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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: VIII ZR 142/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 81
ZPO § 83 Abs. 1
ZPO §§ 81, 83 Abs. 1

Zum Umfang der Prozeßvollmacht im Anwaltsprozeß.

BGH, Urteil vom 31. Januar 2001 - VIII ZR 142/00 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 142/00

Verkündet am: 31. Januar 2001

Kirchgeßner, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 17. Januar 2001 eingereicht werden konnten, durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Ball, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. April 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert Zahlung eines Restkaufpreises für die Übernahme des von ihr betriebenen Unternehmens durch die Beklagte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Rechtsanwälte Dres. V. und Partner "namens der Klägerin" Berufung eingelegt und diese begründet.

Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht hat die Beklagte gerügt, die Rechtsanwälte Dres. V. und Kollegen seien zur Prozeßführung nicht bevollmächtigt. Die Echtheit einer vorgelegten Vollmachtsurkunde, die mit dem Namen der damaligen Liquidatorin der Klägerin, J. K. , unterzeichnet ist, hat die Beklagte bestritten. Die Vorinstanz hat daraufhin J. K. angehört. Diese hat vor dem Berufungsgericht unter anderem erklärt:

"Ich hatte (den erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin) beauftragt, die Interessen der Klägerin wahrzunehmen. Mit meinem Mann hatte ich vereinbart, daß mit Abschluß des ersten Rechtszuges die Sache erledigt sein solle. ... Nachdem das Urteil der ersten Instanz ergangen war, ist mein Mann in die Berufung gegangen. Ich kann nicht sagen in welcher Eigenschaft mein Mann in die Berufung gegangen ist. Ich vertrete die Klägerin. Ich bin die Liquidatorin. Ich habe auch mit Rechtsanwalt Dr. V. telefoniert und ihm erklärt, daß ich einen weiteren Rechtsstreit, also in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht, nicht führen möchte. Ich will nicht, daß hier eine Berufung durchgeführt wird."

Im Anschluß an diese Erklärung hat Rechtsanwalt Dr. V. das Mandat für die Klägerin niedergelegt. Daraufhin hat die Beklagte den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt. Mit Beschluß vom 24. März 2000 hat das Berufungsgericht die Parteien und Verfahrensbeteiligten unter anderem darauf hingewiesen, daß Berufung eingelegt worden sei, ohne daß ein Auftrag und eine Vollmacht der Klägerin für dieses Rechtsmittel vorliege. Die Rechtsanwälte Dres. V. und Kollegen haben mit am 27. März 2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Ablichtung eines Schreibens des erstinstanzlichen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt H. -A. , vom 26. Januar 1999 vorgelegt. In diesem Schreiben bittet Rechtsanwalt H. -A. die Rechtsanwälte Dres. V. und Partner, gegen das gegen die Klägerin ergangene landgerichtliche Urteil "fristwahrend" Berufung einzulegen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen und die Kosten der zweiten Instanz den Rechtsanwälten Dres. V. und Sch. auferlegt.

Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 545, 547 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Revision hat Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung verworfen, die für die Klägerin aufgetretenen Rechtsanwälte Dres. V. und Kollegen seien von der Klägerin nicht rechtswirksam beauftragt und bevollmächtigt worden. Wie die Anhörung der damaligen Liquidatorin J. K. ergeben habe, sei diesen Rechtsanwälten weder von ihr, der alleinigen Vertreterin der Klägerin, ein Mandat für die Berufung erteilt worden, noch habe J. K. in einer ihr zurechenbaren Weise einen entsprechenden Anschein gesetzt. Der erstinstanzliche Bevollmächtigte der Klägerin habe den Rechtsanwälten Dres. V. und Kollegen einen rechtswirksamen Auftrag zur Durchführung der Berufung mit entsprechender Vollmacht nicht erteilen können, weil im Verhältnis zur Klägerin eine solche Befugnis nicht eingeräumt worden sei.

II.

Die Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, den für die Klägerin in zweiter Instanz aufgetretenen Rechtsanwälten fehle die Prozeßvollmacht.

1. Zutreffend rügt die Revision, das Oberlandesgericht habe die Vorschriften der §§ 81, 83 Abs. 1 ZPO verkannt.

a) Nach § 81 Halbs. 2 ZPO ermächtigt die einem (erstinstanzlichen) Anwalt erteilte Prozeßvollmacht zur Bestellung eines Bevollmächtigten für die höhere Instanz. Wie die damalige Liquidatorin der Klägerin vor dem Berufungssenat erklärt hat, hatte sie Rechtsanwalt H. -A. Vollmacht zur Führung des Rechtsstreit erteilt. Dieser hat, wie sein Schreiben vom 26. Januar 1999 belegt, die Rechtsanwälte Dres. V. und Kollegen mit der Durchführung der Berufung beauftragt. Diese schriftlich erteilte Vollmacht kann vom Revisionsgericht berücksichtigt werden, weil sie vor Erlaß des Prozeßurteils (vom 7. April 2000) ausgestellt worden war (vgl. GmS - OGB BGHZ 91, 111, 115).

b) Die Einschränkung der Prozeßvollmacht durch die Liquidatorin der Klägerin auf ein lediglich erstinstanzliches Verfahren ist gegenüber Gericht und Beklagten ohne Bedeutung. Es ist dabei unerheblich, ob die Liquidatorin J. K. bereits dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten gegenüber äußerte, sie wolle kein Berufungsverfahren durchführen, oder ob sie dies erst gegenüber den von diesem für die zweite Instanz beauftragten Anwälten erklärte.

Nach § 83 Abs. 1 ZPO konnte die Liquidatorin J. K. gegenüber der Beklagten - und nach ganz einhelliger Ansicht auch gegenüber dem Gericht (Musielak/Weth, ZPO, 2. Aufl., § 83 Rdnr. 2; vgl. auch BGHZ 92, 137, 142) - den von § 81 ZPO beschriebenen Umfang der erteilten Prozeßvollmacht nicht wirksam auf eine Vertretung nur für die erste Instanz beschränken. Etwas anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Erklärung der damaligen Liquidatorin J. K. vor dem Berufungssenat als Kündigung des erteilten Auftrags anzusehen wäre bzw. die Liquidatorin den Auftrag gegenüber Dr. V. und Kollegen vor ihrer Anhörung gekündigt hätte. Eine Kündigung des Mandats hätte, da es sich bei dem Verfahren um einen Anwaltsprozeß (§ 78 Abs. 1 ZPO) handelt, erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit nach außen erlangt (§ 87 Abs. 1 ZPO).

Nach alledem durfte das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin nicht wegen fehlender Prozeßvollmacht der zweitinstanzlich aufgetretenen Rechtsanwälte als unzulässig verwerfen.

2. Der Rechtsstreit war nach Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Sachentscheidung des erkennenden Senats kann nicht ergehen, da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Mit der Aufhebung des Berufungsurteils entfällt auch die dortige, zum Nachteil der Rechtsanwälte Dres. V. und Sch. ergangene Kostenentscheidung.

Ende der Entscheidung

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