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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: VII ZR 291/04
Rechtsgebiete: MietrechtsverbesserungsG


Vorschriften:

MietrechtsverbesserungsG Art. 10 § 3
Das Koppelungsverbot greift grundsätzlich nicht ein, wenn ein Käufer ein Grundstück von einem Architekten erwirbt und sich ein Dritter aus Eigeninteresse an dem Verkaufsgeschäft verpflichtet, Honorar an den Architekten zu zahlen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 291/04

Verkündet am: 27. April 2006

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 17. November 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Architekt. Er fordert von der beklagten Projektentwicklungsgesellschaft im Urkundenprozess 30.000 €.

Der Kläger leitet seinen Anspruch aus einer mit "Protokoll" bezeichneten, von der Geschäftsführerin der Beklagten unterschriebenen Urkunde vom 29. August 2002 mit folgendem Wortlaut her:

Nach rechtskräftigem Verkauf der Grundstücke S. in W. von der BPL B.-GmbH (= Verkäuferin) an B. (= Käufer) verpflichtet sich die Projektentwicklungsgesellschaft H. GmbH & Co. KG (Beklagte), Herrn A. (Kläger) 255.645,94 € (= 500.000 DM) in drei Raten bis zum 31.12.2002 als Projektentwicklungshonorar zu zahlen.

Dem liegt Folgendes zugrunde:

Die Verkäuferin, deren Geschäftsführer und 90 %iger Mehrheitsgesellschafter der Kläger ist, hatte die in Rede stehenden Grundstücke im Jahr 2001 an eine F. AG zum Preis von 3,7 Mio. DM verkauft. Die Durchführung dieses Vertrages scheiterte. Sie verhandelte daraufhin mit B. als neuem Kaufinteressenten in Zusammenwirken mit der Beklagten. B. war nicht bereit, mehr als 3 Mio. DM für die Grundstücke zu zahlen; zu diesem Preis war die BPL B.-GmbH ihrerseits mit einem Verkauf zunächst nicht einverstanden. Die Beklagte erhoffte sich, von B., sollte der Kaufvertrag zustande kommen, einen Auftrag zur Bauplanung für die Grundstücke mit einem geschätzten Honorarvolumen von etwa 4 Mio. € zu erhalten. Ihre Geschäftsführerin unterschrieb daher nach Verhandlungen mit dem Kläger das "Protokoll". Daraufhin wurde noch am selben Tage der notariell beurkundete Kaufvertrag zwischen den BLP B.-GmbH und B. über die in Rede stehenden Grundstücke abgeschlossen. Der Verkaufspreis betrug 1.533.875 € (= 3 Mio. DM).

Da die Beklagte keine Zahlungen leistete, hat der Kläger sie im Wege der Teilklage auf Zahlung von 30.000 € und Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage unter Vorbehalt der Rechte der Beklagten im Nachverfahren stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger begehrt mit seiner Revision, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht bejaht die Unwirksamkeit der Vereinbarung der Parteien als Koppelungsgeschäft in entsprechender Anwendung des Art. 10 § 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (MRVG). Der Kaufvertrag über die Grundstücke wäre nicht zustande gekommen, wenn die Beklagte sich nicht verpflichtet hätte, nach dessen Abschluss 255.645,96 € (= 500.000 DM) an den Kläger zu zahlen. Zwar habe sich zu dieser Zahlung nicht der Käufer B. als Erwerber, sondern die Beklagte verpflichtet. Die Vorschrift sei jedoch analog anzuwenden. Angesichts der eigenen Interessen der Beklagten an dem Erwerb der Grundstücke durch B. gehöre sie mittelbar zu dem durch diese Vorschrift geschützten Personenkreis. Sie habe sich erhofft, vom Käufer B. mit der Planung des Gesamtprojektes beauftragt zu werden. In dieses Projekt hätten die von der BPL B.-GmbH erworbenen Grundstücke einbezogen werden sollen. Die Beklagte habe daher ein Interesse daran gehabt, dass der Grundstückskaufvertrag zwischen der BPL B.-GmbH und dem Käufer B. geschlossen werde. Entscheidend sei, ob im jeweiligen Einzelfall der Wettbewerb unter den Architekten sachwidrig beeinflusst worden sei. Daran ändere nichts, dass die Beklagte die Zahlung von 500.000 DM an den Kläger selbst angeboten habe.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die streitgegenständliche Verpflichtung vom Anwendungsbereich des Art. 10 § 3 MRVG nicht erfasst.

1. Nach Art. 10 § 3 MRVG ist eine Vereinbarung unwirksam, durch die der Erwerber eines Grundstückes sich im Zusammenhang mit dem Erwerb verpflichtet, bei der Planung oder Ausführung eines Bauwerks auf dem Grundstück die Leistungen eines bestimmten Ingenieurs oder Architekten in Anspruch zu nehmen. Die Vorschrift ist bewusst weit gefasst, um jegliche Koppelung zwischen Grundstückserwerb und Architektenauftrag zu unterbinden. Sie soll der Gefahr entgegenwirken, die dadurch entsteht, dass ein Architekt bei knapp gewordenem Baugrund ein Grundstück an der Hand und deshalb Wettbewerbsvorteile hat. Aus diesem Grund hat der Senat einen Verstoß gegen das Koppelungsverbot nicht nur dann angenommen, wenn der Erwerber verpflichtet wird, eine bereits vorhandene Planung des Architekten zu übernehmen. Ein Verstoß liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Erwerber dem Veräußerer oder Architekten eine Zahlung dafür leistet, dass die vorhandene Planung nicht übernommen werden muss (st. Rspr.; z.B.: BGH, Urteil vom 6. April 2000 - VII ZR 455/98, BauR 2000, 1213, 1214 f. = ZfBR 2000, 463 = NZBau 2000, 343).

Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes gehört es auch zu seinen Zielen, den Erwerber eines Grundstücks nicht in der freien Wahl des Architekten zu behindern (so Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rdn. 668 m.N. aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., MRVG § 3 Rdn. 4; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., MRVG Art. 10 § 3 Rdn. 3).

2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich die Beklagte in einer Drucksituation befand. Einerseits war der Kläger nicht bereit, die Grundstücke der von ihm beherrschten BPL B.-GmbH zu dem vom Käufer B. gebotenen Preis von 3 Mio. DM zu veräußern. Andererseits erhoffte sich die Beklagte von B. nach einem Erwerb der Grundstücke einen umfangreichen Planungsauftrag. Zu Unrecht zieht das Berufungsgericht jedoch die Beklagte in den Schutzbereich der Vorschrift des Art. 10 § 3 MRVG mit der Begründung ein, sie stehe aufgrund ihres Eigeninteresses einem Erwerber gleich, auch wenn sie die in Rede stehenden Grundstücke nicht erworben habe.

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird nur der Erwerber davor geschützt, sich an einen bestimmten Architekten binden oder einen wegen erbrachter Architektenleistungen überhöhten Kaufpreis für ein Grundstück zahlen zu müssen. B. als Erwerber der Grundstücke vereinbarte einen von ihm als angemessen angesehenen Kaufpreis, ohne sich in irgendeiner Weise gegenüber einem Architekten oder Ingenieur zu verpflichten. Für ihn bestand die vom Gesetz missbilligte Drucksituation nicht, die in Rede stehenden Grundstücke nicht ohne eine zusätzliche Zahlung oder einen Auftrag an einen Architekten oder Ingenieur erwerben zu können. Das nur mittelbare Interesse der Beklagten an dem Erwerb durch den Käufer B. als einem Dritten wird nicht geschützt.

b) Eine analoge Anwendung von Art. 10 § 3 MRVG scheidet aus. Eine planwidrige Lücke des Gesetzes liegt nicht vor. Auch der von der Rechtsprechung des Senats weit gefasste Sinn und Zweck der Vorschrift gebietet nicht den Schutz der Interessen der Beklagten an dem Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages. Der Beklagten ging es allein um einen erhofften, honorarträchtigen Auftrag seitens des Erwerbers für die Bauplanung der Grundstücke. Ein derartiges Interesse eines Dritten begründet keinen Wettbewerbsvorteil des Architekten in der Weise, dass eine entsprechende Anwendung der Regelung des Art. 10 § 3 MRVG geboten wäre.

c) Auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens der Parteien und der durch Urkunden festgestellten Sachlage liegt ein Missbrauch vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung des Koppelungsverbotes nicht vor.

III.

Der Senat kann die Sache nicht abschließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat zu den durch Parteivernehmung zu Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten, es seien im Rahmen der Verhandlungen Nebenabreden getroffen worden, von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen getroffen. Das wird zu prüfen und gegebenenfalls nachzuholen sein.

Ende der Entscheidung

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