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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.09.1999
Aktenzeichen: VII ZR 225/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242 B c
BGB § 242 B c

Ein Vertrag über Leistungen der Projektsteuerung begründet eine besondere Vertrauensstellung des Projektsteuerers.

Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann gerechtfertigt sein, wenn diese Vertrauensbeziehung gestört ist.

BGH, Urteil vom 2. September 1999 - VII ZR 225/98 - OLG München LG München I


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 225/98

Verkündet am: 2. September 1999

Seelinger-Schardt Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1999 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Prof. Quack, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. April 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem gekündigten Ingenieurvertrag auf vereinbarte Teilvergütung in Höhe von 114.338 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Das sind 40 % des vereinbarten Pauschalhonorars, die sie für nicht erbrachte Leistungen berechnet. Neben anderen, zum Teil wesentlich umfangreicheren Vertragsbeziehungen mit ähnlicher Ausgestaltung im einzelnen, hatten die Parteien einen Vertrag vom 29./30. November 1993 über ein Vorhaben in Berlin, L.-Straße, mit vereinbarten anrechenbaren Kosten von acht Millionen DM geschlossen. Danach sollte die Klägerin neben Leistungen der Leistungsphasen 6 bis 9 gemäß § 15 HOAI die Projektsteuerung gemäß Leistungsbild § 31 HOAI übernehmen.

Die Beklagte hat den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt bevor Leistungen erbracht worden waren. Sie rechtfertigt das mit Vertrauensverlust wegen Verhaltens bei anderen Objekten. Dabei geht es um zwei Vorgänge. Abweichend von den zwischen den Parteien üblichen Zahlungsmodalitäten hat die Klägerin sich eine ungeprüfte Rechnung über 28.750 DM von einer Kaufvertragspartnerin der Beklagten anweisen lassen. Das Berufungsgericht hält es insoweit nicht für bewiesen, daß diese Zahlungsmodalitäten vereinbart waren. Ferner hat die Klägerin in die Schlußrechnung eines anderen Vorhabens eine nicht vereinbarte und im vorangegangenen Schriftverkehr vergeblich verlangte Vergütung für treuhänderische Maßnahmen in Höhe von 60.000 DM eingestellt und diese gegenüber einer Drittfirma, die die Gelder für das fragliche Objekt treuhänderisch verwaltete, in Rechnung gestellt.

Die Klägerin hält die Kündigung nicht für gerechtfertigt und hat ihrerseits den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Kündigung der Beklagten für nicht berechtigt erachtet und der Klägerin die verlangten 40 % Teilvergütung zugesprochen. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.

Über eine hilfsweise zur Begründung der Klageforderung angeführte Honorarforderung hat das Berufungsgericht nicht entschieden.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist wie schon das Landgericht der Auffassung, der Beklagten stehe ein wichtiger Kündigungsgrund nicht zur Seite. Hingegen habe die Klägerin wirksam aus von der Beklagten zu vertretendem wichtigem Grund gekündigt und könne deshalb den für diesen Fall mit 40 % vereinbarten Vergütungsteil verlangen. Hinsichtlich des unbegründeten Anspruchs von 60.000 DM meint das Berufungsgericht, unterschiedliche Rechtsansichten, ob ein Anspruch bestehe, begründeten keine Pflichtverletzung der Klägerin. Eine Täuschungshandlung liege nicht vor. Eine Abrechnungsvereinbarung und damit einen vorsätzlichen Vertragsverstoß gegen ein vereinbartes Abrechnungsverfahren habe die Beklagte nicht beweisen können. Es bleibe insoweit offen, ob nicht nur eine tatsächliche Übung vorgelegen habe.

II.

Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht stellt zu hohe Anforderungen an einen wichtigen Grund zur Kündigung für die hier vorliegende Vertragsbeziehung. Es hat diese und deshalb auch die für eine Kündigung maßgeblichen Umstände des Vertrages unzureichend gewürdigt.

1. Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung vom Vertrage und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung können u.a. bedeutsam sein der Zweck und die Art des Vertrages, insbesondere das Ausmaß an persönlichen Bindungen, das Erfordernis persönlichen Vertrauens in die Loyalität, Wahrheitsliebe, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Vertragspartners. Ferner können zu berücksichtigen sein die Gefährdung von Vermögensinteressen und die Effektivität von Kontrollmöglichkeiten. Zu würdigen ist dabei nicht nur der gesetzliche Vertragstyp, sondern seine konkrete Ausgestaltung durch die Interessen und Vereinbarungen der Beteiligten.

2. Die Klägerin hat sich für ein Objekt mit einer Investitionssumme von acht Millionen DM u.a. zu Leistungen der Objektüberwachung und der "Projektsteuerung nach dem Leistungsbild des § 31 HOAI" verpflichtet. Diesen Vertrag prägen Dienst- oder Werkleistungen aus dem Bereich der Kontroll- und Organisationsleistungen komplexer Art mit Führungs- oder Leitungsfunktionen. Elemente des persönlichen Vertrauens und der sich daraus ergebenden, schlecht überschaubaren Risiken für den Vertragspartner stehen im Vordergrund. Ihre Leistungen hatte die Klägerin im Schwerpunkt persönlich zu erbringen. Die Weitergabe war ihr nur für einzelne Leistungen und nur mit Zustimmung der Beklagten gestattet. Der Vertrag stellte also unmittelbar auf das Vertrauen an die persönliche Leistungserbringung ab. Leistungen der Bauüberwachung, vor allem aber solche der Projektsteuerung, erfordern ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit und Loyalität. Das Festhalten an einer Vertragsbeziehung mit einem Vertragspartner, der sich als unseriös oder illoyal gezeigt hat, wird deshalb gerade bei der Projektsteuerung sehr häufig unzumutbar sein. Der Projektsteuerer übernimmt beratend oder handelnd die Wahrung der Qualitäts-, Termin- und Kostensicherung für den Auftraggeber. Er ist damit maßgeblich am Kernbereich der Investitionsentscheidung und des Investitionserfolges beteiligt. Für Leistungen dieser Art kann der Auftraggeber die Identifikation mit seinen Interessen, Loyalität und Vertrauenswürdigkeit erwarten.

3. Im Zusammenhang mit dieser konkreten Vertragsbeziehung müssen die Vorwürfe gegen die Klägerin unter dem Gesichtspunkt gewürdigt werden, ob sie einer besonnenen Vertragspartei hinreichenden Anlaß zur Lösung der vertraglichen Beziehungen geben konnten. Es geht dabei entscheidend um die Frage, welches Verhalten von einem korrekten und loyalen Vertragspartner zu erwarten gewesen wäre.

Die Vorwürfe bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts im wesentlichen in folgendem: Die Klägerin ist ausgerechnet für eigene Ansprüche jedenfalls von einem geübten Abrechnungsverfahren, dessen Zweck ersichtlich die Kontrolle von Zahlungsvorgängen war, abgewichen, wobei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings eine dahingehende, von der Beklagten geltend gemachte Vereinbarung hierüber nicht bewiesen ist. Des weiteren hat die Klägerin eine nicht vereinbarte Forderung von 60.000 DM in Rechnung gestellt. Sie hat damit eine Anspruchsberühmung nicht offen als solche dargestellt, obwohl der Anspruch ihr zuvor trotz Verlangens nicht zugestanden worden war. Es ist nicht fernliegend, das als bewußten Versuch einer Irreführung zu verstehen, weil diese Berechnung nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber der Treuhänderin aufgestellt wurde, der Prüfungsmöglichkeiten nicht unmittelbar zur Verfügung standen. Daß dies als Täuschungsversuch von vornherein ungeeignet gewesen sein soll, wird vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommen. Die Art der Rechnungsstellung eröffnete eine Chance der Begleichung, zumal die Forderung rechnerisch übersichtlich und plausibel war, also nicht ohne weiteres Anlaß zu Prüfungsüberlegungen geben mußte. Die Klägerin ist darüber hinaus plausible Erklärungen für ihr Vorgehen im einen wie im anderen Fall schuldig geblieben.

Von der Klägerin zu erwarten wäre gewesen, daß sie auch von nicht vereinbarten Üblichkeiten nicht ausgerechnet in eigener Sache abweichen werde. Des weiteren bestand kein Grund, den Anspruchsgrund nicht gesondert offenzulegen. Beide Vorfälle begründeten auch für einen besonnenen Vertragspartner einen Verdacht, daß die Klägerin nicht bereit war, seine Interessen gewissenhaft zu wahren.

4. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht daher das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes auf seiten der Beklagten. Das Berufungsgericht vernachlässigt die konkret zwischen den Parteien bestehenden Vertragsbeziehungen und behandelt die ausgesprochene Kündigung lediglich als eine Frage des allgemeinen Vertragsrechts. Das Berufungsgericht überspannt dadurch insoweit für die gegebene Vertragssituation die Anforderungen. Dieser Situation wird vor allem nicht gerecht, daß nur beweisbare vorsätzliche Vertragsverletzungen hier einen hinreichenden Kündigungsgrund darstellen sollen. Die Umstände, die gegen die Vertrauenswürdigkeit der Klägerin sprechen, hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt. Es ging hier nicht um die Geltendmachung unbegründeter Forderungen in einer Lieferbeziehung, vielmehr um eine Anspruchsberühmung, bei der die gebotene und zumutbare Kritik gegenüber dem eigenen Vorteil und der gebotenen Art ihn geltend zu machen vernachlässigt wurde. Unabhängig davon, ob die Klägerin ihren Anspruch seinerzeit für berechtigt hielt, war er nach Grund und Höhe jedenfalls nicht unmittelbar durch vertragliche Abmachungen gedeckt. Wenn schließlich das Berufungsgericht zur Entlastung der Klägerin anführt, daß es in der Immobilienbranche auch sonst nicht seriös zugehe, so ist dazu anzuführen, daß dies nicht das Problem des vorliegenden Falles ist und daß es keinesfalls unseriöses Verhalten eines Projektsteuerers oder eines sonstigen Sachwalters in Vermögensangelegenheiten rechtfertigen könnte.

III.

Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehenbleiben, es ist aufzuheben. Da Feststellungen zu dem hilfsweise geltend gemachten Sachvortrag fehlen, ist die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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