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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: VIII ZB 17/00 (1)
Rechtsgebiete: EGBGB, VG, ZGB, DMBilG, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 1
EGBGB § 6 Abs. 1
EGBGB § 6 Abs. 1 Satz 1
VG § 20 Abs. 3
VG § 113 Abs. 2
VG § 112 Abs. 1 Satz 2
ZGB § 45 Abs. 3
DMBilG § 32 Abs. 2
BGB § 196 Abs. 2
BGB § 209 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 209 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 693 Abs. 2
ZPO § 415 Abs. 2
ZPO § 314
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 17/00

Verkündet am: 11. April 2001

Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Ball, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des II. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 15. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des früheren Volkseigenen Außenhandelsbetriebes (VE AHB) T. C. . Dieser importierte im ersten Halbjahr 1990 aufgrund eines Einfuhrvertrages mit dem ehemaligen Volkseigenen Betrieb T. M. (VEB TMK) S. für dessen Kombinatsbetrieb VEB U. -M. S. Möbelstoffe. Die Stoffe wurden an den VEB P. W. U. ausgeliefert, der mit Wirkung vom 31. März 1990 aus dem VEB U. -M. S. verselbständigt worden war und am 1. Juli 1990 in die Beklagte umgewandelt worden ist.

Mit Fernschreiben vom 28. März und 11. April 1990 teilte das VEB TMK S. dem Rechtsvorgänger der Klägerin mit, daß wegen der anstehenden Veränderungen künftig sämtliche Zahlungsforderungen an die Empfängerbetriebe, darunter den Rechtsvorgänger der Beklagten, zu richten seien. Der Rechtsvorgänger der Klägerin übersandte dem Rechtsvorgänger der Beklagten unter dem 7., 20. und 27. Juni 1990 mehrere Rechnungen über Forderungen für Stofflieferungen in Höhe von insgesamt 697.487,84 Mark der DDR, die im folgenden Monat fällig wurden. Mit Schreiben vom 16. Juli 1990 gab der Geschäftsführer der Beklagten die Rechnungen zurück; er beanstandete die Höhe des Rechnungsbetrages und bat um "neue Rechnungslegung" "in dem effektiven DM-Einkaufspreis angemessenem Umfang". Das lehnte der Rechtsvorgänger der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juli 1990 ab.

Nach weiterem Schriftwechsel hat die Klägerin unter dem 30. Juni 1994 den Erlaß eines Mahnbescheids beantragt. Der Antrag ist am 8. Juli 1994 beim Amtsgericht eingegangen. Der Mahnbescheid ist am 15. August 1994 mit einer sich aus 14 einzelnen Rechnungsbeträgen ergebenden Hauptforderung von insgesamt 558.820,90 DM nebst bezifferter sowie weiterer laufender Zinsen erlassen und am 3. September 1994 der Beklagten zugestellt worden. Diese hat am 7. September 1994 Einspruch eingelegt.

Am 17. Juni 1997 hat die Klägerin die weiteren Gerichtskosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens eingezahlt. In diesem hat sie aufgrund einer Neuberechnung ihrer Forderung Zahlung von 245.807,26 DM nebst Zinsen begehrt. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob die Zahlungsverpflichtung des VEB TMK S. aus dem Einfuhrvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist. Die Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben, das Berufungsgericht nur in Höhe von 234.102,15 DM nebst Zinsen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz von Interesse, ausgeführt:

Der Zahlungsanspruch der Klägerin lasse sich nicht auf § 67 Abs. 1 Satz 2 des gemäß Art. 232 § 1 EGBGB maßgebenden Vertragsgesetzes (VG) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 der dritten Durchführungsverordnung (3. DVO) stützen. Der Rechtsvorgänger der Beklagten sei weder gemäß § 81 Abs. 1 oder Abs. 2 VG anstelle des VEB TMK S. in den Einfuhrvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin eingetreten noch gemäß § 20 Abs. 3 VG zu seiner Erfüllung verpflichtet. Der Zahlungsanspruch sei jedoch aufgrund einer zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien konkludent vereinbarten Schuldübernahme begründet, die auch vor dem 1. Juli 1990 nach § 45 Abs. 3 ZGB möglich gewesen sei. Die Schuldübernahme ergebe sich auf seiten des Rechtsvorgängers der Klägerin aus der Übersendung der Rechnungen und auf seiten der Beklagten daraus, daß ihr Rechtsvorgänger sämtliche (anderen) Rechnungen des Rechtsvorgängers der Klägerin bis zum 1. Juli 1990 bezahlt und ihr Geschäftsführer durch Schreiben vom 16. Juli 1990 die hier in Rede stehenden Rechnungen lediglich der Höhe nach zurückgewiesen, die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung aber nicht bestritten habe. Die Forderung der Klägerin bestehe nach deren Neuberechnung gemäß § 32 Abs. 2 DMBilG unter Abzug der fünfprozentigen Handelsspanne in Höhe von 234.102,15 DM.

Die Verjährungseinrede der Beklagten greife nicht durch. Gemäß § 113 Abs. 2 VG in Verbindung mit Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB habe die nach § 196 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB vierjährige Verjährungsfrist am 1. August 1990 begonnen. Vor ihrem Ablauf am 30. Juli 1994 sei sie jedoch gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (gemeint ist ersichtlich: BGB) in Verbindung mit § 693 Abs. 2 ZPO durch Eingang des Antrags auf Erlaß des am 3. September 1994 zugestellten Mahnbescheids unterbrochen worden. Zwar habe die Unterbrechung mit Zugang der Nachricht vom 20. September 1994 über den Widerspruch der Beklagten geendet, so daß die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen habe. Vor deren Ablauf sei sie jedoch durch die am 17. Juni 1997 erfolgte Zahlung der weiteren Gerichtskosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens erneut unterbrochen worden. Der Unterbrechung stehe nicht entgegen, daß die Klägerin ihre Forderung in dem Mahnbescheid anders berechnet habe, da es sich bei der Klageforderung unverändert um den selben Anspruch handele, der dem Mahnbescheid zugrunde gelegen habe.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, daß die Verjährungseinrede der Beklagten nicht durchgreift. Das gilt jedenfalls für den größten Teil der Klageforderung.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß hier die Verjährungsfrist vier Jahre beträgt und am 1. August 1990 begonnen hat.

Nach Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden auf die am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche die Vorschriften des BGB über die Verjährung Anwendung. Nach Satz 2 der vorgenannten Vorschrift bestimmt sich jedoch der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem Wirksamwerden des Beitritts nach den bislang für das Beitrittsgebiet geltenden Rechtsvorschriften. Danach hat die Verjährungsfrist für die Zahlungsverpflichtung des früheren VEB TMK S. aus dem Einfuhrvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin (§ 67 Abs. 1 Satz 2 VG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 Satz 2 3. DVO), die nach Ansicht des Berufungsgerichts von dem Rechtsvorgänger der Beklagten übernommen worden ist, gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 VG ursprünglich ein Jahr betragen und gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VG wegen der im Juli 1990 eingetretenen Fälligkeit am 1. August 1990 begonnen. Da die einjährige Verjährungsfrist des § 112 Abs. 1 Satz 2 VG am 3. Oktober 1990, dem Tag des Wirksamwerdens des Beitritts der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland, noch nicht abgelaufen war, beträgt die Verjährungsfrist nunmehr gemäß § 196 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 BGB vier Jahre.

2. Zu Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist sei vor ihrem Ablauf am 31. (nicht 30.) Juli 1994 gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 693 Abs. 2 ZPO durch den Eingang des Antrags der Klägerin auf Erlaß eines Mahnbescheids am 8. Juli 1994 hinsichtlich der gesamten Klageforderung unterbrochen worden.

Eine Unterbrechung der Verjährung kommt nur insoweit in Betracht, als die Forderung Gegenstand des Mahnbescheidsantrags der Klägerin gewesen ist. Zutreffend verweist die Revision darauf, daß ausweislich des maschinell erstellten Ausdrucks aus den Akten über das zunächst maschinell betriebene Mahnverfahren in dem Antrag der Klägerin als Hauptforderung lediglich drei Rechnungsbeträge von insgesamt 65.581,65 DM aufgeführt sind. In Übereinstimmung damit ist in dem Aktenausdruck, der nach § 696 Abs. 2 ZPO die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§§ 415, 417 ZPO) hat, der Streitwert mit 65.561,65 DM angegeben. Daran hat sich bis zur Beendigung der maschinellen Bearbeitung des Mahnverfahrens durch Anordnung des Rechtspflegers vom 14. Juli 1994 nichts geändert. Erst aufgrund der Verfügung des Rechtspflegers vom 13. August 1994 ist die Urschrift des Mahnbescheids unter den oben genannten drei Rechnungsbeträgen um den Zusatz "weiter siehe Anlage" ergänzt worden. Diese Anlage weist unter anderem elf weitere Rechnungsbeträge aus, die zusammen mit den drei im Mahnbescheid selbst aufgeführten Rechnungsbeträgen eine Hauptforderung von 558.820,90 DM ergeben. Sie trägt zwar die Überschrift "Anlage Hauptforderungen zum Mahnbescheidsantrag vom 30.06.94". Neben anderen handschriftlichen Änderungen ist jedoch das vorgenannte Datum durchgestrichen und durch den Stempelaufdruck "15. Aug. 94" ersetzt worden. Wie und wann die Anlage zu den Akten gelangt ist, ob sie insbesondere bereits dem am 8. Juli 1994 bei Gericht eingegangenen Antrag der Klägerin vom 30. Juni 1994 auf Erlaß des Mahnbescheids beigefügt war oder ob sie erst später nachgereicht worden ist, läßt sich den Akten nicht sicher entnehmen.

Unter diesen Umständen ist wegen der dem maschinell erstellten Aktenausdruck zukommenden Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gemäß §§ 696 Abs. 2, 415 Abs. 1 ZPO bis zu dem - nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässigen - Gegenbeweis davon auszugehen, daß der Antrag der Klägerin vom 30. Juni 1994 auf Erlaß des Mahnbescheids als Hauptforderung lediglich die drei Rechnungsbeträge von insgesamt 65.581,65 DM enthalten hat, die in dem maschinellen Aktenausdruck aufgeführt sind, und daß die Anlage mit den elf weiteren Rechnungsbeträgen erst zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt nachgereicht worden ist, der auch nach dem Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Juli 1994 liegen kann. Gegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht bindend aus dem Tatbestand des Berufungsurteils, wonach die Klägerin (nicht die Beklagte) mit dem am 8. Juli 1994 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids "die damaligen Rechnungsbeträge im Verhältnis 2:1 (= 348.743,92 DM)" angefordert hat. Hierbei handelt es sich nicht um mündliches Parteivorbringen, für das der Tatbestand des Urteils nach § 314 ZPO Beweis liefert, sondern um den Akten - gemäß den obigen Ausführungen unzutreffend - entnommene Prozeßgeschichte, für die die Beweiskraft des Tatbestands nach § 314 ZPO nicht gilt (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030 unter II 2 c).

Damit erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die am 31. Juli 1994 ablaufende Verjährungsfrist sei durch den am 8. Juli 1994 bei Gericht eingegangenen Antrag der Klägerin auf Erlaß eines Mahnbescheids unterbrochen worden, hinsichtlich der in der Anlage aufgeführten elf Rechnungsbeträge nach den bisher getroffenen Feststellungen als nicht haltbar. Welcher Teilbetrag der von der Klägerin neu berechneten Klageforderung den vorgenannten elf Rechnungsbeträgen entspricht, ist bislang nicht festgestellt.

II. Nach alledem kann das Berufungsurteil insoweit, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. In dem vorbezeichneten Umfang waren daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Angesichts der von den Vorinstanzen verneinten Verjährung der Klageforderung hatte die Klägerin bislang keine Veranlassung, dazu vorzutragen und Beweis anzutreten, daß sie die Anlage mit den elf Rechnungsbeträgen bereits entweder zusammen mit ihrem Antrag vom 30. Juni 1994 auf Erlaß des Mahnbescheids oder gesondert vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Juli 1994 bei Gericht eingereicht hat. Dazu gibt ihr die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Gelegenheit.

In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu begründen haben, warum die Zustellung des Mahnbescheids am 3. September 1994 noch "demnächst" im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO erfolgt ist (vgl. insoweit z.B. BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - VII ZR 191/94, WM 1995, 1413 unter II 2 m.w.Nachw.). Bislang hat das Berufungsgericht dies lediglich unterstellt.

2. Soweit die Klageforderung nicht verjährt ist, wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens der Parteien seine Annahme zu überprüfen, die Beklagte habe die Zahlungsverpflichtung des früheren VEB TMK S. aus dem Einfuhrvertrag mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin übernommen.

Ende der Entscheidung

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