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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.09.1999
Aktenzeichen: VII ZR 206/98
Rechtsgebiete: BGB, HOAI


Vorschriften:

BGB § 649 Satz 2
HOAI § 8
BGB § 649 Satz 2; HOAI § 8

Rechnet der Architekt nach Kündigung des Vertrages gemäß § 649 Satz 2 BGB ab, genügt seine Schlußrechnung den Anforderungen an die Prüfbarkeit, wenn sie bei den als erspart anzurechnenden Aufwendungen im Sinne des § 649 Satz 2 BGB die Personalkosten nach Stundenzahl und Stundenkosten ausweist. Eine weitere Zuordnung nach Leistungsphasen ist grundsätzlich nicht erforderlich.

BGH, Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98 - OLG Naumburg LG Halle


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 206/98

Verkündet am: 30. September 1999

Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 5. Mai 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Die Kläger verlangen Architektenhonorar in Höhe von 305.646,82 DM für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen nach einem von ihnen gekündigten Vertrag.

II.

Die Beklagten schlossen mit den Klägern im Januar 1992 einen Architektenvertrag über die Phasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses. Zusätzlich wurden die Kläger mit der technischen Ausrüstung sowie Schallschutz und Raumakustik beauftragt. Zwischen den Parteien ist streitig, welche Leistungen erbracht worden sind und ob die erbrachten Leistungen mangelfrei sind. Das Bauvorhaben wurde nicht ausgeführt. Im Jahre 1995 kündigten die Kläger den Vertrag, nachdem die Beklagten sich geweigert hatten, eine Abschlagsrechnung zu bezahlen und eine gesetzte Frist zur Wiederaufnahme der Arbeit hatten verstreichen lassen.

Die Kläger verlangen Bezahlung der nach ihrem Vortrag vollständig erbrachten Leistungen der Phasen 1 und 2 des § 15 Abs. 2 HOAI. Für die weiteren Phasen bringen sie pauschal 40 % für ersparte Aufwendungen in Abzug. Diese Pauschale sei durch Bezugnahme auf die allgemeinen Vertragsbedingungen zum Einheitsarchitektenvertrag vereinbart worden. Die tatsächliche Ersparnis, zu der sie ergänzend vortragen, sei geringer.

III.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger war ohne Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen sie ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für derzeit unbegründet. Die Prüffähigkeit der Schlußrechnung scheitere daran, daß die ersparten Aufwendungen nicht hinreichend "dargetan" seien. Den Klägern stehe grundsätzlich der Anspruch auf volle Vergütung zu, weil sie zu Recht aus wichtigem Grund gekündigt hätten. Zu den ersparten Aufwendungen sei nicht konkret vorgetragen. Die Kläger machten im Grunde eine Pauschale geltend, weil die Angaben zur konkreten Ersparnis "etwa wie folgt" berechnet würden. Die ersparten Aufwendungen seien zudem nicht getrennt nach den Leistungsphasen dargelegt.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht weist zu Unrecht die Klage auch zu den erbrachten Leistungen als derzeit unbegründet ab (1.). Es stellt verfehlte Anforderungen an die Prüfbarkeit der Abrechnung nicht erbrachter Architektenleistungen nach einem vom Architekten aus wichtigem Grund gekündigten Vertrag (2.).

1. Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die Klage in vollem Umfang als derzeit nicht prüffähig abgewiesen hat. In der Klageforderung enthalten sind die Leistungsphasen 1 und 2 des § 15 Abs. 2 HOAI in Höhe von 34.579 DM für das Gebäude und in Höhe von 8.059,21 DM für die technische Ausrüstung jeweils zuzüglich Nebenkosten und Zinsen. Diese Leistungen sind nach dem Vortrag der Kläger vollständig und mangelfrei erbracht. Sie sind in der Schlußrechnung prüfbar abgerechnet. Das Berufungsgericht äußert sich nicht dazu, sondern führt nur allgemein aus, daß die ersparten Aufwendungen, die sich nur auf die nicht erbrachten Leistungen beziehen können, nicht prüffähig dargestellt seien. Ist die Rechnung jedoch nur hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen nicht prüffähig, kann die Klage hinsichtlich des Honorars für erbrachte Leistungen nicht als derzeit unbegründet abgewiesen werden (BGH, Urteil vom 17. September 1998 - VII ZR 160/96, BauR 1999, 265 = ZfBR 1999, 88; Urteil vom 19. Februar 1998 - VII ZR 207/96, BauR 1998, 866 = ZfBR 1998, 236).

2. Die Schlußrechnung der Kläger zu den nicht erbrachten Leistungen entspricht den Anforderungen, die an die Prüfbarkeit zu stellen sind.

Der Architekt muß nach vorzeitiger Beendigung seines Vertrages das Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen vollständig abrechnen (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - VII ZR 87/93 = BauR 1994, 655 = ZfBR 1994, 219). Er muß die Leistungen im einzelnen aufgliedern und voneinander abgrenzen und die Honorarteile zuordnen (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 - VII ZR 187/96, BauR 1998, 357 = ZfBR 1998, 142). Bei den als erspart anzusetzenden Aufwendungen ist auch beim Architektenvertrag auf den konkreten Vertrag abzustellen. Welche ersparte Aufwendungen und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen läßt, hat der Architekt vorzutragen und zu beziffern. Trägt er nur einen bestimmten Prozentsatz vor, so genügt das nicht, weil nicht ersichtlich ist, wie er für den konkreten Vertrag gerade zu diesem Prozentsatz gekommen ist und ob er von dem richtigen Begriff der Ersparnisse und der anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft bzw. des böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 14. März 1996 -VII ZR 219/94, BauR 1996, 412 = ZfBR 1996, 200). Dies gilt auch, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart wird, daß der "Auftragnehmer nach einer Kündigung, die er nicht zu vertreten hat, den Anspruch auf das vertragliche Honorar behält, jedoch unter Abzug von ersparten Aufwendungen, die mit 40 % für die vom Auftragnehmer noch nicht erbrachten Leistungen vereinbart werden", weil diese Klausel unwirksam ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 250/94, BauR 1997, 156 = ZfBR 1997, 36). Verwendet der Architekt diese Vertragsbestimmung, kann er sich jedoch nicht auf ihre Unwirksamkeit berufen. Er kann dann nicht mehr als 60 % seines Honorars verlangen, wenn die konkrete Abrechnung ergeben sollte, daß die ersparten Aufwendungen niedriger sind als die Pauschale von 40 % (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 - VII ZR 187/96 aaO). Der Architekt kann als Verwender dieser unwirksamen Pauschalierungsklausel mithin 40 % ersparte Aufwendungen abrechnen, wenn er gleichzeitig substantiiert darlegt, daß die konkrete Ersparnis oder die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft dem entspricht oder niedriger ist. So ist es hier.

a) Die Kläger tragen vor, daß sie die Arbeiten mit dem vorhandenen Personalbestand nebenbei hätten durchführen können. Sie berechnen den Aufwand, den sie sich als erspart anrechnen lassen, "in etwa" nach aufzuwendenden Personalkosten für Architekten- und Ingenieurleistungen und jeweils einen Gemeinkostenzuschlag von 50 % variabler Kosten, nämlich Verbrauchsmaterial wie Zeichen- und Büromaterial, die nach dem Auftragsvolumen berechnete Haftpflichtversicherung, Telefon-, Porto-, Fotokopie- und Kfz-Kosten, Verschleiß an Zeichen- und Schreibgerät. Die Personalkosten werden im einzelnen nach Stundenzahl und Stundenkosten eines Diplomingenieurs und eines technischen Zeichners für die Leistungsphasen 4 bis 7 sowie 8 und 9 dargelegt.

b) Damit haben die Kläger zu § 649 Satz 2 BGB in einer den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - VII ZR 189/97, ZfBR 1998, 299 = BauR 1998, 1108) genügenden Form vorgetragen.

Die von den Klägern angesetzten Personalkosten sind nach ihrem eigenen Vortrag ersparte Aufwendungen i.S.d. § 649 Satz 2 BGB. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war nicht noch weiter als bisher nach Leistungsphasen getrennt vorzutragen, um den Beklagten die Gelegenheit zum konkreten Bestreiten zu eröffnen; denn die Beklagten waren nicht gehindert, die angesetzten Stundenzahlen und Stundensätze zu bestreiten. Der Ansatz und Zuschlag variabler, projektbezogener Gemeinkosten ist nicht zu beanstanden. Gemeinkosten gehören zu den ersparten Aufwendungen, soweit sie ausführungsabhängig sind, nicht, soweit es sich um allgemeine Gemeinkosten handelt (BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BauR 1999, 642 = ZfBR 1999, 191, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Angesetzt sind von den Klägern nur die ausführungsabhängigen variablen Kosten.

Der Vortrag der Kläger genügt auch den Substantiierungsanforderungen zum anderweitigen Erwerb. Sie haben vorgetragen, daß die Arbeiten mit dem vorhandenen Personal "nebenbei" durchgeführt worden wären. Damit ist hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Kläger in der Lage waren, neben dem gekündigten Auftrag weitere Aufträge auszuführen, mit diesen also kein ursächlicher Zusammenhang zur Kündigung bestand und diese nicht als Füllaufträge anzusehen sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94, BGHZ 131, 362; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 8 Rdn. 35 m.w.N.; Quack, Festschrift für Craushaar, S. 309 f).

III.

Demnach hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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