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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: VII ZR 70/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 278
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 a Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 70/01

Verkündet am: 18. April 2002

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Bauner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 16. Januar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht unter entsprechender Abänderung des Urteils der 1. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 27. April 2000 die Klage in Höhe von 67.868,55 DM und 4 % Zinsen hierauf seit dem 11. Februar 1995 abgewiesen hat.

Die Berufung der Beklagten gegen das genannte Urteil des Landgerichts Meiningen wird in Höhe weiterer 67.868,55 DM und 4 % Zinsen hierauf seit dem 11. Februar 1995 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits im Verfahren der ersten Instanz trägt die Klägerin 15 %, die Beklagte trägt 85 %; die Kosten der Streithelferin der Klägerin trägt die Beklagte zu 85 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 19 % und die Beklagte 81 %; die Kosten der Streithelferin der Klägerin trägt die Beklagte zu 81 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Klägerin trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen umfangreicher Wasserverluste aus einer undichten Leitung.

Die Beklagte hat im Betriebsgebäude der Klägerin Wasserleitungen und Sanitäranlagen installiert. Sie hat ferner die im Jahr zuvor von der Streithelferin der Klägerin über das Betriebsgelände verlegte Hauptleitung für das Wasser an die Hausleitungen und den Hauptanschluß angeschlossen. In die nach Fertigstellung erforderliche Druckprüfung hat die Beklagte nur die Hausleitungen einbezogen, dagegen nicht die Hauptleitung.

Die Hauptleitung war mangelhaft. Die Streithelferin hatte eine Verbindungsmuffe nur von Hand festgeschraubt, weil sie den erforderlichen Spezialschlüssel nicht besaß. Das hatte sie zwar dem Architekten der Klägerin mitgeteilt. Dessen Aufforderung, sich den Schlüssel zu besorgen, ist sie aber nicht nachgekommen.

Wegen der unzulänglichen Verschraubung ist Wasser ausgetreten und im Erdreich versickert. Der Schaden ist mangels Druckprüfung erst mehr als ein Jahr später entdeckt worden, nachdem das Wasserwerk rund 197.000 DM für verbrauchtes Wasser in Rechnung gestellt hatte.

Die Klägerin hat ihre zunächst eingeklagte Forderung von 220.588,40 DM auf 125.741,33 DM ermäßigt, nachdem das Wasserwerk seinerseits der Klägerin entgegengekommen war. In Höhe der Differenz haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 125.741,33 DM und Zinsen zu bezahlen.

Das Berufungsgericht hat den Schaden mit insgesamt 101.802,83 DM berechnet. Unter Anrechnung eines Mitverschuldens der Klägerin in Höhe von 2/3 hat es die Verurteilung der Beklagten entsprechend auf 33.934,28 DM beschränkt.

Die Revision der Klägerin wendet sich gegen die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin und strebt die Aufhebung des Berufungsurteils an, soweit die Berufung der Beklagten in Höhe von 67.868,55 DM und Zinsen Erfolg gehabt hat und die Klage insoweit abgewiesen worden ist. Die Anschlußrevision hat der Senat nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt über den vom Berufungsgericht bereits zuerkannten Betrag hinaus zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils in Höhe weiterer 67.868,55 DM und Zinsen.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts trägt die Klägerin ein Mitverschulden an der Verursachung des Schadens in Höhe von zwei Dritteln. Ihr bauleitender Architekt M. habe gewußt, daß die Streithelferin der Klägerin die Verbindungsmuffe an der Hauptleitung nur von Hand festgeschraubt habe. Er habe eine Überprüfung unterlassen, ob die Muffe entsprechend seiner Weisung ordnungsgemäß festgezogen worden ist. Dieses Unterlassen ihres Architekten müsse sich die Klägerin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

II.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Ein Mitverschulden der Klägerin kommt nicht in Betracht. Die Klägerin muß für das vom Berufungsgericht festgestellte Verhalten ihres Architekten nicht gegenüber der Beklagten einstehen.

1. Ein Architekt kann gegenüber einem Auftragnehmer Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers sein, soweit es darum geht, Vertragspflichten nachzukommen, welche der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer hat. Das kann etwa bei Planungsleistungen der Fall sein. Soweit dagegen der Auftraggeber dem Auftragnehmer nichts schuldet, kann ein Architekt des Auftraggebers auch nicht dessen Erfüllungsgehilfe sein; eine Haftung des Auftraggebers gemäß § 278 BGB ist dann ausgeschlossen.

Dementsprechend kann der Auftragnehmer bei eigener mangelhafter Leistung dem Auftraggeber nicht entgegenhalten, der Architekt habe seine Pflicht zur Bauaufsicht verletzt. Das gilt auch hinsichtlich der Bauaufsicht gegenüber einem Vorunternehmer. Der Auftraggeber schuldet dem Auftragnehmer keine Aufsicht, so daß der Architekt insoweit auch nicht Erfüllungsgehilfe ist (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 6. Mai 1982 - VII ZR 172/81, BauR 1982, 514, 516; Einzelnachweise bei Kleine-Möller/Merl/Oelmeier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl. Rdn. 815; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl. Rdn. 2458).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Architekt der Klägerin die Bauaufsicht bei der Herstellung der Hauptwasserleitung wahrgenommen. Hierbei hat er die Kontrolle unterlassen, ob der ihm bekannt gewordene Fehler bei der Verlegung der Hauptleitung behoben worden ist. Die Beklagte kann sich hierauf gegenüber der Klägerin nicht berufen. Der Architekt hat mit der von ihm der Klägerin geschuldeten Bauaufsicht nicht in Erfüllung einer Vertragspflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten gehandelt. Dann kann die Beklagte auch nicht die Klägerin wegen einer Haftung für den Architekten als Erfüllungsgehilfen in Anspruch nehmen. Die von der Beklagten in der Revisionserwiderung geltend gemachte, der Klägerin zuzurechnende Verletzung einer Koordinierungspflicht liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1, § 92 Abs. 1, § 91 a Abs. 1, § 97 Abs. 1 und § 101 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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