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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2002
Aktenzeichen: VIII ZB 38/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 574 ff.
ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 38/02

vom

23. Oktober 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10. April 2002 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 19.349,89 € (37.845,10 DM).

Gründe:

I.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Januar 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts am 29. Januar 2002 Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat, nachdem eine Berufungsbegründung bis dahin nicht eingegangen war, mit Beschluß vom 6. März 2002, der Beklagten zugestellt am 12. März 2002, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen.

Die Beklagte hat am 15. März 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluß vom 10. April 2002 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrem als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Rechtsmittel.

II.

Das als Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff. ZPO zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs.1 Satz 4 ZPO statthaft.

Dem steht nicht entgegen, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 20.000 € nicht übersteigt. Die für Nichtzulassungsbeschwerden insoweit geltende Beschränkung (§ 26 Nr. 8 EGZPO) findet auf Rechtsbeschwerden keine Anwendung (Senatsbeschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02, zur Veröffentlichung bestimmt).

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, NJW 2002, 3029 unter II 1, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Eine derartige Rechtsfrage wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.

Soweit das Berufungsgericht das der Beklagten zuzurechnende Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumung damit begründet, daß der Prozeßbevollmächtigte es versäumt habe, aus Anlaß der Vorlage der Handakte zum Vorfristtermin die Richtigkeit des von der Anwaltsgehilfin K. ermittelten Endtermins der Berufungsbegründungsfrist zu überprüfen, entspricht dies einem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannten Grundsatz. Danach kann ein Rechtsanwalt die Berechnung und Eintragung von Rechtsmittelfristen zwar grundsätzlich einer dafür geschulten Fachkraft übertragen, hat aber dann Anlaß zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Ende der Rechtsmittelfrist richtig ermittelt und festgehalten ist, wenn ihm die Sache anläßlich des bevorstehenden Fristablaufes zur Fertigung einer Rechtsmittelschrift vorgelegt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98, BRAK-Mitt. 1998, 269; vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92, NJW 1992, 1632; vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91, NJW 1992, 841 und vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830, jew. m.w.Nachw.).

Dies wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht verkannt. Entgegen der Meinung der Beklagten gilt dieser Grundsatz aber auch dann, wenn der Anwalt sich noch nicht zur Bearbeitung der Sache entschließt (BGH, Beschluß vom 11. Dezember 1991, aaO) und die Bürokraft das Ende der Begründungsfrist - fehlerhaft - auf den Aktendeckel eingetragen hatte.

2. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich.

a) Die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist im Falle einer Divergenz zulässig, setzt dann aber voraus, daß der Beschwerdeführer eine Abweichung darlegt. Eine Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts (BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, WM 2002, 1567 = NJW 2002, 2473, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Beklagte beruft sich zwar auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Sorgfaltsanforderungen, die an den Rechtsanwalt zu stellen sind, wenn ihm die Akten zur Vorfrist vorgelegt werden, verweist aber nicht auf einen Rechtssatz in der angefochtenen Entscheidung, der von den in der Rechtsbeschwerde aufgeführten Entscheidungen abweicht. Wenn die angefochtene Entscheidung, wie die Beklagte meint, die Sorgfaltsanforderungen gegenüber einem Rechtsanwalt überspannt und dadurch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht hinreichend berücksichtigt haben sollte, läge darin keine zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führende Divergenz.

b) Das weitere Vorbringen der Beklagten, die angefochtene Entscheidung verletze die verfassungsrechtlichen Grundsätze eines fairen Verfahrens, weil das Berufungsgericht über den Wiedereinsetzungsantrag erst entschieden habe, nachdem es die Berufung als unzulässig verworfen hatte, erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens kann aus dem Vorbringen der Beklagten schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil die Beklagte Wiedereinsetzung erst beantragt hat, nachdem das Berufungsgericht ihre Berufung bereits als unzulässig verworfen hatte. Über den Wiedereinsetzungsantrag konnte deshalb nicht vor dem Verwerfungsbeschluß entschieden werden. Im übrigen konnte der Beklagten durch das Vorgehen des Gerichts kein Nachteil entstehen, weil mit der Gewährung von Wiedereinsetzung der zuvor ergangene Verwerfungsbeschluß hinfällig geworden wäre (BGHZ 98, 325, 328).

Ende der Entscheidung

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