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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: VII ZR 58/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 5
a) Erklärt der Kläger im Prozess hilfsweise die Aufrechnung gegenüber einer Forderung des Beklagten, die dieser primär zur Aufrechnung gegen die Klageforderung gestellt hat, kann dies die Verjährung der Gegenforderung des Klägers hemmen.

b) Macht der Schuldner einer abgetretenen Forderung gegenüber dem Zessionar die Aufrechnung mit einer ihm gegen den Zedenten zustehenden Forderung prozessual geltend, tritt die Hemmung der Verjährung gegenüber dem Zedenten ein.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

VII ZR 58/07

Verkündet am: 10. April 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Dr. Kuffer, Bauner, Dr. Eick und Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Februar 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der Beklagten Rückzahlung von Zahlungen, die diese unter Verstoß gegen die Makler- und Bauträgerverordnung entgegengenommen hat, sowie Schadensersatz wegen der verspäteten Stellung einer Bürgschaft.

Die Parteien schlossen am 16. Dezember 1998 einen Vertrag "über den Kauf eines Wohnungseigentumsrechts mit Sanierungs- und Modernisierungsverpflichtung des Verkäufers (Bauträgervertrag)". Den Kaufpreis hatten die Kläger ratenweise nach Baufortschritt zu entrichten. Abweichend hiervon konnte die Beklagte gegen Stellung einer § 7 MaBV entsprechenden Bürgschaft sofortige Zahlung verlangen. Die Kläger durften ihrerseits Zahlungen auf die Kaufpreisraten ohne Vorliegen der sonstigen Fälligkeitsvoraussetzungen leisten, wofür die Beklagte ihnen eine Bürgschaft entsprechend § 7 MaBV zu stellen hatte.

Da die Kläger für das Jahr 1998 Steuervergünstigungen nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch nehmen wollten, verlangten sie die Stellung einer Bürgschaft. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1998 kündigte die Beklagte an, den Klägern im Laufe des Monats Januar 1999 eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV gegen Rückgabe der bereits vorliegenden Anzahlungsbürgschaften vom 23. Dezember 1998 zu stellen.

Da die Bürgschaft nicht einging, forderte der Kläger zu 2, auch als Rechtsanwalt für die Klägerin zu 1, mit Schreiben vom 15. Februar 1999 die Beklagte zur Vorlage der versprochenen Bürgschaft auf. Am 6. Mai 1999 wurde die entsprechende Bürgschaft ausgestellt.

Da die Finanzbehörden zunächst die steuerliche Anerkennung der Sonderabschreibung aufgrund der 1998 geleisteten Zahlung verweigerten, beauftragten die Kläger einen Steuerberater.

In einem vor dem Landgericht P. und dem B. Oberlandesgericht geführten Rechtsstreit machten die Kläger Zahlungsansprüche gegen die I. GmbH geltend. Deren Geschäftsführer und Geschäftssitz sind mit denen der Beklagten identisch. Gegen die Klage verteidigte sich die I. GmbH durch Aufrechnung mit einer ihr aus abgetretenem Recht zustehenden angeblichen Forderung der Beklagten gegen die Kläger. Diese erklärten ihrerseits hilfsweise gegenüber der zur Aufrechnung gestellten Forderung mit Schriftsatz vom 15. Juni 2003 die Aufrechnung mit den nunmehr verfolgten Ansprüchen. Die Klage hatte Erfolg, ohne dass über die Hilfsaufrechnung der Kläger entschieden wurde.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 2.145,02 € nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren ursprünglichen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die maßgebende Verjährungsfrist von drei Jahren sei abgelaufen. Die Forderungen seien verjährt, weil sie vor dem 1. Januar 2002 entstanden seien, die Klage aber erst am 22. Dezember 2005 bei Gericht eingereicht worden sei. Die Kläger hätten nicht substantiiert vorgetragen, dass sie von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erst nach dem 1. Januar 2002 Kenntnis erlangt hätten oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätten erlangen müssen. Durch die hilfsweise Aufrechnung der Kläger mit den streitgegenständlichen Forderungen im Rechtsstreit vor dem Landgericht P. sei die Verjährung nicht gehemmt worden, da sie nicht dem richtigen Schuldner gegenüber erfolgt sei. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei auch nicht treuwidrig.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n.F. zugrunde zu legen ist und am 1. Januar 2002 zu laufen begann.

a) Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht unterlagen die Klageansprüche der dreißigjährigen Verjährung. Mithin ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so dass gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die kürzere Frist vom 1. Januar 2002 an berechnet wird.

b) Richtet sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, so ist der Fristbeginn in Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu berechnen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06, BauR 2008, 351 = NZBau 2008, 113 = ZfBR 2008, 163; Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1; Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 218/06, BauR 2007, 1044, 1046). Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass dies am 1. Januar 2002 der Fall war.

Für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis der Kläger gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist allerdings die Beklagte als Schuldnerin darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1). Die Kläger stützen ihren Anspruch jedoch auf Umstände, die sämtlich in ihrem unmittelbaren Wahrnehmungsbereich lagen und ihnen daher ohne weiteres bekannt waren. Insbesondere von der Person ihres Vertragspartners und damit dem Anspruchsgegner hatten sie im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung Kenntnis. Zweifel konnten sie insoweit nicht etwa deswegen haben, weil die I. GmbH im Prozess vor dem Landgericht P. gegen die Gegenseitigkeit der dort hilfsweise von den Klägern zur Aufrechnung gestellten Forderung keine Einwände erhob; solche waren ohnehin wegen § 406 BGB ausgeschlossen. Unter diesen Umständen bedurfte es keines weiteren Vortrags und Beweisantritts der Beklagten zum Beginn der Verjährung.

2. Die Verjährung wurde durch die hilfsweise erklärte Gegenaufrechnung mit Schriftsatz der Kläger vom 15. Juni 2003 in dem Verfahren vor dem Landgericht P. gehemmt.

a) Die hemmende Wirkung ist der Gegenaufrechnung nicht deshalb abzusprechen, weil eine gerichtliche Entscheidung in dem Prozess vor dem Landgericht P. von vornherein nicht in Betracht kam.

aa) Die hilfsweise erklärte Gegenaufrechnung der Kläger konnte unter keinen Umständen für die Entscheidung des Rechtsstreits vor dem Landgericht P. erheblich sein. Hätte nämlich die von der I. GmbH zur Aufrechnung gestellte Forderung zunächst aufrechenbar bestanden, wäre sie durch diese (Primär-)Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen, bevor die hilfsweise Gegenaufrechnung ihrerseits hätte Wirkung entfalten können. Diese wäre mithin ins Leere gegangen.

bb) Die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB setzt nicht voraus, dass über die Aufrechnung überhaupt eine gerichtliche Entscheidung in Betracht kommt (a.A. OLG Köln, NJW-RR 1989, 1079, 1080; dem folgend, jedoch ohne weitere Begründung: MünchKommBGB/Grothe, 5. Auflage, § 204 Rdn. 37; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Auflage, § 209 Rdn. 24; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 204 Rdn. 20; Lakkis in: jurisPK-BGB, 3. Auflage 2007, § 204 Rdn. 52).

Grund für den Eintritt der Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB ist, dass der Gläubiger, der die Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt, dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden (BGH, Urteil vom 26. März 1981 - VII ZR 160/80, BGHZ 80, 222, 226). Dementsprechend wird die Verjährung auch durch die unzulässige Klage (BGH, Urteil vom 26. März 1981 - VII ZR 160/80, aaO) und die unzulässige Aufrechnung (BGH, Urteil vom 24. März 1982 - IV ZR 303/80, BGHZ 83, 260, 271) gehemmt. Nichts anderes hat zu gelten, wenn über die Aufrechnungsforderung aus anderen als aus Zulässigkeitsgründen von vornherein nicht materiell-rechtlich entschieden werden kann. Denn auch dann zeigt der Gläubiger in der vom Gesetz geforderten nachhaltigen Weise seinen Rechtsverfolgungswillen, da er bei Geltendmachung der Gegenaufrechnung ersichtlich, wenn auch fälschlich, davon ausgeht, dass eine Entscheidung über seine Forderung ergehen kann.

b) Der Aufrechnung bleibt die verjährungshemmende Wirkung auch nicht deshalb versagt, weil sie nicht der Beklagten gegenüber geltend gemacht wurde.

aa) Eine Hemmung der Verjährung kann grundsätzlich nur eintreten, wenn die Klageerhebung bzw. die Aufrechnung gegenüber dem richtigen Schuldner erfolgt ist, da es sonst an einer ihn warnenden Wirkung fehlt (BGH, Urteil vom 26. März 1981 - VII ZR 160/80, BGHZ 80, 222, 226). Der Zessionar ist materiellrechtlich nicht der Schuldner der zur Aufrechnung gestellten Forderung. Die ihm gegenüber erklärte Aufrechnung "warnt" insoweit nicht unmittelbar den richtigen Schuldner.

bb) Jedoch wird der Zessionar durch § 406 BGB, was die Aufrechnung angeht, dem richtigen Schuldner gleichgestellt. Das wirkt sich auch auf die Hemmung der Verjährung dieser Forderung mit der Wirkung aus, dass diese gegenüber dem Zedenten als richtigem Schuldner eintritt.

(1) § 406 BGB ist Teil der Schutzvorschriften der §§ 404 ff. BGB, die dem Zweck dienen, eine Verschlechterung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners infolge der Forderungsabtretung zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03, NJW 2006, 219 = MDR 2006, 562). Der Schuldner soll gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt werden, als er gegenüber dem alten Gläubiger stand (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2002 - VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865 = MDR 2002, 1299). Darüber hinaus ist den Schutzvorschriften der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der Schuldner grundsätzlich vor allen Nachteilen, die ihm durch die Abtretung entstehen können, geschützt werden soll. Zwar ordnet § 406 BGB diesen Schutz unmittelbar nur im Verhältnis zum neuen Gläubiger an. Eine Verschlechterung der Position des Schuldners muss aber erst recht im Verhältnis zum bisherigen Gläubiger vermieden werden, der durch die auf seiner eigenen Entscheidung beruhende und ohne Mitwirkung des Schuldners vorgenommene Zession die Veränderung in den Rechtsbeziehungen der Beteiligten herbeigeführt und den Zessionar in das Geflecht dieser Rechtsbeziehungen mit einbezogen hat.

Der Zedent weiß von der gegen ihn bestehenden Gegenforderung des Schuldners und muss damit rechnen, dass sich der Schuldner durch Aufrechnung gegen die abgetretene Forderung dem Zessionar gegenüber in derselben Weise verteidigen wird, wie er dies dem Zedenten gegenüber getan hätte. Diese Verteidigungsmöglichkeit darf, das ist dem Rechtsgedanken eines umfassenden Schuldnerschutzes mit Deutlichkeit zu entnehmen, in all ihren Rechtswirkungen nicht durch die Zession beeinträchtigt werden. Der Zedent muss es daher hinnehmen, dass der Schuldner durch die ihm in § 406 BGB gesicherte Aufrechnungsmöglichkeit durch deren Ausübung gegenüber dem Zessionar Rechtswirkungen herbeiführt, die ebenso im Verhältnis zum Zedenten wirken, selbst wenn dieser davon nicht unmittelbar erfährt. Dies gilt auch für die auf § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB beruhende Verjährungshemmung. Insoweit muss der Zedent die gegenüber dem Zessionar herbeigeführte "Warnwirkung" der Aufrechnungserklärung mit der Folge der Hemmung der Verjährung der zur Aufrechnung gestellten Forderung gegen sich gelten lassen.

(2) Damit wird nicht in einer dem Verjährungsrecht widersprechenden Weise in die Rechtsposition des Zedenten als Schuldner der Gegenforderung eingegriffen. Wie bereits ausgeführt, wird die dargestellte rechtliche Situation der Beteiligten durch die Entscheidung des Zedenten herbeigeführt, den Zessionar in das Geflecht der zwischen ihm und dem Schuldner der abgetretenen Forderung bestehenden Rechtsbeziehungen einzubeziehen. Dabei wird im Hinblick auf das der Abtretung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Zessionar regelmäßig und typischerweise damit zu rechnen sein, dass sich der Zessionar, dem gegenüber der Schuldner unter Berufung auf § 406 BGB die Aufrechnung erklärt, seinerseits an den Zedenten wendet und diesen von der Aufrechnung in Kenntnis setzt, um Klarheit über diese Aufrechnungsforderung zu gewinnen und nach Verteidigungsmöglichkeiten zu suchen. Im Übrigen ist es dem Zedenten unbenommen, dem Zessionar dahingehende Informationspflichten vertraglich aufzuerlegen.

Andererseits würde die Versagung der Verjährungshemmung bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung den Gläubiger der Aufrechnungsforderung in gravierender Weise entgegen dem Rechtsschutzgedanken der §§ 404 ff. BGB in seinen berechtigten Interessen als Schuldner der abgetretenen Forderung beeinträchtigen. Er wäre gezwungen, neben der im Prozess gegen den Zessionar hilfsweise erklärten Aufrechnung zugleich auch gegen den Zedenten ein gerichtliches Verfahren wegen derselben Forderung einzuleiten, nur um eine Verjährungshemmung diesem gegenüber herbeizuführen. Er müsste mit Kostenaufwand ein weiteres Verfahren in Gang setzen, das gegebenenfalls alsbald bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Aufrechnung auszusetzen wäre. Dies liefe der Zielsetzung des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB zuwider, der für eine solche Fallkonstellation vermeiden will, dass ein weiterer Prozess über dieselbe Forderung geführt werden muss, der sich möglicherweise dadurch erledigt, dass über den zur Aufrechnung gestellten Anspruch im Verfahren gegen den Zessionar bereits entschieden wird.

Ende der Entscheidung

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