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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: VIII ZR 227/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 477 Abs. 1
BGB § 675
BGB §§ 477 Abs. 1, 675

Berät der Hersteller eines Gerätes den Planer einer technischen Anlage über Eigenschaften oder Einsatzmöglichkeiten des Gerätes für diese Anlage und handelt es sich nicht lediglich um eine unverbindliche Empfehlung i.S.d. § 675 Abs. 2 BGB, so unterliegen Schadensersatzansprüche des Planers wegen fehlerhafter Beratung der allgemeinen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Der Zusammenhang der Beratung mit einem späteren Kaufvertrag zwischen dem beratenden Hersteller und einem Dritten führt in einem solchen Fall nicht zur entsprechenden Anwendung der kurzen kaufrechtlichen Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB im Verhältnis zwischen Planer und Hersteller.

BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - VIII ZR 227/00 - OLG Naumburg LG Halle


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 227/00

Verkündet am: 27. Juni 2001

Kirchgeßner, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. Juli 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, begehrt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen unzutreffender Beratung eines bei ihr haftpflichtversicherten Ingenieurbüros. Der Forderung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Jahre 1993 beauftragte die Gemeinde G. das Ingenieurbüro N. und Partner GmbH (im folgenden: N. GmbH) mit der Planung eines Schmutzwasserkanalsystems. Im Rahmen dieses Projekts sandte die N. GmbH am 25. Mai 1993 unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch vom 19. Mai 1993 folgendes Telefax an die Beklagte:

"Projekt Schachtpumpwerk R. .

Gemäß Besprechung vom 19.5.93 bitte ich Sie, ein Angebot für ein Schachtpumpwerk für folgende technische Bedingungen zu erarbeiten: ...

Welchen Anbieter würden Sie empfehlen?"

Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 7. Juni 1993:

"... Gemäß unseren Lieferbedingungen ... übersenden wir Ihnen anbei unser Angebot.

Entsprechend den genannten Betriebsdaten bieten wir Ihnen unsere Pumpen bzw. Anlagen an.

...

Bindefrist: 31.07.1993.

..."

Dem Schreiben waren zwei Blatt mit technischen Angaben der angebotenen Schneidradpumpen beigefügt.

Aufgrund dieses Schreibens der Beklagten sah die N. GmbH in ihrer Planung des Schachtpumpwerks den Einbau der beiden angebotenen Pumpen vor; auf ihre Veranlassung bezog sodann die mit der Bauausführung beauftragte Firma diese Pumpen bei der Beklagten und baute sie in die Anlage ein.

Nach Fertigstellung des Pumpwerks kam es zu ständigen Störungen beim Betrieb der Anlage. Der vom Landgericht Dresden in einem selbständigen Beweisverfahren eingeschaltete Sachverständige stellte fest, daß die gelieferten Pumpen für das Vorhaben nicht geeignet gewesen seien. Daraufhin leistete die N. GmbH der Gemeinde G. Schadensersatz in Höhe von 218.720,58 DM. Diesen Betrag ersetzte die Klägerin der N. GmbH als deren Haftpflichtversicherung. Sie nimmt nunmehr aus übergegangenem Recht die Beklagte wegen positiver Vertragsverletzung eines Beratungsvertrages in Anspruch und verlangt von ihr Erstattung der Hälfte ihrer Versicherungsleistung, wobei sie sich ein Mitverschulden der N. GmbH anrechnen läßt.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein etwaiger Schadensersatzanspruch unterliege wegen des engen Zusammenhangs ihrer Beratungstätigkeit mit dem späterem Verkauf der angebotenen Pumpen der kurzen kaufrechtlichen Verjährung des § 477 BGB und sei deshalb verjährt. Im übrigen habe sie die N. GmbH auf die Problematik des Einsatzes von Schneidradpumpen hingewiesen; diese habe sich jedoch aus Kostengründen für die preiswertere Lösung entschieden.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 109.360,29 DM gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzanspruch für verjährt und hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte sei im Rahmen der Anbahnung eines Kaufvertrages beratend tätig geworden. In der Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer sei jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur bei Vorliegen besonderer außergewöhnlicher und gewichtiger Umstände ein selbständiger, neben dem Kaufvertrag stehender Beratungsvertrag denkbar. In den Fällen, in denen sich die Beratung auf die Eigenschaften des Kaufgegenstandes beziehe, komme die Annahme eines solchen selbständigen Beratungsvertrages in aller Regel nicht in Betracht. Dort sei an eine durch die Ausdehnung der Verjährungsfrist verschärfte Haftung des Verkäufers nur zu denken, wenn sich seine beratende Tätigkeit nach Inhalt, Umfang, Intensität und Bedeutung für den Käufer so sehr verselbständigt habe, daß sie gewissermaßen als andersartige, auf einer eigenständigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlage beruhende Aufgabe des Verkäufers erscheine und als vertragliche Verpflichtung eigener Art neben dem Kaufvertrag stehe. Daran fehle es jedoch im vorliegenden Fall. Die Beklagte habe der N. GmbH lediglich eine Pumpe aus ihrer Produktpalette empfohlen. Auch wenn sie dabei gewußt habe, daß das Ingenieurbüro diese Angaben für die Planung eines Pumpwerks benötigt habe, sei dies nicht über die im Rahmen der bei Kaufvertragsverhandlungen üblichen Beratungstätigkeiten hinausgegangen. Auch habe bei der Beklagten aus der Sicht der N. GmbH keine herausragende, bei einem Verkäufer nicht ohne weiteres zu erwartende Sachkunde vorgelegen. Diese einheitliche Betrachtung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die N. GmbH das Vertragsangebot der Beklagten nicht selbst angenommen, sondern lediglich die Baufirma zu dem Erwerb der Pumpanlage veranlaßt habe; damit habe sich der Zweck des Angebots der Beklagten verwirklicht. Das Auseinanderfallen von Anfragendem und späterem Käufer sei daher ohne Bedeutung, wenn - wie hier - ein enger Zusammenhang der Interessenlage zwischen Berater und Verkäufer bestehe.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Die Rechtsprechung des Senats, wonach Ansprüche aus fehlerhafter Beratungstätigkeit des Verkäufers in entsprechender Anwendung des § 477 BGB grundsätzlich der kurzen kaufrechtlichen Verjährung unterliegen, wenn sich die Beratung auf eine Eigenschaft der Ware bezieht, hat das Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben (vgl. BGHZ 88, 130; Urteil vom 23. Juli 1997 - VIII ZR 238/96, WM 1997, 2315 = NJW 1997, 3227 unter II 2 a m.w.Nachw.). Ihm kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es meint, es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß der Anfragende mit dem späteren Käufer der Ware, auf die sich die Beratung des Verkäufers bezieht, nicht identisch sei.

a) Die vom Senat bisher entschiedenen Fallgestaltungen, in denen es um Ansprüche wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag ging, betrafen überwiegend die Rechtsbeziehungen zwischen Käufer und Verkäufer. Für diese Fälle hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß - was das Berufungsgericht nicht verkannt hat - der Verkäufer mit seiner Beratung über Eigenschaften oder die Verwendungsfähigkeit der Ware regelmäßig nur eine unselbständige Nebenpflicht erfüllt; die entsprechende Anwendung des § 477 BGB auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung dieser Beratungspflicht rechtfertigt sich aus dem Zweck der kurzen gewährleistungsrechtlichen Verjährung, der auf baldige Wiederherstellung des Rechtsfriedens abzielt und die mit zunehmendem Zeitablauf schwieriger werdenden Feststellungen über Vorhandensein und Folgen von Mängeln berücksichtigt, darüber hinaus aber auch aus der engen Verbindung zwischen dem Kaufvertrag und den aus ihm abzuleitenden Nebenpflichten und schließlich aus der Vermeidung von Wertungswidersprüchen, die sich aus der kurzen Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der kaufrechtlichen Hauptpflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache einerseits und der allgemeinen 30jährigen Verjährungsfrist hierauf bezogener Nebenpflichten andererseits ergeben würden (Senatsurteil vom 30. Mai 1990 - VIII ZR 367/89, WM 1990, 1469 = NJW-RR 1990, 1301 unter II 2 a = BGHR BGB § 477 Abs. 1, Verjährungsfrist 1 m.w.Nachw.). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eigenschaften, auf die sich die beratende Auskunft bezieht, einen Mangel darstellen oder nicht und ob der Verkäufer auch Hersteller der Ware ist oder lediglich als Zwischenhändler tätig wird. Entscheidend ist - abgesehen von der Qualifizierung der Beratung als selbständige Vertragspflicht eigener Art oder lediglich als unselbständige kaufvertragliche Nebenpflicht - ihre Beschränkung auf die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer.

b) Dementsprechend hat der Senat in dem genannten Urteil vom 30. Mai 1990 klargestellt, daß dann, wenn der Käufer nicht vom Verkäufer, sondern von dem mit diesem nicht identischen Hersteller der Ware beraten wird, die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt, sofern die Voraussetzungen eines Beratungsvertrages erfüllt sind (aaO unter b m.w.Nachw.). Auch in jenem Fall hatte die Beratung durch den Hersteller des Dichtungsmittels - wie hier - vor dem Abschluß des Kaufvertrages stattgefunden. Obwohl mithin die beratende Tätigkeit des Herstellers im erkennbaren Zusammenhang mit dem späteren Kaufvertrag zwischen dem Verwender der Ware und dem Zwischenhändler stand und die Empfehlung des Herstellers als Teil seiner Absatzbemühungen anzusehen war, hat der Senat diese Umstände für eine entsprechende Anwendung des § 477 BGB auch im Verhältnis Käufer - Hersteller nicht genügen lassen. Vielmehr hat er entscheidend darauf abgestellt, daß in einem derartigen Fall die Beratungspflicht unabhängig von einem Kaufvertrag begründet wird und die Anwendung der den Verkäufer privilegierenden kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB hier nicht gerechtfertigt ist.

Dieser Rechtsprechung des erkennenden Senats hat sich der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 19. März 1992 (III ZR 170/90, NJW-RR 1992, 1011 unter 2 b, c, vgl. auch Teilurteil vom 11. März 1999 - III ZR 292/97, WM 1999, 1170 = NJW 1999, 1540) ausdrücklich angeschlossen.

c) Die vorstehend dargelegten Grundsätze müssen in gleicher Weise herangezogen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Beratung zwar durch den (späteren) Verkäufer erfolgt, der Beratene aber mit dem (späteren) Käufer nicht identisch ist. Auch hier rechtfertigt weder der nur mittelbare Zusammenhang zwischen der Beratung und dem davon unabhängigen Kaufvertrag noch - wie das Berufungsgericht meint - der "enge Zusammenhang der Interessenlage zwischen Berater und Verkäufer" die Anwendung der kurzen kaufrechtlichen Verjährung auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Beratungspflicht.

§ 477 BGB stellt eine von den sonstigen Verjährungsvorschriften, insbesondere der 30jährigen Regelverjährung des § 195 BGB, erheblich abweichende Sonderregelung dar. Ihre Anwendung muß deshalb in enger Anlehnung an den Wortlaut des Gesetzes auf das Kaufvertragsverhältnis beschränkt bleiben (vgl. BGHZ 128, 74, 80). Auch soweit der Senat die entsprechende Anwendung der Norm auf andere als die in § 477 Abs. 1 BGB genannten Ansprüche aus den oben unter a) dargelegten Gründen für geboten erachtet, erstreckt sie sich nicht über das Kaufvertragsverhältnis hinaus.

2. Mit diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin seien verjährt, nicht zu vereinbaren.

Zwar trifft es zu, daß die N. GmbH mit ihrem Fax vom 25. Mai 1993 die Beklagte darum bat, "ein Angebot für ein Schachtpumpwerk für folgende technische Bedingungen zu erarbeiten ...". Bereits in diesem Schreiben hatte das Ingenieurbüro aber mit der abschließenden Frage danach, welchen Anbieter die Beklagte empfehlen würde, deutlich gemacht, daß es ihm - entgegen dem Wortlaut des einleitenden Satzes - nicht, jedenfalls nicht in erster Linie um ein Angebot für den Abschluß eines Kaufvertrages ging. In den Vorinstanzen hat die Klägerin hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Beklagte habe aufgrund des telefonischen Vorgesprächs vom 19. Mai 1993 gewußt, daß die N. GmbH lediglich Planungsleistungen zu erbringen hatte. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

Daß die Anfrage an die Beklagte auch der Anbahnung eines Kaufvertrages mit einem Dritten diente, reicht, wie erwähnt, für die Anwendung der kaufrechtlichen Sonderregelung des § 477 BGB auf Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung außerhalb eines Kaufvertragsverhältnisses nicht aus (Senatsurteil vom 30. Mai 1990 - VIII ZR 367/89, BGHR BGB § 477 Abs. 1, Verjährungsfrist 1 = WM 1990, 1469 unter II 2 b).

III. Das angefochtene Urteil kann daher auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keinen Bestand haben. Die Sache ist jedoch nicht zur Endentscheidung reif, weil es hierzu weiterer tatrichterliche Feststellungen bedarf (§ 565 Abs. 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens zu prüfen haben, ob zwischen dem Ingenieurbüro und der Beklagten ausdrücklich oder stillschweigend ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag geschlossen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1992 aaO unter 1 a und b m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht hat zu dieser Frage, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nur unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen Beratungsvertrages im Rahmen einer schon bestehenden oder angestrebten Kaufvertragsbeziehung zwischen den Parteien Stellung genommen, dessen Zustandekommen lediglich - ausnahmsweise - bei Vorliegen besonderer und außergewöhnlicher Umstände zu bejahen ist (BGH, Urteil vom 23. Juli 1997- VIII ZR 238/96, NJW 1997, 3227 unter II 2 c und vom 23. Juni 1999 - VIII ZR 84/98, NJW 1999, 3192 unter 2). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht weiter der von der Klägerin bestrittenen Behauptung der Beklagten nachzugehen haben, sie habe die N. GmbH auf die Problematik beim Einsatz der - angebotenen und eingebauten - Schneidradpumpen hingewiesen, das Planungsbüro habe sich jedoch aus Kostengründen für diese Lösung entschieden. Sollte sich dieser Vortrag als zutreffend erweisen, könnte eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Entscheidung des Planungsbüros entfallen oder aber mit einer geringeren als der eingeklagten Quote von 50 % zu bewerten sein. Nach alledem ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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