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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.10.1998
Aktenzeichen: VIII ZB 20/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 567 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 542 Abs. 3
ZPO § 341 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 234 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 20/98

vom

14. Oktober 1998

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Oktober 1998 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Dr. Beyer und Dr. Wolst

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. Mai 1998 wird auf Kosten des Beklagten zu 2) zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 303.881,13 DM.

Gründe:

I. Gegen das klageabweisende und sie auf Widerklage zur Zahlung verpflichtende Urteil des Landgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt M. R. M. , dem Gericht im November 1997 die Niederlegung des Mandats angezeigt hatte, hat das Oberlandesgericht am 28. Januar 1998 durch Versäumnisurteil das Ersturteil abgeändert. Es hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 290.978,09 DM verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Diese Entscheidung ist Rechtsanwalt M. R. M. am 3. Februar 1998 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 16. März 1998, beim Oberlandesgericht am selben Tag eingegangen, hat der Beklagte zu 2), nunmehr vertreten durch Rechtsanwältin A. M. H. , Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.

Zur Begründung hat er vorgetragen und an Eides Statt versichert:

Von der Niederlegung des Mandats durch seinen Prozeßbevollmächtigten habe er keine Kenntnis gehabt. Er habe seinen Wohnsitz von München nach Österreich verlegt und beim zuständigen Postamt in München einen Nachsendeantrag gestellt. Das Schreiben seines früheren Rechtsanwalts, in welchem dieser über das ergangene Versäumnisurteil unterrichte und auf die Einspruchsfrist hinweise, sei an seine frühere Wohnanschrift gerichtet gewesen und habe ihn erst am 6. März 1998 unter seiner neuen Adresse erreicht.

Das Oberlandesgericht hat dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben und den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen, weil der Beklagte nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die Notfrist zur Einlegung des Einspruchs einzuhalten.

Es hat hierzu im wesentlichen ausgeführt:

Die Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwalt M. R. M. begründe für sich genommen nicht die Wiedereinsetzung; sie sei nicht zur Unzeit erfolgt. Der Beklagte zu 2) habe die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, weil er sich mit dem postalischen Nachsendeauftrag begnügt habe, ohne weitere Vorkehrungen dafür zu treffen, daß ihn sein Anwalt erreichen könne. Er hätte seinem damaligen Prozeßbevollmächtigten unverzüglich seine neue Anschrift mitteilen oder bei diesem sich nach dem Verfahrensstand erkundigen müssen.

Dagegen wendet sich der Beklagte zu 2) mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt nunmehr vor, er habe seinen damaligen Prozeßbevollmächtigten über die Adressenänderung unterrichtet. Die Niederlegung des Mandats durch Rechtsanwalt M. R. M. sei zur Unzeit erfolgt. Auch habe er nicht mit dem Erlaß einer Entscheidung rechnen müssen, die nur durch fristgebundene Rechtsmittel angegriffen werden könne.

II. Das nach §§ 567 Abs. 4 Satz 2, 542 Abs. 3, 341 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte (BGH, Beschluß vom 20. Dezember 1977 - I ZB 27/77 = NJW 1978, 1437), form- und fristgerechte Rechtsmittel des Beklagten zu 2) hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Oberlandesgericht angenommen, daß der Beklagte zu 2) die Frist schuldhaft versäumt hat.

1. Dabei kann dahinstehen, ob sein früherer Bevollmächtigter die Prozeßvertretung zur Unzeit niedergelegt hat. Sollte dies der Fall sein, so müßte geprüft werden, ob darin ein dem Beklagten zu 2) nach § 85 Abs. 2 ZPO anzurechnendes anwaltliches Verschulden zu sehen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 25. Juni 1991 - VI ZB 15/91 = VersR 1992, 378 f). Dem stünde nicht entgegen, daß schuldhaftes Verhalten eines Anwalts nach Beendigung des Vollmachtsverhältnisses der Partei nicht mehr nach § 85 Abs. 2 ZPO angelastet werden kann. Denn bei einer solchen Fallgestaltung geht die Kündigung des Vollmachtsverhältnisses mit dem schuldhaften Verhalten des Anwalts einher.

2. Entscheidungserheblich ist, daß der Beklagte zu 2) nicht dargetan und glaubhaft gemacht hat, beim zweimaligen Wechsel seines Aufenthaltsortes hinreichend dafür gesorgt zu haben, daß ihn sein Anwalt postalisch kurzfristig erreichen konnte (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Juni 1988 - IVb ZB 68/88 = NJW 1988, 2672 unter II 2 b). Der Beklagte zu 2) hat zwar an Eides Statt versichert, bei der Post einen Nachsendeantrag gestellt zu haben, als er von T. , Sch. straße nach Österreich verzog. Mit seiner sofortigen Beschwerde trägt er allerdings auch vor, erst im Februar 1997 aus R. , W. straße nach T. umgezogen zu sein. Deshalb habe ihn sein Anwalt nicht mehr unter der alten Anschrift (wohl Adresse in R. ) vom Lauf der Einspruchsfrist unterrichten können. Danach liegt es nahe, daß der von ihm behauptete Nachsendeauftrag die Anschrift in T. , nicht aber auch seine ursprüngliche Wohnung in R. betraf. Dafür spricht im übrigen, daß im Januar 1998 eine gerichtliche Postsendung für den Beklagten zu 2) nach R. mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" als unzustellbar zurückkam. Dann aber hätte er die Verspätung verschuldet. Schließlich ist nicht ausgeschlossen, daß ein Nachsendeauftrag des Beklagten zu 2) zur fraglichen Zeit deshalb keine Wirkung mehr entfalten konnte, weil der Versuch des Prozeßbevollmächtigten, den Beklagten zu 2) brieflich zu erreichen, mehr als sechs Monate nach der Beauftragung der Post unternommen wurde. Ein solcher Auftrag wird aber von der Post - ohne Antrag auf Verlängerung - nur sechs Monate lang ausgeführt. In diesem Fall hätte es der Beklagte zu 2) versäumt, rechtzeitig eine Verlängerung zu erwirken.

Diese Unklarheiten wirken sich zu seinen Ungunsten aus. Denn Wiedereinsetzung kann nur gewährt werden, wenn auch nur die Möglichkeit eines Verschuldens des Antragstellers ausgeräumt ist (BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1996 - VII ZB 31/95 = NJW 1997, 327 unter II).

Das Verschulden war für die Fristversäumnis ursächlich. Hätte der Beklagte zu 2) dafür gesorgt, daß ihn sein Anwalt postalisch erreichen kann, hätte ihn dessen Information über das ergangene Versäumnisurteil mit dem Hinweis auf den möglichen Rechtsbehelf rechtzeitig erreicht. Er hätte dann ausreichend Zeit gehabt, durch einen anderen Bevollmächtigten Einspruch einzulegen.

3. Unbehelflich ist das erst in der Beschwerde enthaltene Vorbringen des Beklagten zu 2), er habe seinen früheren Anwalt unverzüglich über seine neue Wohnanschrift unterrichtet. Eine Wiedereinsetzung begehrende Partei muß alle Tatsachen, die für ihren Antrag von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Frist der §§ 236 Abs. 2 Satz 1, 234 Abs. 1, 2 ZPO vortragen. Das Nachschieben von Gründen ist unzulässig (BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90 = NJW 1991, 1892 unter II 2). Etwas anderes gilt nur für Ergänzungen bisher unklarer oder unvollständiger Angaben. Das Beschwerdevorbringen enthält keine (zulässige) Ergänzung, sondern ein (unzulässiges) Nachschieben von Gründen.

Abgesehen davon ist diese neue Tatsache entgegen § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch nicht im Laufe des Beschwerdeverfahrens glaubhaft gemacht worden.

Ende der Entscheidung

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