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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.11.2004
Aktenzeichen: VIII ZB 23/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 23/04

vom 16. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst am 16.November 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. November 2003 aufgehoben.

Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Wert des Beschwerdegegenstands: 13.908,75 €.

Gründe:

I.

Der Beklagte ist vom Landgericht zur Zahlung von 13.908,75 € nebst Zinsen verurteilt worden. Die Begründung seiner hiergegen rechtzeitig eingelegten Berufung ist erst nach Ablauf der bis zum 6. Oktober 2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15. Oktober 2003 bei Gericht eingegangen.

Der Beklagte hat Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und dazu vorgetragen, ausweislich des Postausgangsbuchs der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten sei die am 29. September 2003 gefertigte Berufungsbegründungsschrift am selben Tag an das Oberlandesgericht übersandt worden. Zur Glaubhaftmachung hat er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozeßbevollmächtigten sowie auf eine eidesstattliche Versicherung einer Rechtsanwaltsgehilfin bezogen.

II.

Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung des Beklagten mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe in seinem Wiedereinsetzungsantrag zum Bestehen einer Ausgangskontrolle im Büro seines Prozeßbevollmächtigten keinerlei Angaben gemacht. Soweit er sich statt dessen darauf berufen habe, daß die Berufungsbegründungsschrift ausweislich des Postausgangsbuchs der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten am 29. September 2003 an das Gericht übersandt worden sei, habe er seine Angaben nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die anwaltliche Versicherung seines Prozeßbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin seien dafür nicht ausreichend. Vielmehr hätte es der Vorlage des Postausgangsbuchs bedurft. Einer entsprechenden Auflage des Gerichts vom 15. Oktober 2003 sei der Beklagte jedoch nicht nachgekommen.

III.

1. Die hiergegen gerichtete, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 238 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist erfüllt, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Das Berufungsgericht hält die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags des Beklagten als solche für ausreichend, denn es führt aus, es könne von einer das Verschulden des Anwalts ausschließenden rechtzeitigen Absendung der Berufungsbegründungsschrift ausgegangen werden, wenn sich aus dem Postausgangsbuch zweifelsfrei ergebe, daß das fristwahrende Schriftstück gefertigt, postfertig gemacht und auch abgeschickt worden sei. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung beruht mithin allein darauf, daß das Berufungsgericht das entsprechende Vorbringen des Beklagten deswegen als nicht glaubhaft gemacht ansieht, weil das Postausgangsbuch nicht vorgelegt worden ist. Mit dieser Begründung durfte das Wiedereinsetzungsgesuch indessen nur dann zurückgewiesen werden, wenn dem Beklagten zuvor Gelegenheit gegeben worden war, die vom Berufungsgericht für nicht ausreichend erachtete Glaubhaftmachung nachzuholen. Denn der Beklagte hatte sich, wie im Wiedereinsetzungsverfahren üblich, zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens auf die anwaltliche Versicherung seines Prozeßbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsgehilfin bezogen, die den Eintrag in das Postausgangsbuch vorgenommen haben soll. Bei dieser Sachlage durfte der Beklagte annehmen, die zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragenen Tatsachen in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht zu haben. Auch das Berufungsgericht hat dies gesehen und den Beklagten demgemäß am 15. Oktober 2003 schriftlich aufgefordert, das Postausgangsbuch vorzulegen.

Nach dem Inhalt der Gerichtsakten ist jedoch nicht feststellbar, daß diese Aufforderung des Berufungsgerichts den Beklagten erreicht hat. Ein Empfangsbekenntnis des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ist, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist, nicht zu den Akten gelangt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung seines Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht, daß ihm die Auflage des Berufungsgerichts zur Vorlage des Postausgangsbuchs nicht zugegangen sei. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte vor der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Wiedereinsetzungsantrag von der Auflage Kenntnis erhalten hat und damit Gelegenheit hatte, die nach Auffassung des Berufungsgerichts noch nicht erfolgte Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes nachzuholen. Der angefochtene Beschluß beruht auf der darin liegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs, denn es ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht Wiedereinsetzung gewährt hätte, wenn ihm der Auszug aus dem Postausgangsbuch, den der Beklagte im Rechtsbeschwerdeverfahren zu den Akten gereicht hat, vor seiner Entscheidung vorgelegt worden wäre.

IV.

Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben. Dem Beklagten ist Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, denn jedenfalls nach der zwischenzeitlich erfolgten Vorlage eines Auszugs aus dem Postausgangsbuch, der für das Datum des 29. September 2003 einen entsprechenden Eintrag enthält, ist glaubhaft gemacht, daß die Berufungsbegründungsschrift am 29. September 2003 und damit hinreichend lange vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist an das Oberlandesgericht abgesandt worden ist.



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