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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: VII ZR 360/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276 Fb
BGB § 276 Fb

Auch nach länger andauernden Verhandlungen über einen Bauvertrag kann ein Verhandlungspartner sich grundsätzlich ohne rechtliche Nachteile von den Verhandlungen zurückziehen.

BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - VII ZR 360/98 - OLG Celle LG Hannover


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 360/98

Verkündet am: 7. Dezember 2000

Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14 a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. September 1998 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 19. Juni 1996 wird auch im übrigen zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt 775.000 DM Schadensersatz. Sie hat 1993 den Neubau eines Verwaltungsgebäudes sowie den Umbau eines Parkhauses ausgeschrieben. Die beiden Beklagten haben als Bietergemeinschaft am 29. Oktober 1993 ein Generalunternehmerangebot mit einem Pauschalpreis von 28.972.300,19 DM brutto abgegeben. Das war nicht das günstigste Angebot. Trotzdem wünschte die Klägerin, mit den Beklagten den Vertrag abzuschließen. In den bis Februar 1994 sich hinziehenden Verhandlungen einschließlich eines im einzelnen streitigen Telefongespräches vom 13. Dezember 1993 fanden sich die Beklagten grundsätzlich bereit, den von der Klägerin als Obergrenze bezeichneten Pauschalpreis von 28.025.000 DM zu akzeptieren, über andere Vertragsbedingungen ist keine Einigung erzielt worden. Ein von der Klägerin ausgearbeiteter schriftlicher Vertragsentwurf ist von keiner der Parteien unterschrieben worden.

Am 1. März 1994 teilten die Beklagten mit, sie seien an ihr Angebot vom 29. Oktober 1993 nicht mehr gebunden; sie erklärten vorsorglich die Anfechtung dieses Angebotes sowie etwaiger weiterer Angebote und boten einen Vertragsschluß an, in dem die Position "Fenster" um 1,1 Mio. DM netto höher als bisher in Aussicht genommen angesetzt werden sollte. Die Klägerin ist auf den Änderungswunsch der Beklagten nicht eingegangen. Sie hat das Projekt von der Firma L. zum Pauschalpreis von 28,8 Mio. DM ausführen lassen. Die Differenz zu dem in den Verhandlungen mit den Beklagten als Obergrenze betrachteten Pauschalpreis macht sie als Schaden geltend. Dabei vertritt sie einerseits den Standpunkt, mit den Beklagten mündlich einen Generalunternehmervertrag abgeschlossen zu haben, andererseits macht sie geltend, die Beklagten hätten nahezu beendete Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr, von einem Teil des Zinsbegehrens abgesehen, stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision der beiden Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten. Der vom Berufungsgericht angenommene Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß besteht nicht (vgl. unten II.). Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. III.).

I.

1. Das am 2. September 1998 verkündete Berufungsurteil ist vom 14 a. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle ohne Mitwirkung eines planmäßigen Vorsitzenden durch die Richter W., Sch. und S. erlassen worden. Bis Ende Juni 1998 war die Sache bei dem bis dahin zuständigen 6. Zivilsenat anhängig gewesen. Mit der Auflösung des 6. Zivilsenats am 30. Juni 1998 ist die Sache dem 14. Zivilsenat zugewiesen worden. Für die Zeit ab 1. Juli 1998 ist als Hilfssenat zu diesem Senat der 14 a. Senat eingerichtet und mit dem Streitfall betraut worden. Bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils ist dem 14 a. Zivilsenat kein planmäßiger Vorsitzender zugewiesen worden.

2. Dieses beanstandet die Revision ohne Erfolg. Ihre Besetzungsrüge ist nicht begründet.

Die Auflösung unter anderem des 6. Zivilsenates des Berufungsgerichts, die damit einhergehende Umverteilung der Zuständigkeiten innerhalb des Gerichts sowie die Einrichtung eines Hilfssenates waren von vornherein erkennbar durch eine Übergangssituation veranlaßt und sind zu deren Bewältigung beschlossen worden. Aufgrund landesgesetzlicher Änderungen (Gesetz zur Umgliederung des Landgerichtsbezirks Göttingen vom 19. Juni 1997, Nds. GVBl. 1997, 288) hatte das Berufungsgericht einen Teil seiner Zuständigkeit an das Oberlandesgericht Braunschweig abzugeben. Dadurch wurde beim Berufungsgericht mindestens ein Zivilsenat entbehrlich. Daraus ergab sich die Aufgabe, einerseits wenigstens einen Spruchkörper aufzulösen, andererseits die kontinuierliche Bearbeitung der dort bei Auflösung noch anhängigen Fälle zu gewährleisten. Das konnte ohne Rechtsfehler durch die Einrichtung des Hilfssenates geschehen, dessen Zuständigkeit darauf beschränkt war, die vorhandenen Fälle abzuarbeiten. Daß der 14 a. Senat von Juli bis Anfang September 1998 keinen planmäßigen Vorsitzenden Richter hatte, ist nicht zu beanstanden. Die Besetzung des nicht mehr zur Entscheidung berufenen früheren 6. Zivilsenats sowie die Besetzung des 14 a. Zivilsenats in der Zeit nach Verkündung des Berufungsurteils ist für die rechtliche Beurteilung der Besetzung des entscheidenden Spruchkörpers nicht erheblich. Daß die gerichtsinterne Umstrukturierung möglicherweise auch anders hätte organisiert werden können, macht den gewählten Weg nicht rechtsfehlerhaft.

II.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verlangen.

Auch bei strengem Maßstab ergebe sich, daß die Beklagten den Vertrauenstatbestand geschaffen hätten, der nahezu fertig ausgehandelte Vertrag werde auch wirklich abgeschlossen werden. Bis zum anwaltlichen Schreiben vom 1. März 1994 hätten die Beklagten den Vertragsschluß als sicher hingestellt. Davon sei nach dem unstreitigen Teil des Gesprächs vom 13. Dezember 1993 sowie insbesondere dem Schreiben der Beklagten vom 7. Januar 1994 auszugehen. Die weiteren Verhandlungen der Parteien bis Ende Februar, vor allem auch der Vertragsentwurf der Klägerin und die Erwiderung der Beklagten mit Schreiben vom 24. Februar 1994, bestätigten dies. Die Beklagten hätten sich ohne triftigen Grund von den weitgehend abgeschlossenen Vertragsverhandlungen zurückgezogen.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a) Auch nach länger andauernden Verhandlungen zu einem umfangreicheren Bauvertrag kann ein Verhandlungspartner sich grundsätzlich ohne rechtliche Nachteile von den Verhandlungen zurückziehen. Ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß, der wegen Abbruch von Vertragsverhandlungen geltend gemacht wird, kommt erst dann in Betracht, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, dann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - VIII ZR 4/88, ZIP 1989, 514 = NJW-RR 1989, 627 m.w.N.; Urteil vom 10. Januar 1996 - VIII ZR 327/94, WM 1996, 738 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

b) Die Beklagten haben der Klägerin keinen Anlaß zu dem berechtigten Vertrauen gegeben, der Generalunternehmervertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. Zu keinem Zeitpunkt ist zwischen den Parteien so weitgehende Einigkeit erzielt worden, daß die Klägerin auf den sicheren Vertragsschluß hätte vertrauen dürfen.

Der Gang der Gespräche zeigt, daß die Klägerin kaum bereit war, auf die Vorstellungen der Beklagten einzugehen. Sie hat sich überwiegend darauf beschränkt, die Beklagten zum Nachgeben zu bewegen. Die Zuversicht, auf diesem Wege zum Erfolg zu gelangen, darf nicht verwechselt werden mit einem von den Beklagten etwa veranlaßten Vertrauen. Die Beklagten andererseits waren grundsätzlich bereit, die von ihrem Angebot deutlich abweichende Preisvorstellung der Klägerin zu übernehmen. Damit war im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht alles Wesentliche bereits vereinbart; es war erst ein Rahmen für die weiteren Verhandlungen gesetzt. Anstatt den Gesamtpreis zu erörtern haben die Beklagten einen Ausgleich für den von der Klägerin gewünschten geringeren Preis angestrebt und versucht, Änderungen der Bauleistungen zu erreichen.

Die Beklagten haben eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, die der Klägerin jeweils wichtig genug waren, die abschließende Formulierung des Vertragswerkes zurückzustellen. Um kleinere Unstimmigkeiten oder unbedeutende Nebenpunkte ging es dabei nicht. Überlegungen der Beklagten zu Einsparungen bei den Verbundfenstern haben zu keinem Ergebnis in ihrem Sinne geführt. Das mit Qualitätseinschränkungen verbundene überarbeitete Angebot vom 8. Dezember 1993 hat die Klägerin abgelehnt. Der Inhalt des Telefongesprächs zwischen dem Zeugen B. und dem früheren Geschäftsführer T. vom 13. Dezember 1993 ist streitig geblieben; fest steht jedoch, daß auch in diesem Gespräch der Klägerin wichtig erscheinende Einzelheiten offengeblieben sind. Das überarbeitete Angebot der Beklagten vom 7. Januar 1994 hat die Klägerin nicht zufriedengestellt. Im Schreiben der Klägerin vom 7. Februar 1994 findet sich eine umfangreiche Liste von Beanstandungen, Änderungen und Ergänzungswünschen. Die Erörterung am 9. Februar 1994 hat lediglich eine Einigung darüber herbeigeführt, daß nicht weiter korrespondiert, sondern ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen werden solle.

Danach ist bis Mitte Februar 1994 ein Verhandlungsstand, der den Vertragsschluß für die Klägerin als sicher hätte erscheinen lassen können, nicht erreicht worden. Hieran hat sich bis Ende des Monats nichts geändert. Der von der Klägerin vorgelegte schriftliche Vertragstext ist von ihr als noch nicht endgültiger Entwurf angesehen worden; sie hat ihn nicht unterzeichnet. Auf die Änderungswünsche der Beklagten hat die Klägerin nicht geantwortet.

c) Nachdem bei der Klägerin ein von den Beklagten veranlaßtes berechtigtes Vertrauen, daß es mit Sicherheit zum Vertragsschluß kommen werde, nicht entstehen konnte, stand es den Beklagten frei, einen neuen Vorschlag ohne rechtliche Nachteile in die Vertragsverhandlungen einzuführen oder gegebenenfalls sich auch von den Vertragsverhandlungen zurückzuziehen. Ob sie einen besonderen, triftigen Grund dafür hatten, ist unbeachtlich.

III.

Das Berufungsurteil kann nicht aus anderen Gründen bestehenbleiben (§ 563 ZPO). Selbst wenn die Parteien mündlich einen Vertrag geschlossen haben sollten, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist zwischen den Parteien ein Werkvertrag nicht zustande gekommen. Davon unabhängig scheitere ein Schadensersatzanspruch nach § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB am Fehlen auch der weiteren Voraussetzungen. Dem Vortrag der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, daß die Beklagten in Verzug geraten seien und daß die Klägerin eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt habe. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei nicht entbehrlich gewesen. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten sei nicht festzustellen. Auch das Schreiben der Beklagten vom 1. März 1994 enthalte keine solche Weigerung, vielmehr die grundsätzliche Bereitschaft, den Auftrag erhalten und ausführen zu wollen.

2. Das ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Allerdings ist es im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts offen, ob die Parteien einen Vertrag geschlossen haben. Unstreitig hat es nach dem 13. Dezember 1993 keine Erklärungen oder sonstigen Vorgänge gegeben, die zu einem Vertragsschluß geführt hätten. Die Klägerin behauptet jedoch, in dem Telefongespräch am 13. Dezember 1993 zwischen dem Zeugen B. und dem früheren Geschäftsführer T. sei es zu einem mündlichen Vertragsschluß gekommen. Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, daß die Umstände sowie das Verhalten der Klägerin in den weiteren Verhandlungen nach dem 13. Dezember 1993 überwiegend gegen den behaupteten Vertragsschluß sprechen. Das ändert jedoch nichts daran, daß der von der Klägerin benannte Zeuge B. hätte gehört werden müssen, wenn es auf die Frage des Vertragsschlusses ankäme. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, daß die Parteien am 13. Dezember 1993 mündlich den seit längerem verhandelten Generalunternehmervertrag geschlossen haben, ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht begründet.

b) Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die Beklagten mit einer Leistung in Verzug geraten wären, zu der sie aufgrund des unterstellten Vertrages vom 13. Dezember 1993 verpflichtet waren.

c) Daß die Klägerin es unterlassen hat, eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zu setzen, ist unstreitig. Insbesondere das Schreiben der Klägerin vom 8. März 1994 enthält keine solche Erklärung.

d) Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war nicht ausnahmsweise entbehrlich. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten, die weitere Erklärungen von seiten der Klägerin als überflüssige Formalie hätten erscheinen lassen, ist nicht feststellbar. Diese tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch für das Schreiben der Beklagten vom 1. März 1994. Darin werden zwar vorsorglich alle bisherigen Angebote angefochten. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch unmißverständlich, daß die Beklagten weiterhin den Vertrag wünschten und allein eine Änderung des Kostenansatzes für die Position "Fenster" anstrebten. Ein endgültiges Abstandnehmen von einem als bereits abgeschlossen angesehenen Vertrag läßt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Das hat auch die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht anders verstanden, wie sich aus ihrem Schreiben vom 8. März 1994 ergibt. Darin hat sie ihren Standpunkt dargelegt und um Stellungnahme gebeten. Ihre Argumentation geht nicht von einem bereits abgeschlossenen Vertrag aus, sondern von einem als verbindlich angesehenen Angebot der Beklagten, das eventuell anzunehmen sei, um möglicherweise Rechte aus § 326 BGB geltend zu machen. Die Klägerin hat dann aber keinen dieser Schritte unternommen. Weder hat sie eine Annahme erklärt, noch hat sie Rechte aus einem Vertrag geltend gemacht. In einer derart kontroversen und unübersichtlichen Situation ist es erforderlich, durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung klare Verhältnisse zu schaffen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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