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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: VIII ZB 33/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 33/05

vom 25. Januar 2006

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2006 durch den Richter Dr. Beyer als Vorsitzenden und die Richter Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. April 2005 aufgehoben.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 1.000 €.

Gründe:

I.

Der Kläger, der für die Beklagte als Handelsvertreter tätig war, begehrt von dieser im Rahmen einer Stufenklage die Erteilung eines Buchauszugs über von ihm vermittelte Geschäfte. Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit der Begründung als unzulässig verworfen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige die Wertgrenze von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht. Einen Zeit- und Kostenaufwand von mehr als 600 € habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten zum Schutz vor einer Weitergabe der in den Buchauszug aufzunehmenden Daten durch den Kläger an dessen jetzigen Arbeitgeber, einen Konkurrenten der Beklagten, könne bei der Bemessung der Beschwer nicht berücksichtigt werden, weil der befürchtete Nachteil eine Drittbeziehung betreffe und damit keinen unmittelbar aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil darstelle. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist jedenfalls zur Klärung der Frage erforderlich, ob ein im Rahmen der Bewertung der Beschwer einer zur Auskunft verurteilten Partei zu berücksichtigendes Geheimhaltungsinteresse auch aus der Besorgnis hergeleitet werden kann, der Auskunftsgläubiger werde die ihm bekannt zu gebenden Daten an einen Konkurrenten des Auskunftsschuldners weitergeben (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Keiner Entscheidung bedarf, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei durch das mit der Berufung angefochtene Teilurteil nicht in Höhe von mehr als 600 € beschwert, schon deswegen rechtsfehlerhaft ist, weil das Berufungsgericht einen Zeit- und Kostenaufwand in der dafür erforderlichen Höhe als nicht glaubhaft gemacht ansieht und den von der Beklagten hierfür angetretenen Beweis nicht erhoben hat. Die Beschwer der Beklagten ist jedenfalls deswegen mit mehr als 600 € zu veranschlagen, weil, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht weiter rügt, bei der Bewertung der Beschwer auch das Geheimhaltungsinteresse der Beklagten zu berücksichtigen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der auch das Berufungsgericht ausgeht, ist im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes oder der Beschwer neben dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, auch ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten zu berücksichtigen (BGHZ 128, 85, 91 m.w.Nachw.). Dabei sind allerdings nur unmittelbar aus dem Urteil fließende rechtliche Nachteile zu berücksichtigen, Drittbeziehungen dagegen außer Betracht zu lassen (BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96, NJW 1997, 3246 unter II 2). Das Interesse des Auskunftsschuldners, durch die Verweigerung der Auskunft der drohenden Inanspruchnahme durch einen Dritten zu entgehen, vermag deshalb ein schützenswertes wirtschaftliches Interesse an einer Geheimhaltung gegenüber dem Auskunftsgläubiger nicht zu begründen (BGH aaO).

Um eine derartige Drittbeziehung handelt es sich hier indessen nicht. Die Beklagte macht ein Interesse daran geltend, bestimmte Daten, die nach dem Teilurteil des Landgerichts in den dem Kläger zu erteilenden Buchauszug aufzunehmen sind, geheim zu halten, um zu verhindern, dass ein mit ihr konkurrierendes Unternehmen, bei dem der Kläger jetzt beschäftigt ist, von diesen Daten Kenntnis erlangt und diese Kenntnis zu Wettbewerbszwecken nutzt. Von ihrem Standpunkt aus gesehen macht es keinen Unterschied, ob die von ihr als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Daten unmittelbar oder über den Kläger an das Konkurrenzunternehmen gelangen. Ein Geheimhaltungsinteresse kommt hier folglich nicht nur gegenüber dem Konkurrenzunternehmen als Drittem, sondern auch gegenüber dem Kläger in Betracht, von dem nach der Einschätzung der Beklagten die Gefahr der Weitergabe der Daten an das Konkurrenzunternehmen ausgeht.

III.

Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Bei der neuerlichen Befassung mit der Sache wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob und hinsichtlich welcher Daten unter Berücksichtigung der dem Kläger bereits erteilten Auskünfte das von der Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse anzuerkennen und wie es im Hinblick auf die von dem Teilurteil des Landgerichts ausgehende Beschwer der Beklagten zu bewerten ist.

Ende der Entscheidung

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