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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: VIII ZR 105/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 463 Satz 2
BGB § 463 Satz 1
ZPO § 561
ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

VIII ZR 105/01

Verkündet am: 23. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. Mai 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer eines Gewerbegrundstücks in S. A. .

Am 10. Oktober 1997 schloß er mit den Beklagten einen als "Auftrag/Kaufvertrag" überschriebenen Vertrag. Darin verpflichteten sich die Beklagten zur Lieferung von EBS-Wandschalungselementen, EBS-Deckenträgern und EBS-Deckenfüllkörpern sowie zur Übergabe von Architekten- und Statikunterlagen für eine auf dem Grundstück des Klägers zu errichtende Gewerbehalle. Der Kläger sollte nach dem Vertrag hierfür 187.000 DM in mehreren Raten zahlen. Die Beklagten lieferten das Baumaterial auf das Grundstück des Klägers. Der Kläger zahlte an die Beklagten insgesamt 142.386,43 DM. Nachdem dem Kläger zunächst von der Stadt S. A. am 17. Juni 1998 die Baugenehmigung für die Gewerbehalle erteilt worden war, verfügte die Stadt am 26. August 1998 einen Baustopp.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Rückerstattung der von ihm geleisteten Zahlungen, die Feststellung der Verpflichtung zum weitergehenden Schadensersatz sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Baumaterials. Zur Begründung hat er ausgeführt, das von den Beklagten vertriebene Bausystem sei nicht genehmigungsfähig; auch sei von den Beklagten keine genehmigungsfähige Planung vorgelegt worden.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagten sind im Revisionsrechtszug nicht vertreten. Der Kläger hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.

Entscheidungsgründe:

I. Über die Revision des Klägers ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81).

II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Beklagten schuldeten keinen Schadensersatz aus § 463 Satz 2 BGB. Die Behauptung des Klägers, er sei von den Beklagten über die "Baugenehmigungsfähigkeit" der EBS-Bauelemente arglistig getäuscht worden, sei nicht erwiesen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die EBS-Bauelemente nicht generell ungeeignet seien, auch bei einem gewerblichen Bau, wie ihn der Kläger geplant habe, verwendet zu werden. Allerdings habe die Feuerfestigkeitsklasse F 90 erreicht werden müssen, die mit einer sogenannten Beplankung zu erzielen gewesen sei. Das ergebe sich aus einem Aktenvermerk der Baugenehmigungsbehörde vom 16. Juli 1998, wonach lediglich eine gutachterliche Stellungnahme einer Materialprüfungsanstalt erforderlich sei. Den Beklagten sei nicht zu widerlegen, daß dies gegenüber dem Kläger offengelegt worden sei.

Auch eine Haftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gemäß § 463 Satz 1 BGB scheide aus. Es müsse zwar von einer konkludenten Zusicherung ausgegangen werden, wenn die Beklagten dem Kläger für ein ganz bestimmtes, ihnen bekanntes Objekt Baumaterial verkaufen. Den EBS-Bauelementen könne indes die Verwendungsfähigkeit nicht abgesprochen werden, weil sie mit einer entsprechenden Beplankung durchaus genehmigungsfähig seien.

Weiterhin entfalle auch eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Die Beklagten hätten zwar die vertragliche Nebenpflicht gehabt, die Kläger darauf hinzuweisen, daß die EBS-Bauelemente nur unter Anbringung einer Beplankung für den geplanten Bau verwendbar gewesen seien. Die Beklagten hätten auch nicht nachgewiesen, daß sie den Kläger entsprechend unterrichtet hätten. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz bestehe jedoch nicht. Die Kosten für den Erwerb der EBS-Elemente selbst seien nicht ersatzfähig, weil sie verwendungsfähig seien. Im übrigen habe der Kläger seinen Schaden ganz überwiegend selbst verursacht.

III. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Oberlandesgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 463 Satz 1 und Satz 2 BGB verneint, weil die von den Beklagten gelieferten Bauelemente mit einer entsprechenden Beplankung genehmigungsfähig im Hinblick auf die Brandschutzqualifizierung F 90 gewesen seien. Dies ergebe sich aus einem behördeninternen Aktenvermerk des Herrn Sch. der Baugenehmigungsbehörde.

Die Revision rügt zu Recht diese tatsächliche Feststellung des Oberlandesgerichts, da diese Würdigung keine Grundlage in der durchgeführten Beweisaufnahme hat. Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich möglich ist und Denk- oder Erfahrungssätze nicht verletzt (BGH, Urteil vom 11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557 unter 2 a). Hiergegen verstößt das Berufungsgericht, wenn es aus dem behördeninternen Aktenvermerk folgert, mit einer Beplankung der von den Beklagten gelieferten Bauelemente werde die Brandschutzqualifizierung F 90 erreicht. Aus diesem Vermerk ergibt sich vielmehr nur, daß es zu der Verwendung von Styropor-Schalungssystemen einer Zulassung durch das Institut für Bautechnik nicht bedarf, daß zu der Feuerfestigkeit der Steine aber eine gutachterliche Stellungnahme einer Materialprüfungsanstalt eingeholt werden muß, deren positive Stellungnahme allerdings dann auch ausreichend ist. Das Berufungsgericht geht demgegenüber jedoch bereits von dem Vorliegen einer solchen positiven gutachterlichen Stellungnahme aus, mithin von einer Voraussetzung, die es erst noch festzustellen gilt.

2. Die Revision rügt zudem zu Recht, daß das Berufungsgericht ausdrücklichen und unter Beweis gestellten Sachvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hat (§ 286 ZPO). Der Kläger hat vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, daß es die von den Beklagten behaupteten Brandschutzplatten, die zu der erforderlichen Brandschutzqualifizierung der mit den Bauelementen der Beklagten erstellten Wände führen würde, nicht gebe und daß die mit den Bauelementen der Beklagten erstellten Wände den statischen Anforderungen an die Wandkonstruktion einer gewerblich genutzten Halle nicht genügen würden.

Unter Zeugenbeweis gestellt hat der Kläger darüber hinaus seine Behauptung, das Beplanken der Bauelemente sei mit ihm nicht vereinbart worden, die Beklagten hätten ihn auf dieses weitere Erfordernis zur Erfüllung der Brandschutzqualität F 90 auch nicht hingewiesen. Diesen Sachvortrag durfte das Berufungsgericht ebenfalls nicht übergehen. Hatten die Beklagten eine ausreichende Feuerfestigkeit unabhängig von einer Beplankung behauptet, kommt eine arglistige Täuschung in Betracht.

3. Wie die Revision weiterhin zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht nicht bedacht, daß der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, daß der durch mangelnde Aufklärung zum Abschluß eines Vertrages bestimmte Vertragspartner die Rückgängigmachung des Vertrages unter den Voraussetzungen der culpa in contrahendo verlangen kann (BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302 unter II 2 bb). Der Kläger verlangt den von ihm bereits gezahlten Kaufpreis zurück. Das entspricht dieser Rechtsprechung.

IV. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher waren das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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