Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: VII ZR 224/01
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOB/B § 14 Nr. 1
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Abrechnung eines gekündigten Bauvertrages prüfbar ist, sind die der Schlußrechnung beigefügten Unterlagen zu berücksichtigen, soweit sie dem Auftraggeber die Prüfung ermöglichen, ob die Ansätze des Auftragnehmers den vertraglichen Grundlagen entsprechen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 224/01

Verkündet am: 14. November 2002

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 11. April 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt nach Beendigung eines Bauvertrages mit der Beklagten die Rückzahlung von Abschlagszahlungen. Die Beklagte begehrt widerklagend restlichen Werklohn.

Die Parteien schlossen einen Pauschalpreisvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Zweifamilienhauses. Die VOB/B wurde vereinbart. Nach Baubeginn verlangte die Beklagte die vertraglich vereinbarte Finanzierungsbestätigung. Mit Schreiben vom 8. November 1996 setzte sie dem Kläger zur Beibringung der Finanzierungsbestätigung eine Nachfrist bis zum 13. November 1996 und behielt sich vor, nach Fristablauf den Vertrag zu kündigen. Mit Schreiben vom 13. November 1996 kündigte die Beklagte. Nachdem sie die Arbeiten eingestellt hatte, kündigte der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 1996.

Der Kläger hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens über den Wert der erbrachten Leistungen eine Überzahlung von 66.766,63 DM behauptet und insoweit Klage erhoben. Die Beklagte hat eine Restvergütung von 22.629,60 DM errechnet und Widerklage erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 49.862,75 DM nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger habe eine Überzahlung der erbrachten Leistungen in Höhe von 49.862,75 DM schlüssig dargetan. Die Beklagte könne dem nur durch eine prüffähige Abrechnung entgegentreten. Das sei nicht geschehen. Die Beklagte habe keine Schlußrechnung vorgelegt, die den Anforderungen an die Abrechnung eines gekündigten Pauschalvertrages genüge. Der Kläger habe den Vertrag wirksam gekündigt, nachdem die Beklagte die Bauleistungen eingestellt habe. Dazu sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen. Ihre Kündigung sei unwirksam. Sie habe sich in ihrem Schreiben vom 8. November 1996 lediglich vorbehalten, die Kündigung zu erklären. Das genüge den Anforderungen des § 9 Nr. 2 VOB/B nicht. Ein wichtiger Grund zu einer außerordentlichen Kündigung habe nicht vorgelegen.

Die von dem Sachverständigen H. am 5. Juli 2000 aufgestellte und vom Erstgericht als verspätet zurückgewiesene Abrechnung nach der Ursprungskalkulation beinhalte keine prüfbare Rechnung, sondern Kalkulationsansätze. Es seien Zusatzaufträge und Mehrungen aufgenommen, die nicht spezifiziert seien. Noch nicht vollendete Arbeiten seien ohne Aufmaß bewertet worden. Die einzelnen Ansätze seien allenfalls aus den Subunternehmerrechnungen nachvollziehbar. Eine Überprüfung des Rechenwerks der Beklagten im Hinblick auf die Urkalkulation sei nicht möglich.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat prüfbar abgerechnet.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger seinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Überschusses nach Beendigung des Bauvertrages schlüssig dargelegt hat. Er hat auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens über den Wert der erbrachten Leistungen eine Überzahlung von 49.862,75 DM ermittelt.

2. Richtig ist auch, daß der Auftragnehmer eine derartige schlüssige Darstellung der Überzahlung durch eine prüfbare Schlußrechnung widerlegen kann (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 372 ff.; Urteil vom 24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, BauR 2002, 938, 939 = NZBau 2002, 329 = ZfBR 2002, 473).

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihre Vergütung prüfbar abgerechnet.

a) Die Beklagte macht ihren Anspruch auf Zahlung eines restlichen Werklohns von 22.629,60 DM zuletzt auf der Grundlage der von dem Sachverständigen H. vorgenommen Abrechnung vom 5. Juli 2000 geltend.

Diese Abrechnung hat das Landgericht als verspätet zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat sich gleichwohl damit befaßt. Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob die Abrechnung zu Recht zurückgewiesen worden ist. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß eine fehlerhafte Berücksichtigung von neuem Tatsachenvortrag, der bei richtigem Vorgehen des Berufungsgerichts nach § 528 Abs. 1 und 2 ZPO hätte zurückgewiesen werden müssen, mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann, weil die Beschleunigungswirkungen, welche die genannten Verfahrensvorschriften sichern sollen, nicht mehr herzustellen sind, nachdem das Berufungsgericht dem Vorbringen nachgegangen ist. Dies gilt auch für die Zulassung des vom Erstrichter zu Recht ausgeschlossenen Vortrages durch das Berufungsgericht (BGH, Urteil vom 26. Februar 1991 - XI ZR 163/90, NJW 1991, 1896, 1897).

b) Die Abrechnung vom 5. Juli 2000 ist prüfbar.

Die Beklagte gliedert die nach dem Pauschalvertrag zu erbringenden Leistungen in Teilleistungen und bewertet diese nach der Urkalkulation. Das entspricht den Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Abrechnung eines gekündigten Pauschalvertrages stellt (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 634 = NJW 1999, 2036 = ZfBR 1999, 194; Urteil vom 18. April 2002 - VII ZR 164/01, BauR 2002, 1403, 1404 = NZBau 2002, 507). Ob die kalkulatorischen Ansätze richtig sind, ist keine Frage der Prüfbarkeit.

aa) Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht, es seien Zusatzaufträge und Mehrungen aufgenommen, die nicht spezifiziert seien. Die Spezifizierungen finden sich hinter der tabellarischen Aufstellung in der Anlage zum Schriftsatz vom 14. Februar 2001.

bb) Unschädlich ist, daß die Bewertung des Mangels am Dachstuhl mit 830 DM aus dem vom Kläger vorgelegten Wertgutachten übernommen worden ist. Insoweit geht es nicht um die Prüfbarkeit der Abrechnung erbrachter Leistungen, sondern um die Bewertung eines Mangels.

cc) Unschädlich ist auch, daß die Maler-, Spengler- und Elektroarbeiten ohne Aufmaß bewertet und aufgeteilt worden sind. Die kalkulatorische Bewertung der Gesamtleistung ergibt sich aus der offen gelegten Urkalkulation. Die Bewertung der erbrachten Leistungen ergibt sich weitgehend aus den in der Anlage B 5 vorgelegten Unterlagen. Diese sind hinzuzuziehen, soweit sie dem Auftraggeber die Prüfung ermöglichen, ob die Ansätze des Auftragnehmers den vertraglichen Grundlagen entsprechen (BGH, Urteil vom 18. April 2002 - VII ZR 164/01, BauR 2002, 1403, 1405 = NZBau 2002, 507). Die vom Berufungsgericht vermißte Darlegung und Bewertung der Spenglerarbeiten ergibt sich aus dem vom Kläger mit Kommentaren versehenen Angebot des Subunternehmers. Die Grundlage für die Aufteilung und Bewertung der Elektroleistungen ergibt sich aus dem Angebot der Fa. St.. Aus deren Rechnung läßt sich entnehmen, welche Leistungen erbracht worden sind. Hinsichtlich der Malerarbeiten hat die Beklagte das mit Einheitspreisen ohne Massen versehene Angebot der Fa. P. vorgelegt und erläutert, daß daraus 107,24 qm Anstrich für Untersichten und sichtbare Holzteile zu 13 DM/qm erbracht worden seien. Damit ist zwar das Verhältnis zum angeblich vergebenen Gesamtpreis von 9.181,12 DM nicht erläutert, jedoch der geltend gemachte Preis nachvollziehbar dargestellt.

Die Revision weist im übrigen zutreffend darauf hin, daß insoweit lediglich ein geringer Betrag geltend gemacht wird, dessen fehlende Ableitung aus der Urkalkulation es nicht rechtfertigt, die Rechnung insgesamt als nicht prüfbar zurückzuweisen (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 634 = NJW 1999, 2036 = ZfBR 1999, 194).

III.

Das Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Auf die Frage, ob die Kündigung der Beklagten unwirksam war, kommt es in der Revisionsinstanz nicht an.

Für die erneute Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß das Berufungsgericht sich mit dem in der Revision wiederholten und unter Beweis gestellten Parteivorbringen auseinandersetzen muß, der Kläger habe die Vorlage der Finanzierungsbestätigung endgültig mit den Worten verweigert: "Die kriegen Sie nicht. Dann verklagen sie mich halt". In diesem Fall könnte jedenfalls die vom Berufungsgericht vermißte Kündigungsandrohung entbehrlich gewesen sein.

Ende der Entscheidung

Zurück