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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.09.1999
Aktenzeichen: VII ZR 456/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 634 Abs. 1
BGB § 634 Abs. 1

a) Nach Ablauf der gemäß § 634 Abs. 1 BGB vor Abnahme wirksam gesetzten Frist wird das Vertragsverhältnis in das Abwicklungsverhältnis umgewandelt, wenn der Unternehmer die gerügten Mängel nicht bis Fristablauf beseitigt hat. Mit der Umwandlung wird der Werklohn des Unternehmers fällig.

b) Die Aufforderung des Bestellers, der Unternehmer möge die Mängel beseitigen und innerhalb einer Frist erklären, ob und in welchem Umfang er zur Mängelbeseitigung bereit sei, genügt den Voraussetzungen des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht.

c) Ist eine Fristsetzung deshalb entbehrlich, weil der Unternehmer die Mängelbeseitigung nachhaltig und endgültig verweigert, treten die Rechtsfolgen des § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB erst dann ein, wenn der Besteller sich für die sekundären Gewährleistungsansprüche entschieden und dem Unternehmer seine Entscheidung mitgeteilt hat.

BGH, Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98 - OLG Schleswig LG Lübeck


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 456/98

Verkündet am: 16. September 1999

Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann und Dr. Wiebel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. November 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten Vergütung für ausgeführte Metallbauarbeiten in Höhe von 52.581,69 DM nebst Zinsen. Der Beklagte verteidigt sich vorrangig mit der Einrede der Verjährung.

II.

Im Juni 1992 erteilte der Beklagte dem Kläger den Auftrag, an den 16 Balkonen der drei Mietshäuser in Bad S. neue Balkongeländer nebst Verkleidung anzubringen. Nach Abschluß der Arbeiten verlangte der Kläger mit Rechnung vom 14. Dezember 1992 insgesamt 65.166,69 DM. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 beanstandete der Beklagte die Arbeiten des Klägers und verweigerte die Zahlung sowie die Abnahme der Werkleistung. Durch Schreiben seines Rechtsanwalts vom 26. Januar 1993 übersandte er dem Kläger das Mängelgutachten des von ihm beauftragten Architekten. In dem Schreiben wurde der Kläger zur Beseitigung der Mängel aufgefordert und gebeten, sich bis zum 10. Februar 1993 darüber zu äußern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bereit sei, die vorhandenen Mängel zu beseitigen; für den Fall, daß die Frist erfolglos ablaufen sollte, lehnte er, der Beklagte, die Nachbesserung ab.

Der Kläger äußerte sich nicht. Mit der am 10. Februar 1993 eingereichten Klage verlangte er die Abnahme seiner Werkleistung und Zahlung der Vergütung. Diese Klage nahm er später zurück.

Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 21. September 1994 forderte der Beklagte den Kläger zur Mängelbeseitigung bis zum 30. Oktober 1994 auf und erklärte, nach erfolglosem Fristablauf werde er die Leistungen des Klägers ablehnen. Der Kläger führte keine Arbeiten aus. Er hat am 21. Dezember 1996 die Klage auf Zahlung von 52.581,69 DM nebst Zinsen erhoben.

III.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vergütungsanspruch des Klägers sei verjährt.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen,

"ob bei Erhebung einer Zahlungsklage als Antwort auf die Fristsetzung zur Rückäußerung über die Bereitschaft zur Mängelbeseitigung die Rechtswirkung des § 634 Abs. 1 BGB angenommen werden könne."

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision des Klägers hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Verjährung der Vergütungsforderung des Klägers wie folgt begründet:

a) Die Vergütungsforderung des Klägers sei mit Ablauf des 10. Februar 1993 fällig geworden, weil das Erfüllungsverhältnis sich gemäß § 634 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 634 Abs. 2 BGB in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt habe. Die dem Kläger bis zum 10. Februar 1993 gesetzte Frist zur Rückäußerung erfülle nicht die Voraussetzung des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB, sie sei jedoch rechtlich nicht wirkungslos. Der Unternehmer sei nach Treu und Glauben gehalten, auf eine derartige Aufforderung zu reagieren. Die Reaktion des Klägers, die Erhebung der Klage auf Abnahme und Zahlung der Vergütung, habe der Beklagte nur als endgültige Weigerung, die Mängel zu beseitigen, verstehen können. Die auf Abnahme und Zahlung gerichtete Klage sei die nachhaltigste Verweigerung der Nachbesserung.

b) Der Vergütungsanspruch des Klägers sei gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt. Maßgeblich sei die zweijährige Verjährungsfrist, weil der Kläger seine Leistung nicht für den Gewerbebetrieb des Beklagten erbracht habe. Das Mietshausgrundstück sei nicht dem Dachdeckergewerke des Beklagten zuzurechnen, weil der Beklagte das Mietsgrundstück als Kapitalanlage für seine Alterssicherung erworben habe. Die Klage habe die Verjährungsfrist nicht mehr unterbrechen können, weil sie erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht worden sei.

2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Fälligkeit und damit zum Beginn der Verjährungsfrist halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Vergütungsforderung ist nicht verjährt. Sie ist nicht zum 10. Februar 1993 fällig geworden, weil das Vertragsverhältnis sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt hatte. Die Erklärung des Beklagten war nicht geeignet, die Umwandlung des Vertragsverhältnisses nach § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB herbeizuführen.

(1) Die in § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB angeordnete Rechtsfolge führt dazu, daß das vertragliche Erfüllungsverhältnis auch vor der Abnahme in das Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird. Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses bewirkt, daß der Erfüllungsanspruch des Bestellers sowie die Vorleistungspflicht des Unternehmers und dessen Nachbesserungsrecht entfällt (BGH, Urteil vom 23. November 1978 - VII ZR 29/78, NJW 1979, 549 = BauR 1979, 152; Thode, ZfBR 1999, 116, 119). Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses hat mittelbar zur Folge, daß die Werklohnforderung des Unternehmers auch ohne Abnahme fällig wird (BGH, Urteil vom 23. November 1978 - VII ZR 29/78 aaO).

Die Rechtsfolgen des § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB sind nicht eingetreten, weil es an einer nach § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Erklärung des Bestellers fehlt. Eine Erklärung i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nur vor, wenn der Besteller den Unternehmer auffordert, die Mängel innerhalb der gesetzten Frist zu beseitigen und ankündigt, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Nachbesserung ablehne. Diesen Anforderungen genügt die Erklärung des Beklagten nicht. Er hat die Frist nur zur Beseitigung der Mängel gesetzt und den Kläger lediglich dazu aufgefordert, innerhalb der Frist zu erklären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bereit sei, die gerügten Mängel zu beseitigen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus der nachfolgenden Reaktion des Klägers als Unternehmer sei zu folgern, daß das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis übergegangen sei, ist nicht zutreffend.

(2) Fehlt es an einer eindeutigen Erklärung des Bestellers i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB, können die Rechtsfolgen des § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht eintreten.

Die Fristsetzung unter Ablehnungsandrohung soll den Unternehmer zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anhalten und ihm das Risiko vor Augen führen, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist sein Recht verliert, das Werk nachzubessern. Die Erklärung des Bestellers muß dem Unternehmer unmißverständlich verdeutlichen, daß er entscheiden muß, ob er die Folgen einer Verweigerung der Nachbesserung auf sich nehmen oder ob er sie durch eine fristgerechte Nachbesserung abwenden will (BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 - VII ZR 210/82, BauR 1983, 258 = ZfBR 1983, 123; Urteil vom 28. März 1995 - X ZR 71/93, NJW-RR 1995, 939). Das Erfordernis einer eindeutigen Aufforderung zur fristgerechten Beseitigung der gerügten Mängel und einer Ablehnungsandrohung dient zugleich dem Interesse des Bestellers. Ihm soll bewußt werden, daß er aufgrund einer derartigen Erklärung das verschuldensunabhängige Nachbesserungsrecht verlieren kann (§ 634 Abs. 1 Satz 3 BGB).

(3) Dem Erfordernis einer klaren und unmißverständlichen Aufforderung zur Mängelbeseitigung innerhalb der gesetzten Frist mit einer Ablehnungsandrohung genügt die Aufforderung des Beklagten nicht, der Kläger möge sich zu seiner Erfüllungsbereitschaft äußern. Die Reaktion des Unternehmers auf ein derartiges Aufforderungsschreiben ist im Rahmen des § 634 Abs. 1 BGB unerheblich, sie ist lediglich von Bedeutung für die Frage, ob der Unternehmer die Nachbesserung i.S.d. § 634 Abs. 2 BGB nachhaltig verweigert hat (Staudinger/Peters (1994) § 634 Rdn. 17 Abs. 2).

b) Der Vergütungsanspruch des Klägers ist auch nicht aus anderen Gründen bereits im Februar 1993 fällig geworden.

Nach § 634 Abs. 2 BGB ist eine Fristsetzung für die Mängelbeseitigung unter anderem dann nicht erforderlich, wenn der Unternehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft verweigert. Hat der Unternehmer die Nachbesserung nachhaltig verweigert, dann wird der Werkvertrag nicht ohne weiteres vom Erfüllungsstadium in das Stadium der Abrechnung und der sekundären Gewährleistungsrechte des Bestellers übergeleitet (Staudinger/Peters (1994) § 634 Rdn. 24). Der Unternehmer verliert nicht sein Nachbesserungsrecht, die Vergütung wird nicht fällig. Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses mit ihren Rechtsfolgen in das Stadium der sekundären Gewährleistungsansprüche tritt nicht durch das Verhalten des Unternehmers ein, sondern erst durch das Verhalten des Bestellers. Er muß, wenn der Unternehmer die Nachbesserung nachhaltig verweigert hat, sein Wahlrecht ausüben, ob er Nachbesserung oder sekundäre Gewährleistungsansprüche geltend machen will, und seine Entscheidung dem Unternehmer mitteilen (BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - VII ZR 352/89, ZfBR 1990, 275 = BauR 1990, 725; Staudinger/Peters (1994) § 634 Rdn. 24).

c) Das Vertragsverhältnis wurde erst in das Stadium der sekundären Gewährleistungsansprüche umgewandelt als die Frist abgelaufen war, die der Beklagte in seinem Schreiben vom 21. September 1994 zur Beseitigung der Mängel und der damit verbundenen Ablehnungsandrohung gesetzt hatte. Da die Vergütungsforderung des Klägers erst am 31. Oktober 1994 fällig geworden ist, war die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Erhebung der Klage nicht abgelaufen.

Ende der Entscheidung

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