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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: VIII ZR 345/03
Rechtsgebiete: KWKG, ZPO


Vorschriften:

KWKG § 2 Abs. 1 Satz 1
KWKG § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
KWKG § 3 Abs. 1
KWKG § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1
KWKG § 4 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 139
ZPO § 559 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 345/03

Verkündet am: 14. Juli 2004

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterin Hermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. August 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die S. GmbH (nachstehend: S. ), über deren Vermögen der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist, und die ursprüngliche Beklagte, die V. AG (V. ), die im Jahr 2002 auf die jetzige Beklagte verschmolzen worden ist (nachstehend einheitlich: die Beklagte), schlossen am 16. September 1996 einen langjährigen "Elektrizitätsliefervertrag betreffend S. am Standort S. ", der mit Nachtrag vom 19. Dezember 1997/5. Januar 1998 geändert und ergänzt wurde. Danach liefert die S. und bezieht die Beklagte die "gesamte elektrische Arbeit, die im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung bei der Bereitstellung von Prozeßdampf und Heizwärme erzeugt wird, abzüglich des von S. benötigten Eigenbedarfes an elektrischer Energie, abzüglich des elektrischen Bedarfes der Sauerstoffanlage der Firma A. sowie abzüglich des elektrischen Bedarfes der in beigefügter Anlage ... aufgelisteten Fremdabnehmer". Am 23./29. Februar 2000 vereinbarten die S. und die Beklagte in einer weiteren Ergänzung ihres Vertrages vom 16. September 1996 für das Jahr 2000 unter anderem einen Festpreis von 4,5 Pfennig je Kilowattstunde.

Der von der S. erzeugte Strom wird, soweit er nicht für den erwähnten Eigenbedarf oder für die Versorgung Dritter bestimmt ist, über eine Schaltanlage in das Netz der L. AG (nachfolgend: L. ) eingespeist. Von dort führt ein Kabel zum Ausschleifungsbauwerk der e. AG (jetzt e. AG; nachfolgend: e. ). Den von der S. erzeugten und an die e. gelieferten Strom rechnet die Beklagte aufgrund eines Stromliefervertrages mit der e. ab.

Am 18. Mai 2000 trat das Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz; KWKG) vom 12. Mai 2000 (BGBl. I 2000 S. 703) in Kraft. Daraufhin verlangte die S. für den von ihr gelieferten Strom ab dem 1. Juni 2000 die Zahlung der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten Vergütung von 9 Pfennig pro Kilowattstunde. Sie erhielt jedoch lediglich die niedrigere vertraglich vereinbarte Vergütung.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die S. die Beklagte für ihre Stromlieferungen in den Monaten Juni bis einschließlich November 2000 auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der vertraglich vereinbarten Vergütung und der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten Vergütung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.781.531,34 DM = 1.422.174,30 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat unter anderem der B. (B. ) AG den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob die S. nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG anspruchsberechtigt und die Beklagte nach § 3 Abs. 1 KWKG verpflichtet ist und ob gegebenenfalls die vertraglich vereinbarte oder die in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmte Vergütung zu zahlen ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der S. hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die S. mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gewandt. Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der S. das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger hat den unterbrochenen Rechtsstreit aufgenommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die S. gehöre nicht zu den nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz Anspruchsberechtigten. Vergeblich berufe sie sich auf § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG. Zusammengefaßt mit § 2 Abs.1 Satz 1 KWKG regele das Gesetz insoweit "die Abnahme und Vergütung von Strom aus KWK-Anlagen ..., der auf der Grundlage von Lieferverträgen, die vor dem 1. Januar 2000 abgeschlossen wurden, von einem Energieversorgungsunternehmen bezogen wird". Auf diesen von einem Energieversorgungsunternehmen bezogenen Strom beziehe sich die im Gesetz festgelegte Pflicht zur Stromabnahme und zur festgesetzten Vergütung des abzunehmenden Stroms. Das sei sprachlich ganz eindeutig. Es sei also im Falle des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG nicht das Strom aus KWK-Anlagen beziehende Energieversorgungsunternehmen abnahme- und vergütungspflichtig. Andernfalls müsse es auch widersinniger Weise so sein, daß durch den Strombezug die Verpflichtung zur Abnahme des bezogenen Stroms entstehe. Das Energieversorgungsunternehmen komme vielmehr nur als Berechtigter einer Abnahmeverpflichtung und als Vergütungsberechtigter in Betracht. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich nichts anderes.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht den von dem Kläger für die Lieferung von Strom in den Monaten Juni bis November 2000 geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der vertraglich vereinbarten Vergütung und der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten Vergütung in Höhe von 1.422.174,30 € nebst Zinsen verneint hat. Nach den bisher getroffenen Feststellungen und dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Vortrag des Klägers kann dieser von der Beklagten für den von der S. gelieferten Strom gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG in Verbindung mit dem Vertrag vom 16. September 1996 die Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG verlangen.

1. Der vorgenannte Anspruch ist noch nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 12. Mai 2000 (aaO) zu beurteilen. Dieses Gesetz ist zwar inzwischen außer Kraft getreten. Das ist jedoch nach § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) vom 19. März 2002 (BGBl. I 2002 S. 1092; im folgenden: KWKG 2002) erst am 1. April 2002 und damit nach dem hier in Rede stehenden Zeitraum geschehen.

2. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWKG sind Netzbetreiber verpflichtet, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) nach § 2 Abs. 1 an ihr Netz anzuschließen, den Strom aus Anlagen nach § 2 abzunehmen und den eingespeisten Strom nach § 4 zu vergüten. Diese Verpflichtung wird durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG dahin eingeschränkt, daß bereits bestehende vertragliche Abnahmeverpflichtungen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 KWKG unberührt bleiben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG gilt das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz auch für Strom aus KWK-Anlagen auf der Basis von Steinkohle, Braunkohle, Erdgas, Öl oder Abfall, der auf der Grundlage von Lieferverträgen, die vor dem 1. Januar 2000 abgeschlossen wurden, von einem Energieversorgungsunternehmen bezogen wird. Das trifft hier zu.

a) Der Strom, den die Beklagte von der S. in den Monaten Juni bis November 2000 aufgrund des am 16. September 1996 und damit vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Stromliefervertrages bezogen hat, stammt aus einer der genannten KWK-Anlagen.

b) Die Beklagte ist auch ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG. Das sind nach der auch für das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz als Teil des Energiewirtschaftsrechts einschlägigen Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 3 EnWG (in der seinerzeit geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998, BGBl. I 1998 S. 730; jetzt gemäß Art. 1 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 20. Mai 2003, BGBl. I 2003 S. 686, wortgleich § 2 Abs. 4) alle Unternehmen und Betriebe, die andere mit Energie versorgen oder ein Netz für die allgemeine Versorgung betreiben. Anders als in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 KWKG und des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWKG ist nicht erforderlich, daß sie die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern sicherstellen und als Energieversorger bereits am 31. Dezember 1999 tätig waren (Senatsurteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 236/02, ZNER 2004, 178, unter II 2 c; Senatsurteil vom 10. März 2004 - VIII ZR 213/02, ZNER 2004, 182, unter B I 2 a bb; jeweils mit zust. Anm. Riedel, ZNER 2004, 185). Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen in dem genannten Sinne. Sie betreibt ein überregionales Übertragungsnetz. Auch ein solches Netz, durch das regionale Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom beliefert werden, dient der allgemeinen Versorgung (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2003 - VIII ZR 165/01, WM 2004, 742 unter II 2 a). Zugleich versorgt die Beklagte andere mit Strom.

c) Nach dem Zweck des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes muß eine weitere Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes erfüllt sein. Dieser Zweck ist gemäß § 1 KWKG der befristete Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in der allgemeinen Versorgung im Interesse von Energieeinsparung und Klimaschutz. Danach ist auch im Fall des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG erforderlich, daß der Strom für die allgemeine Versorgung bestimmt ist (Senatsurteil vom 11. Februar 2004 aaO; Senatsurteil vom 10. März 2004 aaO, unter B I 2 a cc). Diese Voraussetzung ist hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zu bejahen.

Die S. hat in den Vorinstanzen unter Vorlage von Netzplänen im einzelnen dargelegt, daß der von der Beklagten bezogene Strom aus ihrem Kraftwerk über das Netz der L. in das der allgemeinen Versorgung dienende Netz der e. gelange, mit der die Beklagte den Strom ihrerseits aufgrund eines Stromliefervertrages abrechne. In Übereinstimmung damit hat die Beklagte vorgetragen, der von der S. erzeugte Strom werde über eine Schaltanlage der L. in deren Netz eingespeist, wo er einen Teil der vertraglichen Lieferungen der Beklagten an die e. ausmache. Dementsprechend heißt es in dem unstreitigen Teil des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils, daß der von der S. erzeugte Strom über eine Schaltanlage der L. in deren Netz eingespeist wird, daß von dort ein Kabel zum Ausschleifungsbauwerk der e. führt und daß die Beklagte den von der S. erzeugten und an die e. gelieferten Strom aufgrund eines Stromliefervertrages mit der e. abrechnet. Hierauf wird im Tatbestand des Berufungsurteils verwiesen.

Von diesem Sachverhalt, dessen Berichtigung nicht beantragt worden ist, ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in der Revisionsinstanz auszugehen. Vergeblich rügt die Revisionserwiderung insoweit, das Berufungsgericht habe die Beklagte unter Verstoß gegen § 139 ZPO nicht darauf hingewiesen, daß die Verwendung des von der S. gelieferten Stroms für die Beurteilung des Rechtsstreits erheblich sei; gegebenenfalls hätte die Beklagte vorgetragen, daß der von ihr bezogene Strom nicht in das der allgemeinen Versorgung dienende Netz der e. gelangt, sondern in dem Industrienetz der L. verblieben sei. Zu dem vermißten Hinweis bestand keine Veranlassung. Das Berufungsgericht mußte nicht damit rechnen, daß die Beklagte falsche Behauptungen über die Verwendung des von der S. gelieferten Stroms aufstellt, weil sie diese für unerheblich hält. Nach § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Das gilt unabhängig davon, ob sie die genannten Umstände für erheblich halten oder nicht. Davon abgesehen wäre der neue Vortrag der Beklagten auch unschlüssig, da er nicht erkennen läßt, wie die Beklagte den von der S. gelieferten und von ihr, der Beklagten, zumindest teilweise bezahlten Strom bezogen hat, wenn er nicht in das Netz der e. gelangt, sondern im Netz der L. verblieben ist.

d) Für eine noch weitergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG besteht keine Veranlassung. Vergeblich verweist die Revisionserwiderung insoweit auf die Begründung des Gesetzentwurfs für das spätere Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 19. März 2002, das das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 12. Mai 2000 abgelöst hat (vgl. oben unter II 1). Darin heißt es zwar, der dort vorgesehene Anspruch auf eine Zusatzvergütung sei betreiberneutral ausgestaltet; auch KWK-Anlagen, die nicht von Energieversorgungsunternehmen betrieben würden, die die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern sicherstellten, fielen in den Anwendungsbereich der Neuregelung, soweit sie Strom in die Netze für die allgemeine Versorgung einspeisten (BT-Drucks. 14/7024 S. 9). Aus dieser nicht unmittelbar auf das hier in Rede stehende Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 12. Mai 2000 bezogenen Bemerkung läßt sich jedoch entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht sicher schließen, § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG erfasse gemäß der eigenen Interpretation des Gesetzgebers - wie § 2 Abs. 1 Satz 1 KWKG - nur Strom aus KWK-Anlagen, die von Energieversorgungsunternehmen betrieben werden, die die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern sicherstellen. Träfe dies zu, verbliebe im übrigen neben § 2 Abs. 1 Satz 1 KWKG für § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG kein eigenständiger Anwendungsbereich; die Regelung wäre überflüssig. Davon kann indessen nicht ausgegangen werden, zumal § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mit dem erklärten Ziel geändert worden ist (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 2004 aaO, unter II 2 c; Senatsurteil vom 10. März 2004 aaO, unter B I 2 a bb), den Anwendungsbereich des Gesetzes auszudehnen (vgl. den Bericht des Abgeordneten Jung in BT-Drucks. 14/3007 S. 4 unter IV).

3. Ist auf den gelieferten Strom gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz anzuwenden, steht die nach § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 KWKG geschuldete Vergütung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dem Energieversorgungsunternehmen zu, das den Strom bezogen hat. Wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat, ist anspruchsberechtigt vielmehr der Betreiber der KWK-Anlage, aus der der Strom kommt. Das ist in den genannten Vorschriften zwar nicht ausdrücklich geregelt. Dafür sprechen jedoch der nach § 1 KWKG bezweckte Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung vor sinkenden Strompreisen im liberalisierten Strommarkt, der nur zu verwirklichen ist, wenn der Vergütungsanspruch dem Anlagenbetreiber zugute kommt, sowie die Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und § 4 Abs. 2 KWKG, die sinnlos wären, wenn das Energieversorgungsunternehmen anspruchsberechtigt wäre (Senatsurteil vom 11. Februar 2004 aaO, unter II 3; Senatsurteil vom 10. März 2004 aaO, unter B I 2 b und B II). Danach steht hier die nach § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 KWKG geschuldete Vergütung dem Kläger zu, da die S. Betreiberin der KWK-Anlage ist, aus der der von der Beklagten bezogene Strom stammt.

4. Der Vergütungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG bleiben bereits bestehende vertragliche Abnahmeverpflichtungen auf Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 unberührt. Danach ist die Beklagte auch weiterhin gemäß dem Stromliefervertrag vom 16. September 1996 zur Stromabnahme verpflichtet. Demgemäß muß sie den bezogenen Strom auch vergüten. Dies beruht, wie der Senat bereits entschieden hat, darauf, daß die Vergütungspflicht mit der Abnahmepflicht insofern in einem untrennbaren Zusammenhang steht, als die Vergütung die synallagmatische Gegenleistung für den gelieferten Strom ist. Dagegen hat es der Senat als ausgeschlossen angesehen, daß der Netzbetreiber nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG zur Vergütung desjenigen Stroms verpflichtet ist, den das - mit ihm nicht notwendigerweise identische - Energieversorgungsunternehmen aufgrund seiner nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG unberührten vertraglichen Abnahmeverpflichtung von dem Anlagenbetreiber bezieht (Senatsurteil vom 11. Februar 2004 aaO, unter II 4; Senatsurteil vom 10. März 2004 aaO, unter B I 2 b).

Aus dem Umstand, daß der von der Beklagten bezogene Strom zunächst in das Netz der L. und aus diesem sodann in das der allgemeinen Versorgung dienende Netz der e. eingespeist wird und jedenfalls zu einem dieser beiden Netze vom Standort der KWK-Anlage der S. aus die kürzeste Entfernung besteht, ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung wie zuvor schon des Landgerichts nichts anderes. Zwar trifft die Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWKG, den Strom aus KWK-Anlagen abzunehmen und zu vergüten, nach § 3 Abs. 1 Satz 2 KWKG den Netzbetreiber, zu dessen Netz die kürzeste Entfernung besteht. Dies gilt jedoch nicht in dem hier gegebenen Fall des § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWKG. Danach bleiben bereits bestehende vertragliche Abnahmeverpflichtungen unberührt. Deswegen fehlt es in diesem Fall an der in § 3 Abs. 1 Satz 2 KWKG vorausgesetzten Abnahmepflicht des Netzbetreibers. Trifft den Netzbetreiber aber keine Pflicht zur Abnahme des Stroms, kann er, wie vorstehend erwähnt, auch nicht zu dessen Vergütung verpflichtet sein. Damit ist auch allen weiteren Überlegungen der Revisionserwiderung, die auf einer Abnahme- und Vergütungspflicht der L. oder der e. beruhen, die Grundlage entzogen.

Auch der von der Revisionserwiderung weiter angeführte Umstand, daß nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 KWKG nur der Netzbetreiber Anspruch auf Belastungsausgleich hat, rechtfertigt es nicht, im Falle des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG den Betreiber des nächstgelegenen Netzes und nicht das den Strom beziehende Energieversorgungsunternehmen als vergütungspflichtig anzusehen. Richtig ist zwar, daß kein Grund ersichtlich ist, dem betreffenden Energieversorgungsunternehmen anders als dem Netzbetreiber, der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWKG zur Abnahme und Vergütung von Strom verpflichtet ist, den Belastungsausgleich zu versagen. Dies kann jedoch nicht dazu führen, die Vergütungspflicht entgegen den oben genannten Gründen dem Netzbetreiber aufzuerlegen. Vielmehr ist § 5 Abs. 1 KWKG gegebenenfalls im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungskonform dahin auszulegen, daß auch dem Energieversorgungsunternehmen, das im Fall des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG für den von ihm bezogenen Strom die Vergütung nach § 4 KWKG zu zahlen hat, der Anspruch auf Belastungsausgleich zusteht.

5. In Bezug auf die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung ist gemäß dem Senatsurteil vom 11. Februar 2004 (aaO, unter II 5 a) nach Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes von der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten Mindestvergütung auszugehen. Wie der Senat weiter entschieden hat (aaO, unter II 5 b), gilt die Mindestvergütung allerdings nicht unbeschränkt, weil ihre Einführung in die bestehenden Lieferverträge wegen besonderer Umstände im Einzelfall zu einer erheblichen Störung des Vertragsgefüges führen kann, die gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Herabsetzung erforderlich macht. Die Revisionserwiderung beruft sich darauf, daß hier derartige Umstände vorlägen. Dies entzieht sich schon deswegen einer Beurteilung in der Revisionsinstanz, weil es hierzu sowohl an tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts als auch an Vortrag der Beklagten in den Vorinstanzen fehlt, wozu allerdings bislang auch keine Veranlassung bestand.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es gemäß den vorstehenden Ausführungen (unter II 5) - gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien - noch tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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