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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: VII ZR 187/08
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO


Vorschriften:

EGZPO § 26
ZPO § 543
Ergibt die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung eines von der Partei nicht begründeten Prozesskostenhilfeantrags für eine Nichtzulassungsbeschwerde, dass der Antragsteller eine gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO zulässige Beschwerde erheben könnte, diese jedoch nur mit einem Wert unterhalb des Beschwerdewerts des § 26 Nr. 8 EGZPO Aussichten auf Erfolg hat, darf Prozesskostenhilfe nicht mit der Erwägung versagt werden, die dann durchgeführte Nichtzulassungsbeschwerde sei unzulässig.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 29. Januar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,

den Richter Dr. Kuffer,

den Richter Bauner,

die Richterin Safari Chabestari und

den Richter Dr. Eick

beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. August 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. S. bewilligt, soweit er den Feststellungsantrag weiter verfolgen will.

Der weitergehende Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (Freistellungsantrag) wird zurückgewiesen, weil die Rechtsverfolgung insoweit keine Aussicht auf Erfolg hat.

Gründe:

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger von Schadensersatzansprüchen der P. GmbH in Höhe von 35.892,73 EUR freizustellen. Seine mit 5.000 EUR bewertete Feststellungsklage bezüglich eines weiteren Freistellungsanspruchs hat es abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Feststellungsklage unzulässig ist. Auf die Berufung der Beklagten hat es den bezifferten Freistellungsantrag unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der bisher nicht begründeten Nichtzulassungsbeschwerde, für die er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Dem Kläger, der die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt, ist diese zu gewähren, soweit er mit der Nichtzulassungsbeschwerde den Feststellungsantrag weiterverfolgen will. Insoweit hat das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg. Soweit der Kläger sich gegen die Abweisung des auf Freistellung von Schadensersatzansprüchen der P. GmbH gerichteten Antrags wenden will, hat die Nichtzulassungsbeschwerde keine Erfolgsaussicht.

1. Der Senat geht davon aus, dass es dem Kläger im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Umfang seiner gesamten Beschwer gelingen würde, eine gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO zulässige Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bieten Möglichkeiten, den Anforderungen des § 543 ZPO genügende Rügen darzulegen. In diesem Fall wäre die für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche Beschwer überschritten (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02, NJW 2002, 2720).

Der Senat sieht jedoch nicht, dass einer der darlegbaren Zulassungsgründe hinsichtlich des Freistellungsanspruchs im Ergebnis zur Zulassung der Revision führen könnte. Letztlich beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der Bewertung eines Einzelfalls. Das Berufungsgericht hat weder Verfahrensgrundrechte des Klägers verletzt noch unzutreffende rechtliche Obersätze aufgestellt. Es ist nicht signifikant von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen; Rechtsgrundsätzliches ist nicht zu klären.

2. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Verfolgung des Feststellungsantrags kann nicht mit der Erwägung versagt werden, die insoweit durchgeführte Nichtzulassungsbeschwerde wäre unzulässig. Das ist nicht der Fall, obwohl mit ihr lediglich die Beseitigung einer Beschwer von 5.000 EUR verfolgt wird, einem Wert unterhalb des zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde an sich erforderlichen Beschwerdewertes von über 20.000 EUR.

a) Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer Gründe für die Zulassung der Revision darlegt, mit welcher ein 20.000 EUR übersteigender Wert der Beschwer geltend gemacht werden soll, § 26 Nr. 8 EGZPO. Ob diese Gründe tatsächlich gegeben sind, ist ohne Belang. Ausreichend ist, dass sie von dem Beschwerdeführer in seiner Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt sind (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02, aaO). Ist eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässig, ein Zulassungsgrund aber nur für einen Teil des Streitstoffes tatsächlich gegeben, ist die Revision hierauf beschränkt zuzulassen, auch wenn der verbleibende Wert der Beschwer unter 20.000 EUR liegt (BGH, Beschluss vom 13. März 2006 - I ZR 105/05, BGHZ 166, 327;Beschluss vom 11. Mai 2006 - VII ZR 131/05, BauR 2006, 1339 = NZBau 2006, 507 = ZfBR 2006, 565).

b) Diese Grundsätze gelten nicht uneingeschränkt, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde von einer Partei erhoben wird, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist.

Aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt, dass Unbemittelten die Rechtsverfolgung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden darf. Der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksam Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Begüteter. Er muss einem solchen Bemittelten gleich gestellt werden, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06, NJW 2009, 209, Tz. 31 zur Veröffentlichung in BVerfGE vorgesehen). Daraus folgt, dass es der unbemittelten Partei grundsätzlich in gleicher Weise möglich sein muss, die Zulassung einer Revision mit einem Wert unterhalb der Schwelle des § 26 Nr. 8 EGZPO zu erreichen, wie einer begüterten Partei.

aa) Dieses Ziel kann allerdings nicht dadurch erreicht werden, dass der unbemittelten Partei Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde auch insoweit zu gewähren ist, als diese keine Erfolgsaussichten hat. Dem steht § 114 ZPO entgegen, wonach Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden kann, soweit die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat. Hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur hinsichtlich eines Teils des Streitstoffs Erfolgsaussichten, der unter der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO liegt, kann deshalb auch nur insoweit Prozesskostenhilfe gewährt werden.

Würde die wegen der Bedürftigkeit der Partei jedoch dann auch nur mit diesem Wert durchgeführte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig angesehen, wäre diese Partei in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt. Anders als der bemittelten Partei würde ihr von vornherein der Weg verschlossen, eine Zulassung der Revision unterhalb des Beschwerdewerts von 20.000 EUR zu erreichen. Sie kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit einem Antrag verfolgen, der den Beschwerdewert erreicht. Denn dafür fehlen ihr die wirtschaftlichen Mittel. Sie ist aber auch nicht gehalten, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die unterhalb des Beschwerdewerts des § 26 Nr. 8 EGZPO liegende Beschwer verfolgt, noch Zulassungsgründe darzulegen, die die weitergehende, den Wert von 20.000 EUR übersteigende Beschwer betreffen. Ein solches Verlangen würde bedeuten, dass der Beschwerdeführer, um formal die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO zu schaffen, Zulassungsgründe darlegen müsste, obwohl er insoweit keinen Antrag stellt und es zudem feststeht, dass letztlich diese Darlegung keine Erfolgsaussicht hat. Ein solches Ansinnen ist für die bedürftige Partei unzumutbar.

bb) Es muss für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde deshalb als ausreichend angesehen werden, dass die unbemittelte Partei in dem Prozesskostenhilfeantrag Zulassungsgründe für einen Streitstoff dargelegt hat, der den Wert von 20.000 EUR überschreitet. Da die unbemittelte Partei den Antrag nicht begründen muss (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2000 - XII ZB 193/00, NJW-RR 2001, 1146;Beschluss vom 18. Oktober 2000 - IV ZB 9/00, NJW-RR 2001, 570), muss es auch ausreichen, dass das Gericht in der dann von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung die Möglichkeit bejaht, eine nach § 26 Nr. 8 EGZPO zulässige Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben.

3. Kommt nach diesen Grundsätzen die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen eingeschränkter Erfolgsaussichten nur hinsichtlich eines den Beschwerdewert des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreichenden Streitstoffs in Betracht, ist zudem zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung mutwillig und deshalb die beantragte Prozesskostenhilfe zu versagen ist. Dies ist der Fall, wenn eine verständige, auf Prozesskostenhilfe nicht angewiesene Partei in zutreffender Einschätzung der eingeschränkten Erfolgsaussichten einer umfassenden Nichtzulassungsbeschwerde wegen der sie infolge der teilweisen Zurückweisung des Rechtsbehelfs treffenden Kostenlast keine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen würde. Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Der Wert der Feststellungsklage übersteigt die Kosten, die infolge einer teilweisen Zurückweisung einer auf den Gesamtwert des Streitstoffs bezogenen Nichtzulassungsbeschwerde entstehen würden, deutlich.



Ende der Entscheidung

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