Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: VII ZR 315/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 392
Die Aufrechnung gegen eine gepfändete Forderung wird nicht durch § 392 Alternative 2 BGB ausgeschlossen, solange deren Durchsetzung ein Leistungsverweigerungsrecht entgegensteht.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 315/02

Verkündet am: 18. Dezember 2003

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 13. August 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Drittschuldnerin auf Werklohnzahlung in Höhe von € 1.396,85 in Anspruch.

Der Schuldner, gegen den sie einen am 18. Februar 1999 zugestellten Vollstreckungsbescheid erwirkt hat, führte für die Beklagte Akustik- und Trockenbauarbeiten aus. Die Klägerin ließ dessen Werklohnforderung pfänden und sich zur Einziehung überweisen; der entsprechende Beschluß wurde der Beklagten am 17. Mai 2000 zugestellt.

Die Beklagte hatte zuvor am 19. April 2000 gegenüber dem Schuldner abgerechnet und unter Abzug für Mängelbeseitigungsarbeiten für diesen ein Guthaben von 29,92 DM ermittelt und ausgezahlt. Der Schuldner reklamierte die Abrechnung, worauf ihm die Beklagte am 4. Mai 2000 eine Gutschrift über 2.732 DM (= € 1.396,85) erteilte. Eine Zahlung erfolgte nicht.

In ihrer Drittschuldnererklärung teilte die Beklagte der Klägerin am 19. Juni 2000 mit, daß die Forderungen des Schuldners durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen erledigt und die Zusammenarbeit mit dem Schuldner beendet worden seien.

Am 29. November 2000 beanstandete die Beklagte gegenüber dem Schuldner Mängel des von diesem verlegten Trockenestrichs und forderte ihn ohne Erfolg zu deren Beseitigung auf. Sie hat zuletzt mit Schadensersatzansprüchen mindestens in Höhe der Klageforderung aufgerechnet.

Das Amtsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben; das Landgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die beschlagnahmte Forderung zu Recht als durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB erloschen angesehen.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hält die beschlagnahmte Forderung des Schuldners für durch Aufrechnung erloschen. Der Beklagten habe ein Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB mindestens in Höhe des Klageanspruchs zugestanden, weil der Trockenestrich mangelhaft verlegt worden und die Trittschallbelastung deshalb zu hoch gewesen sei.

Die Aufrechnung sei wirksam erklärt worden. Eine vor dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erklärte Aufrechnung sei zwar mangels Aufrechnungslage unbeachtlich. Sie sei jedoch durch die prozessuale Geltendmachung der Aufrechnung in der Klageerwiderung wirksam wiederholt worden. Die Aufrechnung sei nicht nach § 392 Alternative 1 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte habe ihre Gegenforderung vor der Beschlagnahme der Hauptforderung erworben. Dafür genüge es, daß die Gegenforderung ihrem rechtlichen Grunde nach bestanden habe. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil der zugrundeliegende Werkvertrag vor dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zustande gekommen sei. Die Aufrechnung sei auch nicht nach der zweiten Alternative des § 392 BGB ausgeschlossen. Zwar sei die Hauptforderung spätestens am 4. Mai 2000 mit der Gutschrift und die Gegenforderung erst am 19. Januar 2001 mit Ablauf der zur Mangelbeseitigung gesetzten Nachfrist fällig geworden. Die Hauptforderung sei jedoch nach den auch hier geltenden Grundsätzen für die Anwendung des § 406 BGB nicht als fällig anzusehen, da ihre Durchsetzung durch ein Leistungsverweigerungsrecht gehindert gewesen sei. Ein solches habe der Beklagten wegen ihrer Mängelbeseitigungsansprüche zugestanden.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Aufrechnung scheitert nicht daran, daß die Schadensersatzforderung erst nach der Beschlagnahme fällig geworden ist.

1. Für den Anwendungsbereich des § 406 2. Halbsatz 2. Alternative BGB hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß eine Aufrechnung nicht ausgeschlossen ist, wenn die Durchsetzung der Forderung des Zessionars durch ein Zurückbehaltungsrecht gehindert war (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 52/95, BauR 1996, 401 = NJW 1996, 1056). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit erhalten bleiben soll, wenn nicht erst seine Leistungsverzögerung zum Entstehen der Aufrechnungslage geführt hat. Das gilt bei einer beschlagnahmten Forderung ebenso. Dem Schuldner sollen durch die Beschlagnahme der gegen ihn gerichteten Forderung ebensowenig wie durch eine Abtretung Vor- oder Nachteile erwachsen.

2. Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten war nicht durch die bereits vorgenommene Minderung für Mängel an dem Bauvorhaben ausgeschlossen. Der Kürzung des Werklohns lag nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die Rechnung der Beklagten vom 4. Februar 2000 zugrunde, die sich bereits nach ihrem Wortlaut auf Mängel an Gipskarton- und Dämmungsarbeiten bezog. Anhaltspunkte dafür, daß sich die aufgrund dieser Rechnung erzielte Verständigung über einen bestimmten Minderungsbetrag auch auf andere Fehler der Werkleistung, insbesondere die nunmehr geltend gemachten Mängel der Trockenestricharbeiten, beziehen sollte, zeigt die Revision nicht auf.

3. Auch aus der Drittschuldnererklärung der Beklagten vom 19. Juni 2000 ist nicht herzuleiten, daß die Gewährleistungsansprüche bereits anderweitig erledigt waren. Dem an den Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben ist lediglich die Rechtsansicht der Beklagten zu entnehmen, daß der Schuldner Ansprüche gegen sie nicht mehr geltend machen könne; es enthält dagegen nicht das Eingeständnis, daß Forderungen gegen den Schuldner nicht mehr bestünden. Die Erklärung der Beklagten, daß Forderungen im Hinblick auf die Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Schuldner auch künftig nicht mehr entstehen würden, bezieht sich nach dem Zweck des Schreibens, Ansprüche der Klägerin abzuwehren, auf gegen die Beklagte gerichtete Ansprüche.

4. Die Aufrechnung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte die Mängel am Trockenestrich erst am 29. November 2000 und damit nach Fälligkeit der Klageforderung gerügt hat.

Die Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis in § 392 Alternative 2 BGB richtet sich gegen den Schuldner, der eine voll durchsetzbare Forderung bis zu dem Zeitpunkt nicht erfüllt hat, zu dem seine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung fällig wird. Ihm soll durch die unberechtigte Verweigerung der Zahlung kein Vorteil erwachsen. Die Klageforderung war indes nicht uneingeschränkt durchsetzbar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Werkleistung des Schuldners im Bereich der Estrichverlegung von Anfang an mangelhaft. Daß die Beklagte dies noch nicht gerügt und gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB Abhilfe verlangt hatte, ändert nichts daran, daß bei Zugrundelegung der objektiven Rechtslage die von der Klägerin verfolgte Forderung nicht uneingeschränkt durchsetzbar gewesen ist. Dementsprechend hindert bereits das bloße objektive Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB den Eintritt des Schuldnerverzugs (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 180/98, BauR 1999, 1025 = ZfBR 1999, 313).



Ende der Entscheidung

Zurück