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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: VIII ZB 116/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 170 Abs. 2 a.F.
ZPO § 317 Abs. 1
ZPO § 317 Abs. 4
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 575
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 116/05

vom 28. November 2006

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 34. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 31. Oktober 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 2.447 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat gegen das am 20. Oktober 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts, durch das seine Klage abgewiesen worden ist, mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten am 29. Oktober 2004 beim Landgericht Berufung eingelegt. Das Urteil, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 2005 zugegangen ist, besteht aus insgesamt sieben gehefteten Seiten. Die ersten beiden Seiten aus weißem Papier enthalten Rubrum und Tenor sowie den Namen und die Dienstbezeichnung des Richters am Amtsgericht Dr. K. . Darunter befindet sich der unterschriebene und gestempelte Ausfertigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Auf den folgenden fünf Seiten aus grauem Papier stehen in anderer Schrift Tatbestand und Entscheidungsgründe. Der Prozessbevollmächtigte gab das beigefügte Empfangsbekenntnis nicht zurück. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2005 an das Landgericht beanstandete er, dass die Zustellung unwirksam sei, da der Ausfertigungsvermerk lediglich den Tenor des Urteils abdecke, nicht jedoch Tatbestand und Entscheidungsgründe. Zugleich beantragte er die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. März 2005, die ihm bewilligt wurde. Am 2. März 2005 ist ihm das Urteil mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Telefax vom 21. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufung begründet. Es ist streitig, ob das Telefax gemäß dem aufgedruckten Absendevermerk erst am 22. März 2005 um 1.06 Uhr oder gemäß der später zu den Akten gereichten Abrechnung der Deutschen Telekom mit Einzelverbindungsnachweis noch am 21. März 2005 vor 24.00 Uhr beim Landgericht eingegangen ist. Am 4. April 2005 ist eine weitere Berufungsbegründung beim Landgericht eingegangen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil gemäß den nachstehenden Ausführungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Rechtsbeschwerde ist im Übrigen gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Frist für die Berufungsbegründung nicht versäumt. Das gilt unabhängig davon, ob das Telefax vom 21. März 2005, wie das Berufungsgericht angenommen hat, erst am folgenden Tag um 1.06 Uhr bei Gericht eingegangen ist oder ob dies, wie die Beschwerde geltend macht, noch am gleichen Tag vor 24.00 Uhr geschehen ist.

Nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO beträgt die Frist für die Berufungsbegründung zwei Monate; sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Danach war die Frist hier weder bei Eingang der ersten, mit Telefax übermittelten Berufungsbegründung am 21. oder 22. März 2005 noch bei Eingang der zweiten Berufungsbegründung am 4. April 2005 abgelaufen. Vielmehr endete sie - ungeachtet der in jedem Fall gegenstandslosen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. März 2005 - erst am 2. Mai 2005. Denn das angefochtene Urteil des Amtsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erst am 2. März 2005 vollständig zugestellt worden. Die am 21. Januar 2005 übersandte Ausfertigung des Urteils war dagegen unvollständig.

Die Urteile, die den Parteien gemäß § 317 Abs. 1 ZPO zuzustellen sind, werden in Gestalt von Ausfertigungen zugestellt. Hierbei handelt es sich um in gesetzlich bestimmter Form gefertigte Abschriften, die dem Zweck dienen, die bei den Akten verbleibende Urschrift des Urteils nach außen zu vertreten. Die gesetzliche Form bestimmt sich nach § 317 Abs. 4 ZPO. Danach ist die Ausfertigung des Urteils von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel (oder auch Dienststempel) zu versehen. Mit der Unterschrift erklärt der Urkundsbeamte, dass die in der Ausfertigung wiedergegebenen Teile des Urteils gleichlautend mit denen der Urschrift sind. Diese Erklärung braucht nicht wörtlich in dem Ausfertigungsvermerk enthalten zu sein. Das Gesetz sieht eine bestimmte äußere Form für den Ausfertigungsvermerk nicht vor (zu alledem siehe BGH, Urteil vom 18. Mai 1994 - IV ZR 8/94, VersR 1994, 1495 unter 2 b m.w.Nachw.). Weiter ist neben der dauerhaften Verbindung aller Blätter der Ausfertigung erforderlich, dass sich der Ausfertigungsvermerk, vorzugsweise durch Anbringung auf der letzten Seite, unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 317 Rdnr. 4; Zöller/Stöber, aaO, § 169 Rdnrn. 15 und 8). Insoweit gilt nichts anderes als bei der Beglaubigung der Abschrift eines zuzustellenden Schriftstücks nach § 170 Abs. 2 ZPO a.F. (dazu siehe BGHZ 156, 335, 341 m.w.Nachw.; ferner OLG Celle, OLG-Report 1999, 328, 329; OLG Bamberg, OLG-Report 2002, 239, 240; vgl. jetzt § 169 Abs. 2 ZPO).

An letzterem fehlt es bei der Ausfertigung des Urteils, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 2005 übersandt worden ist. Bei dieser Ausfertigung befindet sich der Ausfertigungsvermerk auf der zweiten Seite unter dem Urteilstenor. Angesichts dessen erstreckt er sich nicht unzweideutig auf die folgenden fünf Seiten mit Tatbestand und Entscheidungsgründen, zumal sich diese Seiten auch in Farbe und Schrift von den beiden ersten Seiten deutlich unterscheiden. Deckt mithin der Ausfertigungsvermerk Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht ab, ist die übersandte Ausfertigung des Urteils unvollständig und vermag sie deswegen die Frist zur Berufungsbegründung nicht in Gang zu setzen.

3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Er ist daher aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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