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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: VII ZR 151/05 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B


Vorschriften:

ZPO § 304 Abs. 1
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 6 Nr. 6
a) Der Erlass eines Grundurteils ist unzulässig, wenn nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, BauR 2005, 1052 = ZfBR 2005, 460 = NZBau 2005, 397).

b) Setzt sich die Klageforderung aus in einer Schlussrechnung zusammengefassten einzelnen Rechnungspositionen zusammen, die auf § 2 Nr. 5 und Nr. 6 sowie § 6 Nr. 6 VOB/B gestützt werden, gehört die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sind, zum Grund des Anspruchs.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 151/05

Verkündet am: 9. November 2006

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten werden das Grundurteil vom 19. Mai 2005 sowie das Ergänzungsurteil vom 14. Juli 2005 des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine aus drei Bauunternehmen bestehende Arbeitsgemeinschaft, begehrt von dem beklagten Land (im Folgenden: der Beklagte) restlichen Werklohn.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Jahr 1994 mit Arbeiten an einem Bauvorhaben. Die VOB/B war vereinbart. Nach Abschluss der Arbeiten erstellte die Klägerin unter dem 3. April 1997 eine Schlussrechnung. Nachdem es in der Folgezeit zwischen den Parteien zu Streit über die Berechtigung der Werklohnforderung gekommen war, erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 15. November 1999, bis zum 31. März 2000 von der Einrede der Verjährung gegenüber der Schlussrechnungsforderung der Klägerin keinen Gebrauch zu machen, in der Folgezeit auch dann nicht, wenn bis zu dem genannten Zeitpunkt Klage erhoben worden sei. Auf Anfrage der Klägerin vom 14. März 2000 erklärte der Beklagte im Schreiben vom 20. März 2000, er sehe für einen weiteren Verzicht auf die Einrede der Verjährung über den 31. März 2000 hinaus keinerlei Anlass. Unter dem 23. März 2000 reichte die Klägerin einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten über einen Betrag von 5.824.481,03 DM beim Amtsgericht ein. Gegen den am 30. März 2000 an den Beklagten zugestellten Mahnbescheid legte dieser unter dem 31. März 2000 Widerspruch ein. Mit am 10. April 2000 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben des Amtsgerichts wurde diese zur Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Die Klägerin zahlte die weiteren Gerichtskosten am 5. April 2002 ein. Am 10. April 2002 wurde der Rechtsstreit von dem Amtsgericht an das Landgericht abgegeben. Mit Schreiben vom 17. April 2002, bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 19. April 2002, wurde die Klägerin zur Begründung des Anspruchs aufgefordert. Am 10. Juni 2003 ging die Anspruchsbegründungsschrift vom 4. Juni 2003 bei Gericht ein.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 3.026.371,48 DM (= 1.547.359,17 €) an sie zu verurteilen. Die Klageforderung setzt sich aus 49 Einzelpositionen der Schlussrechnung vom 3. April 1997 zusammen. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der geltend gemachten Forderung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht in einem Grundurteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und in einem Ergänzungsurteil die landgerichtliche Entscheidung abgeändert. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die beide genannte Urteile erfasst, möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

Der Senat hat nach Anhörung der Parteien das Rubrum dahingehend berichtigt, dass die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehende Arbeitsgemeinschaft Klägerin ist, nicht ihre ursprünglich als Klägerinnen bezeichneten Mitglieder. Eine solche Rubrumsberichtigung ist auch im Fall einer nach der Rechtsprechungsänderung zur Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhobenen Klage zulässig (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. September 2005 - VIII ZR 117/04, NJW-RR 2006, 42).

I.

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne die Einrede der Verjährung nicht erheben, weil er auf diese dauerhaft verzichtet habe. In diesem Sinne sei seine Erklärung in dem Schreiben vom 15. November 1999 zu verstehen.

Es sei durch Grundurteil festzustellen, dass der Klageanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Der Klägerin stehe der Höhe nach ein Anspruch aus dem streitgegenständlichen Bauvorhaben zu. Denn Titel 5 Pos. 2 der Schlussrechnung in Höhe von 978,92 DM sei unstreitig.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Zulassung der Revision ist nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht selbst hat nicht begründet, warum es die Revision zugelassen hat. Zulassungsgründe sind auch nicht ersichtlich, jedoch ist der Senat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO an die Zulassung gebunden.

2. Der Erlass eines Grundurteils ist nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen unzulässig. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, BauR 2005, 1052, 1053 = ZfBR 2005, 460 = NZBau 2005, 397). Diese Voraussetzungen sind bisher nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt.

Ein einheitlicher Anspruchsgrund für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche kann nicht allein darin gesehen werden, dass diese aus demselben Vertragsverhältnis resultieren und die entsprechenden Rechnungsposten innerhalb einer Schlussrechnung zusammengefasst sind.

a) Hinsichtlich eines Gesamtanspruchs, der sich aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt, kann ein Grundurteil ergehen, wenn der geltend gemachte Gesamtanspruch auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht und das Gericht diesen festgestellt hat (BGH, Urteil vom 2. Mai 1961 - VI ZR 153/60, WM 1961, 732, 733).

Ein einheitlicher Grund in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn sich die einzelnen in eine Gesamtforderung eingestellten Rechnungspositionen auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96, BauR 1998, 332 = ZfBR 1998, 144; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1995 - VII ZR 112/95, BauR 1996, 427, 428 = ZfBR 1996, 137).

Eine solche Fallgestaltung folgt nicht schon daraus, daß verschiedene Rechnungspositionen in eine einheitliche Schlussrechnung eines Einheitspreisvertrages eingestellt sind. Zwar sind die für die verschiedenen Leistungen angesetzten Beträge in Bezug auf den Schlussrechnungssaldo lediglich als Rechnungsposten anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 167/97, BauR 1999, 251, 252 = ZfBR 1999, 94 = NJW 1999, 417). Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit eines Grundurteils ist aber auch hier entscheidend, ob die für die Rechtfertigung der geltend gemachten Einzelpositionen bereits dem Grunde nach zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen identisch sind und auf demselben Sachverhalt beruhen. Das kann bei Rechnungspositionen, die auf Nachtragsforderungen, gestützt etwa auf § 2 Nr. 5, Nr. 6 VOB/B, oder auf Behinderungsschaden im Sinne des § 6 Nr. 6 VOB/B gegründet sind, nicht bejaht werden; anderes mag bei einer Forderung nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B gelten, da die dort zusätzlich zu erfüllenden Voraussetzungen nur die Anspruchshöhe betreffen.

b) Die in der Schlussrechnung der Klägerin vom 3. April 1997 zusammengefassten 49 Rechnungspositionen beruhen danach nicht auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund im Sinne der Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Grundurteil.

Nach der Klagebegründung sollen die eingeklagten Rechnungspositionen sich als vertragliche Ansprüche unter anderem auf der Grundlage des § 2 Nr. 5, Nr. 6 sowie des § 6 Nr. 6 VOB/B rechtfertigen. Bei dieser Sachlage darf ein Grundurteil nur erlassen werden, wenn das Gericht für jeden der Einzelposten nach der für diesen festzustellenden Tatsachengrundlage in Anwendung der maßgeblichen Klauseln der VOB/B einen Anspruch dem Grunde nach bejaht und für wahrscheinlich erachtet, dass er in irgendeiner Höhe besteht. Denn nur dann ist für das weitere Verfahren der jeweilige Grund des Anspruchs dem Streit der Parteien abschließend entzogen und kann das Grundurteil seine Funktion sinnvoll erfüllen, eine wesentliche Vorentscheidung des Rechtsstreits zu sichern (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1974 - I ZR 89/72, MDR 1974, 558, 559).

Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht zu allen streitigen Positionen nicht getroffen, diese vielmehr auf einen einzigen unstreitigen Rechnungsposten beschränkt. Das Grundurteil und das Ergänzungsurteil können daher keinen Bestand haben.

III.

Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht auch die Verjährungsfrage einer erneuten Prüfung zu unterziehen haben. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

Der von dem Beklagten erklärte Verjährungsverzicht vermochte, unabhängig von der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung durch das Berufungsgericht, diesen nicht vertraglich zu binden. Denn der Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede war nach § 225 Satz 1 BGB a.F. unwirksam. Ein derartiger Verzicht hatte lediglich zur Folge, daß der Schuldner mit der Erhebung der Einrede gegen Treu und Glauben verstieß, solange er beim Gläubiger den Eindruck erweckte oder aufrecht erhielt, dessen Ansprüche zu befriedigen oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen zu wollen, und solange er den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung einer Klage abhielt (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 375/96, NJW 1998, 902, 903). Fallen diese Voraussetzungen weg, erklärt insbesondere der Schuldner, sich nicht mehr an den erklärten Verzicht halten zu wollen, muss der Gläubiger innerhalb einer angemessenen Frist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen, wobei in der Regel von einer Frist von etwa einem Monat auszugehen ist.

Feststellungen dazu, daß der Beklagte unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mit der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstoßen, insbesondere, ob er für die Zeit nach seinem Schreiben vom 20. März 2000 noch den Eindruck aufrechterhalten hat, sich für unbestimmte Zeit, ohne Rücksicht auf den weiteren Verlauf des eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens, nicht auf einen Verjährungseintritt berufen zu wollen, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dies wird es nachzuholen haben, nachdem es den Parteien Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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