einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Ursachen und der Prüfung, welcher Aufwand zur Beseitigung der Mängel erforderlich sei. Der Sachverständige stellte fest, dass eine fehlende Abdichtung gegen drückendes Grundwasser schadensursächlich war.

Die Kläger verlangen vom Beklagten 45.583,46 EUR für die Schadensbeseitigung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.

Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Ihn treffe eine Sekundärhaftung, die zum Ausschluss der Verjährungseinrede führe. Aufgrund seiner Sachwalterhaftung sei er mit dieser Einrede ausgeschlossen. Dem Beklagten habe die objektive Untersuchung des in unverjährter Zeit aufgetretenen Mangels und die Information der Bauherren über das Ergebnis der Untersuchung oblegen.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht versagt dem Beklagten zu Unrecht in Anwendung der Grundsätze der sogenannten Sekundärhaftung des Architekten die Einrede der Verjährung.

Nach der Rechtsprechung des Senats obliegt dem umfassend beauftragten Architekten im Rahmen seiner Betreuungsaufgabe nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern, sondern auch und zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet - nicht anders als eine falsche Beratung - einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt (BGH, Urteil vom 16. März 1978 - VII ZR 145/76, BGHZ 71, 144, 148; Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108 = ZfBR 2002, 61 = NZBau 2002, 42).

Anknüpfungspunkt für die Sekundärhaftung des Architekten ist der übernommene Aufgabenkreis. Eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler muss sich aus den übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben. Derartige Betreuungspflichten folgen für den umfassend beauftragten Architekten daraus, dass er die Objektüberwachung und die Objektbetreuung übernommen hat. Er ist verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und dem Besteller auch nach Fertigstellung des Bauwerks bei der Untersuchung und Behebung des Baumangels zur Seite zu stehen. Mit der umfassenden Beauftragung eines Architekten räumt der Besteller diesem eine zentrale Stellung bei der Planung und Durchführung des Bauwerks ein. Er ist der primäre Ansprechpartner des Bestellers, wenn es zu Problemen bei der Bauabwicklung kommt. Dies setzt sich auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens fort. Deshalb ist der Architekt auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens Sachwalter des Bestellers, der ihm bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten behilflich sein muss (BGH, Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, aaO m.w.N.).

Ist ein Architekt mit den Aufgaben der Grundlagenermittlung bis zur Vorbereitung der Vergabe betraut, hat er zwar einen erheblichen Teil der Planungsaufgaben übernommen. Seine Aufgaben gehen auch über die reine Planung hinaus, weil er grundsätzlich die Leistungen anderer Planer integrieren und die Leistungsbeschreibungen der an der Planung fachlich Beteiligten abstimmen und koordinieren muss. Er ist auch derjenige, der - abhängig von dem Inhalt des Auftrages - gehalten ist, mit den Behörden und anderen an der Planung fachlich Beteiligten die Verhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit zu führen. Das alles belegt, dass die Aufgabe des Architekten für das Gelingen des Bauwerks von hoher Wichtigkeit ist.

Es belegt jedoch entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Weise, Baurechtliche Schriften Bd. 38, S. 35) keine derartige zentrale Stellung bei der Durchführung des gesamten Bauwerks, die es rechtfertigt, die Grundsätze über die Sekundärhaftung anzuwenden. Denn mit der Errichtung des Bauwerks ist der lediglich mit den Leistungsphasen 1 bis 6 des § 15 Abs. 2 HOAI beauftragte Architekt in keiner Weise befasst. Weder wirkt er bei der Vergabe mit, noch obliegen ihm die Aufgaben der Objektüberwachung und Objektbetreuung. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 27. September 2001 (VII ZR 320/00, aaO) herausgestellt, dass die die Sekundärhaftung rechtfertigenden Betreuungspflichten sich insbesondere aus der Objektüberwachung und Objektbetreuung ergeben. #Erst die Realisierung der Planung in der Errichtung des Bauwerks begründet die besondere Vertrauensstellung des Architekten, aus der sich seine Sachwalterhaftung ableitet. Der lediglich planende Architekt steht, soweit es um die Betreuung des Bauvorhabens geht, anderen Fachplanern und auch dem Bauunternehmer gleich. Seine qualifizierte Stellung als Planer allein rechtfertigt es nicht, ihn in dem Sinne als Sachwalter des Bauherrn anzusehen, dass er verpflichtet wäre, unabhängig von seinen Aufgaben im Rahmen der Mängelhaftung, Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass der Anspruch gegen ihn nicht verjährt.

Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des Senats vom 11. Januar 1996 (VII ZR 85/95, BauR 1996, 418 = ZfBR 1996, 155 = NJW 1996, 1278). In diesem Fall hatte der Architekt nicht die volle Objektüberwachung übernommen, sich jedoch verpflichtet, neben der öffentlichrechtlichen Bauleitung die "technische Oberleitung" zu übernehmen und im Rahmen dieses Aufgabenkreises Ratschläge während der Bauausführung zu erteilen. In diesem Zusammenhang hat der Senat entschieden, dass Voraussetzung für die Pflicht des Architekten, über eigene Fehler aufzuklären, nicht eine umfassende Beauftragung aller Leistungsphasen ist. Der Architekt sei im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabenkreises vielmehr gehalten, als Sachwalter tätig zu werden. Damit hat er nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass der Architekt unabhängig von den übernommenen Aufgaben Sachwalter des Auftraggebers im dargestellten Sinne ist. Vielmehr hat er ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der Umfang der Beratungspflicht nach der übernommenen Aufgabe richtet, und insofern im Auge gehabt, dass der Architekt in dem zu entscheidenden, besonders gelagerten Fall - wenn auch nicht umfassend -Betreuungsaufgaben übernommen hatte.

III.

Das Berufungsurteil war danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden.

1.

Nach den getroffenen Feststellungen war der Beklagte mit den Grundleistungen der Phasen 1 bis 6 des §? 15 Abs. 2 HOAI beauftragt. Diese Feststellungen sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung dahin zu verstehen, dass keine weiteren Leistungen der nachfolgenden Phasen beauftragt worden sind. Die Kläger weisen zwar in dem Revisionsverfahren darauf hin, dass nach Ziffer 12 der zusätzlichen Vereinbarung des Architektenvertrages der Beklagte die Baubetreuung mit übernommen hat und im Bedarfsfall zur Verfügung stand. Dieser Vertragsteil ist jedoch nicht Gegenstand des klägerischen Vorbringens gewesen. Diese haben vorgetragen, der Beklagte sei mit den Leistungsphasen 1 bis 6 beauftragt gewesen. Sie haben diesen Vortrag bestätigt, nachdem der Beklagte vorgetragen hat, er sei mit der Objektüberwachung nicht beauftragt gewesen. Auf dieser Grundlage fehlt für die Annahme der Kläger, das Berufungsgericht habe hinsichtlich des Leistungsumfangs keine abschließende Feststellung treffen wollen, sondern offengelassen, ob der Beklagte auch mit der Objektüberwachung beauftragt gewesen sei, jeder Anhaltspunkt.

2.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass das Werk des Beklagten am 2. Juli 1993 abgenommen worden ist und der Schadensersatzanspruch der Kläger wegen der mangelhaften Planungsleistung im Zeitpunkt der Klageerhebung verjährt war. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Die Kläger haben das nicht in Frage gestellt und gehen auch in der Revisionserwiderung noch von dieser Verjährung aus. Auf dieser Grundlage ist die Einrede der Verjährung begründet und die Klage durch den Senat abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück