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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: VII ZR 399/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 633 Abs. 1
Die Eignung zum gewöhnlichen Gebrauch eines Ladenlokals ist nach allgemeiner, gewerblicher Verkehrssitte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu ermitteln, wobei es auf die örtlichen Gegebenheiten ankommen kann.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 399/99

Verkündet am: 5. Juli 2001

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2001 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Januar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Bauträgervertrages sowie die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung.

Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. Dezember 1994 Teileigentum sowie Sondereigentum an einem Stellplatz in einem noch zu errichtenden Wohn- und Gewerbekomplex zum Preis von 797.117 DM. Das Teileigentum war im Vertrag als Laden, im beigefügten Plan zur Teilungserklärung als Laden Nr. 1 bezeichnet. Nach der zur Teilungserklärung gehörenden Gemeinschaftsordnung sind die Teileigentumseinheiten "gewerblich, auch gastronomisch" nutzbar. Dem Kaufvertrag war als Anlage u.a. eine Grundrißskizze mit dem Vermerk "Laden Nr. 1, Einrichtungsvorschlag für ein Café" beigefügt. Die Bezugsfertigkeit war zum 1. November 1996 vereinbart. Wegen des Kaufpreises unterwarf sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde ohne Nachweis der Fälligkeit der Raten.

Der Kläger verweigerte am 21. Mai 1997 wegen behaupteter Mängel die Abnahme. Nach Auffassung des Berufungsgerichts setzte der Kläger der Beklagten Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung bis zum 20. Juni 1997. Die Beklagte beantragte erstmals Anfang September 1997 bei dem zuständigen Bauaufsichtsamt die Nutzung des Ladens Nr. 1 als Café. Die Genehmigung wurde ihr Ende Oktober 1997 für eine Nutzung als Café mit maximal vier Tischen mit je vier Sitzplätzen sowie mit vier Stehplätzen erteilt.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreisteils in Höhe von 601.823 DM sowie die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung wegen der nach Beendigung der Schreiner- und Glaserarbeiten fälligen Rate. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Laden zur gastronomischen Nutzung mangelfrei errichtet hat. Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Der Kläger rügt erstmals in der Revision, der Vertrag vom 28. Dezember 1994 sei mangels ordnungsgemäßer Beurkundung nichtig. Dazu trägt er vor, in der Baubeschreibung, die der in den Vertrag einbezogenen Teilungserklärung beigefügt war, sei auf ein "zu beachtendes Bodengutachten des Büros P." hingewiesen worden. Das Bodengutachten habe bei der Beurkundung des Vertrages nicht vorgelegen. Wegen dieses Beurkundungsmangels sei der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt worden, ihm, dem Kläger, das näher bezeichnete, im Grundbuch eingetragene Teileigentum zu übertragen. Im Hauptsacheverfahren habe das Landgericht zur Frage der Nichtigkeit des Vertrages ausgeführt, der vorliegende Rechtsstreit sei insoweit vorrangig.

2. Der Senat darf über diesen Streitpunkt nicht befinden (§ 561 Abs. 1 ZPO). Es liegen zwar der Erwerbervertrag der Parteien sowie einzelne Anlagen dazu vor. Das in der Baubeschreibung in Bezug genommene Bodengutachten fehlt allerdings. Sein im Revisionsverfahren vorgetragener Inhalt ist als neuer Sachvortrag unbeachtlich, so daß der Senat die Frage des Umfangs der notwendigen Beurkundung nicht beurteilen kann.

II.

1. Das Berufungsgericht legt den Vertrag anhand der vorgelegten Korrespondenz dahin aus, daß die Parteien allenfalls eine geringere gastronomische Nutzung des Ladens als Café, Bistro oder Eisdiele als den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch gemeinschaftlich gewollt hätten. Die Behauptung des Klägers, es sei eine gastronomische Nutzung zur Verabreichung auch warmer Speisen in größerem Umfang vereinbart worden, werde durch die vorgelegte Korrespondenz und den vom Kläger vorgetragenen Gang der Vertragsverhandlungen nicht gedeckt. Der Umfang der Nutzung ergebe sich ohnehin daraus, daß der Laden nach der Teilungserklärung insgesamt nur 103,4 qm groß sei.

2. Der Senat hat die Rügen der Revision, bei zutreffender Auslegung des Vertrages habe die Beklagte ein Lokal für eine vollgastronomische Nutzung geschuldet, geprüft und sie nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).

III.

1. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 635 BGB. Der Kläger habe mit Schreiben vom 6. Juni 1997 konkrete Mängel gerügt und die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 20. Juni 1997 ohne Erfolg zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Die Beklagte habe den verkauften Laden jedoch zur gastronomischen Nutzung als Café, Bistro oder Eisdiele mangelfrei errichtet. Dies gelte auch, soweit das Bauaufsichtsamt Ende Oktober 1997 die Nutzung des Ladens als Café nur unter Auflagen genehmigt habe. Die Beschränkung auf 20 Gastplätze sei kein Mangel, da die Parteien zum Nutzungsumfang nichts vereinbart hätten. Die nach Vertragsschluß erörterten Möglichkeiten von 40 oder 36 Gastplätzen seien Wunschvorstellungen des Klägers gewesen, zu denen die Beklagte lediglich Stellung genommen habe.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.

a) Das Schreiben des Klägers vom 6. Juni 1997 enthält keine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung, sondern nur die Aufforderung, bis zum 20. Juni 1997 die Bereitschaft hierzu zu erklären. Eine solche Aufforderung genügt den Voraussetzungen des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht (BGH, Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98, BGHZ 142, 278).

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine Fristsetzung jedoch entbehrlich, um den Vertrag in ein Abwicklungsverhältnis umzuwandeln. Denn die Beseitigung des vom Kläger gerügten Mangels der zu geringen Nutzbarkeit des Ladens ist nicht möglich (§ 634 Abs. 2 BGB). Ob darüber hinaus nach dem Vortrag des Klägers in dem Verhalten der Beklagten eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegt, kann danach offen bleiben.

b) Der Kläger hat eine zu geringe Nutzbarkeit des Ladens als Café und damit einen Fehler des Werkes schlüssig vorgetragen.

Nach § 633 Abs. 1 BGB darf ein Werk nicht mit Fehlern behaftet sein, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die Parteien eine bestimmte Zahl von Gastplätzen, die für den Gebrauch eines Lokals als Café ein bedeutsames Kriterium ist, nicht vereinbart und auch nicht einverständlich vorausgesetzt. Es erörtert jedoch nicht die Frage, ob der Laden mit den höchstens genehmigten 20 Gastplätzen zum gewöhnlichen Gebrauch als Café geeignet ist. Die Eignung ist nach allgemeiner, gewerblicher Verkehrssitte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu ermitteln, wobei es auf die örtlichen Gegebenheiten ankommen kann. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob allgemein anerkannte Standards zur Relation von Gastraumgrundfläche zur Gastzahl bestehen. Soweit in einzelnen Bundesländern geregelt ist, daß bei Tischplätzen mit 1 qm, bei Stehplätzen mit 0,5 qm je Gast zu rechnen ist (z.B. § 20 Abs. 3 GastBau VO NW - GV NW 1984 S. 4), lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf die gewöhnliche Gastplatzzahl eines Lokals ziehen. Die Regelung bestimmt allein die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an Gasträume.

Sollte ein bestimmter Standard nicht feststellbar sein, so kommt bei einem Gewerbeobjekt auch eine wirtschaftliche Beurteilung in Betracht. Wesentlicher Anhaltspunkt hierfür ist seine Rentabilität. Der Kläger hat dazu vorgetragen, ein Café mit maximal 20 Gastplätzen sei unrentabel. Diesem Vortrag wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Gegebenenfalls wird es Feststellungen zu den weiteren, von der Revision gerügten Mängeln zu treffen haben.

IV.

1. Das Berufungsgericht führt aus, der Antrag des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären, sei unbegründet. Der Kläger handele treuwidrig, wenn er sich unter Hinweis auf die nach Schluß der mündlichen Verhandlung bekannt gewordene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 29. Oktober 1998 - VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387) auf die Nichtigkeit der Klausel berufe. Unbeschadet der Nichtigkeit der vereinbarten unbeschränkten Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung stehe der Beklagten die streitgegenständliche Rate aus materiellen Gründen zu. Die Beklagte hätte deshalb ihre auf Zahlung der vollstreckbaren Kaufpreisrate gerichtete Hilfswiderklage im Wege der Anschlußberufung weiterverfolgen können, wenn ihr die Entscheidung des Bundesgerichtshofes rechtzeitig bekannt geworden wäre. Es sei prozeßunökonomisch, wenn der Kläger aus der nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil ziehen könne.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Sollte der Vertrag der Parteien formnichtig oder wegen eines nicht behebbaren Mangels in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt worden sein, so hat die Vollstreckungsgegenklage schon aus diesen Gründen Erfolg.

b) Soweit das Berufungsgericht das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus der Unterwerfungserklärung wegen Nichtigkeit der Klausel für unzulässig zu erklären, zurückweist, ist das rechtsfehlerhaft. Damit hat der Kläger nach Schluß der mündlichen Verhandlung einen neuen Streitgegenstand in den Prozeß eingeführt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229, 236). Darüber durfte das Berufungsgericht ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht entscheiden.

Vorsorglich weist der Senat für die erneute mündliche Verhandlung des Berufungsgerichts darauf hin, daß das Berufungsgericht dem Kläger zu Unrecht treuwidriges Verhalten vorwirft. Die Prozeßökonomie gebietet diese Beurteilung nicht. Die Beklagte wollte von Anfang an aufgrund einer nichtigen Unterwerfungsklausel vollstrecken; ein solches Recht stand ihr nicht zu.

Ende der Entscheidung

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