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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: VII ZR 2/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 4
ZPO § 282 Abs. 1
ZPO § 282 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs

hat am 15. Oktober 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,

den Richter Dr. Kuffer,

den Richter Bauner,

die Richterin Safari Chabestari und

den Richter Dr. Eick

beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Oktober 2008 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Hauptantrag ganz und im Hilfsantrag in Höhe von 27.814,28 EUR zuzüglich Zinsen abgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 463.422,26 EUR

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg.

1.

Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO), dass es dem Kläger nach dem im Termin vom 29. Oktober 2008 erteilten Hinweis keine Gelegenheit gegeben hat, ergänzend vorzutragen.

a)

Das Berufungsgericht hat im Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2008 darauf hingewiesen, dass die für die Entscheidung über den Hauptantrag entscheidungserhebliche Fristsetzung im Schreiben vom 17. Juni 2000 "nicht mit einer hinreichend klaren Ablehnungsandrohung verbunden" gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin um Gelegenheit zu weiterem Vortrag gebeten, weil nicht auszuschließen sei, dass der Kläger noch weitere für seinen Schadensersatzanspruch bedeutsame Unterlagen finden werde. Das Berufungsgericht hat dem Kläger keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben, sondern die Verhandlung geschlossen und das Urteil verkündet. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht insoweit aus, die nicht näher dargelegte Hoffnung des Klägers, noch weitere, womöglich zur Begründung des Schadensersatzanspruchs geeignete Unterlagen beibringen zu können, biete keinen Anlass, ihm Gelegenheit zu weiterem Vortrag einzuräumen.

b)

Diese Verfahrensweise verstößt gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Das Gericht muss - in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht - gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Kann eine sofortige Äußerung nach den konkreten Umständen und den Anforderungen des § 282 Abs. 1 ZPO nicht erwartet Abs. 5 i.V.m. eine Frist bestimmen, innerhalb derer die Partei die Stellungnahme in einem Schriftsatz nachbringen kann. Unterlässt das Gericht die derart gebotenen prozessualen Reaktionen und verkennt es dabei, dass die Partei sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, so verletzt es deren Anspruch aus (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 200/06, BauR 2009, 681 = NZBau 2009, 244 = m.w.N.). werden, darf die mündliche Verhandlung nicht ohne weiteres geschlossen werden. Vielmehr muss das Gericht die mündliche Verhandlung dann vertagen, ins schriftliche Verfahren übergehen, soweit dies im Einzelfall sachgerecht erscheint, oder - auf Antrag der betreffenden Partei - gemäß § 139 § 296 a ZPO Art. 103 Abs. 1 GG ZfBR 2009, 349

Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, denn es durfte aufgrund der nachvollziehbaren Erklärung des Klägers nicht davon ausgehen, dass dieser sich bereits in der mündlichen Verhandlung vollständig hat erklären können. Wird eine Partei in der mündlichen Verhandlung von einem Hinweis des Gerichts überrascht, so muss sie regelmäßig nicht begründen, warum sie die Erwartung hat, Unterlagen finden zu können, die die Auffassung des Gerichts widerlegen könnten. Der vom Berufungsgericht angenommene Begründungszwang würde eine Partei in der mündlichen Verhandlung regelmäßig überfordern.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung liegt kein Fall vor, in dem der Hinweis des Berufungsgerichts entbehrlich gewesen wäre, weil der Kläger durch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht hätte überrascht werden können. Die Beschwerdeerwiderung meint zwar, der Beklagte sei bereits schriftsätzlich der Auffassung des Klägers entgegengetreten, dessen Schreiben vom 17. Juni 2000 enthalte eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Das kann der Senat anhand der Akte jedoch nicht nachvollziehen. Die Beschwerdeerwiderung hat auch keinen Beleg für ihre Auffassung angegeben. Das Landgericht hat sich mit dieser Frage nicht beschäftigt, sondern allein im Zusammenhang mit der Prüfung der Abnahme darauf abgestellt, dass in einem Schreiben vom 17. Juli 2000 (richtig wohl 17. Juni 2000) der Kläger noch die Mängelbeseitigung gefordert habe.

c)

Auf dem Verfahrensverstoß kann die Abweisung des Hauptantrags durch das Berufungsgericht beruhen. Nach dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte der Kläger, wenn ihm Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag gegeben worden wäre, vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass dem Beklagten bereits bei Zugang der Abmahnung vom 17. Juni 2000 bekannt gewesen sei, dass der Kläger Rückabwicklung des gesamten Vertrages angestrebt habe und es mehrfach Kontakte des Zeugen L. mit dem Beklagten gegeben habe, in denen mündlich zur Fertigstellung der Schadensbeseitigung aufgefordert und für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht der Rücktritt vom Vertrag insgesamt angedroht worden sei. Diesen Vortrag als richtig unterstellt, liegt eine wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vor, nachdem im Schreiben vom 17. Juni 2000 ohnehin eine Mängelbeseitigung nach Fristablauf abgelehnt und die Ersatzvornahme angekündigt worden war. Die nach Auffassung des Berufungsgerichts durch das Schreiben geschaffene Unklarheit kann sich nur auf den Zusatz beziehen, wonach auch die Kündigung des in dem Kaufvertrag enthaltenen Bauvertrags angekündigt wurde. War durch vorherige Stellungnahmen klar, dass der gesamte Bauträgervertrag rückabgewickelt werden sollte, so wäre diese Unklarheit beseitigt.

Das Berufungsgericht erhält zudem Gelegenheit, seine Auffassung zu überdenken, die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei nicht entbehrlich gewesen. Das gesamte vorprozessuale und prozessuale Verhalten des Beklagten legt die Annahme nahe, dass der Beklagte nicht bereit war, die zahlreichen Mängel zu beseitigen. Einzelne Mängelbeseitigungsmaßnahmen, die später durchgeführt worden sind, stehen dieser Annahme nicht zwingend entgegen.

2.

Sollte der Hauptantrag erneut keinen Erfolg haben, weist der Senat für die Entscheidung über den Hilfsantrag darauf hin, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung, ob der Zeuge B. gehört wird, das Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung zu berücksichtigen hat. Danach wäre der Beweisantrag nicht aus Nachlässigkeit erst in der Berufungsinstanz gestellt worden.

Ende der Entscheidung

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