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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.11.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 345/97
Rechtsgebiete: AVBEltV, ZPO


Vorschriften:

AVBEltV § 2 Abs. 2
AVBEltV § 6 Abs. 1 und Abs. 2
AVBEltV § 1 Abs. 2
ZPO § 527
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 2 Abs. 3 Ziffer 2
ZPO § 528 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 345/97

Verkündet am: 25. November 1998

Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 1998 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. November 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte beliefert die Klägerin, die ein Unternehmen für Luftkanalbau, Klima- und Schallschutz betreibt, etwa seit Mitte 1994 mit elektrischer Energie; zuvor war die Klägerin von der Firma L. aufgrund eines formlos geschlossenen Versorgungsvertrages mit Strom beliefert worden.

Am 7. Juli 1995 führte der Defekt eines Spannungsreglers im Heizkraftwerk der Beklagten zu einer Überspannung im Werk der Klägerin. Mit der Behauptung, hierdurch sei an ihren Produktionsmaschinen ein Schaden entstanden, nimmt die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz einschließlich entstandenen Umsatzausfalls, insgesamt 96.290,87 DM, in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es sei ein Stromlieferungsvertrag gemäß § 2 Abs. 2 AVBEltV zustande gekommen, weshalb die Beklagte für Schaden nur im Rahmen des § 6 AVBEltV hafte; ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten liege jedoch nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat sie mit Schriftsatz vom 18. März 1997 unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, ihr sei erst jetzt bekannt geworden, daß die bei der Beklagten neu installierte Überwachungstechnik nur mit einem speziell ausgerüsteten Personalcomputer überwacht werden könne; dieser sei jedoch bei der Beklagten nicht dauerhaft installiert, sondern werde vom Geschäftsführer der Beklagten "ab und an von zu Hause mitgebracht".

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat sich der Begründung des Landgerichts angeschlossen, daß die Klägerin nicht Sonderkundin der Beklagten im Sinne der Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) geworden sei mit der Folge, daß auf die Klägerin die für Tarifkunden geltenden Vorschriften der Verordnung gemäß § 1 Abs. 2 AVBEltV einschließlich der Haftungsbeschränkung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 AVBEltV anzuwenden seien. Auch nach dem neuen Vortrag der Klägerin, die neue Überwachungstechnik könne nur mit einem speziellen Personalcomputer betrieben werden, welchen der Geschäftsführer der Beklagten nur ab und an von zu Hause mitbringe, sei ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten gemäß § 6 Abs. 1, 2 AVBEltV nicht festzustellen. Es könne dabei dahinstehen, ob das neue Vorbringen der Klägerin gemäß §§ 527, 519 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Ziffer 2 ZPO oder gemäß § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen sei. Denn der neue Tatsachenvortrag der Klägerin zum Verschulden der Beklagten anläßlich des Schadensereignisses sei nicht hinreichend substantiiert und deshalb dem angebotenen Beweis unzugänglich. Es werde nicht dargelegt, daß gerade am Schadenstag der für die Überwachungstechnik erforderliche Computer nicht installiert gewesen sei.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Klägerin nicht Sonderkundin der Beklagten ist und deshalb die Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. 1979 I 684) anzuwenden sind. Danach haftet die Beklagte für Sach- und Vermögensschäden (zur Abgrenzung vgl. Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1981 Bd. 1 § 6 AVBEltV/GasV Rdnr. 132), die durch Unterbrechung der Elektrizitätsversorgung oder durch Unregelmäßigkeiten in der Elektrizitätsbelieferung entstanden sind, nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der dort genannten Personen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVBEltV) sowie der Höhe nach beschränkt (§ 6 Abs. 2 AVBEltV).

2. Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den Tatsachenvortrag der Klägerin zum Verschulden der Beklagten als unsubstantiiert angesehen und deshalb den angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben.

a) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Klägerin, wie die Revision zu Recht rügt, in ihrem Schriftsatz vom 18. März 1997 behauptet, daß am Schadenstag (7. Juli 1995) der für die Überwachungstechnik erforderliche Computer nicht installiert gewesen sei; dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin, eine Computerüberwachung sei an jenem Tag nicht gegeben gewesen. Damit ist der neue Vortrag der Klägerin für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch erheblich. Sofern ihre Behauptungen zutreffen, die neue Überwachungstechnik könne durchgängig nur mit einem speziellen Personalcomputer betrieben werden, ein solcher Computer sei in dem Unternehmen aber nicht dauerhaft installiert, sondern werde nur gelegentlich von dem Geschäftsführer der Beklagten von zu Hause mitgebracht, im übrigen werde die Überwachung, so auch am Schadenstag, durch Mitarbeiter von Hand durchgeführt, haben die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVBEltV genannten Personen - davon geht offensichtlich auch das Berufungsgericht aus - den Schaden grob fahrlässig verursacht.

b) Der Vortrag der Klägerin ist auch hinreichend substantiiert. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. In welchem Maß sie ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muß, hängt vom Einzelfall ab; zu berücksichtigen ist insbesondere, ob sich die Geschehnisse, die Gegenstand des Parteivortrags sind, im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben (Senatsurteil vom 13. März 1996 - VIII ZR 36/95 = WM 1996, 1013 unter III 2 c bb = BGHR ZPO § 138 Abs. 1 Darlegungslast 6). Da es sich bei dem behaupteten Vorgang um eine Tatsache außerhalb des Kenntnisbereichs der Klägerin handelt, brauchte diese daher keine näheren Umstände hinsichtlich des bei der Beklagten bestehenden Überwachungsverfahrens zur Vermeidung von Überspannungen vorzutragen.

c) Nach dem gegenwärtigen Sachstand kann ferner nicht angenommen werden, daß das Vorbringen der Klägerin zwar in das Gewand einer bestimmten Behauptung gekleidet, diese aber auf das Geratewohl aufgestellt, also aus der Luft gegriffen ist (Senatsurteil vom 13. März 1996 aaO). Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen, sie habe von dem nur zeitweise installierten Überwachungscomputer durch zwei ehemalige Mitarbeiter erfahren, und sich hierfür auf deren Zeugnis berufen. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, daß für die Behauptungen der Klägerin jegliche tatsächliche Anhaltspunkte fehlen, so daß sich ihr Verhalten als Rechtsmißbrauch darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 = NJW 1992, 1967 unter II 3 b = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweisantrag, Ablehnung 6).

3. Schließlich hat das Berufungsgericht übersehen, daß - wie sich aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVBEltV ergibt - der Verordnungsgeber dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt hat, daß die Beschädigungen der Sachen und die Vermögensschäden nicht durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der dort genannten Personen verursacht worden sind (Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, aaO § 6 AVBEltV/GasV Rdnr. 131).

4. Da das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin nicht wegen Verspätung zurückgewiesen hat, sondern die Frage einer Zurückweisung ausdrücklich dahinstehen ließ, und dies auch nicht vom Revisionsgericht nachgeholt werden kann (Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 - VIII ZR 204/82 = NJW 1990, 1302 unter II 2 b bb; Senatsurteil vom 1. April 1992 - VIII ZR 86/91 = NJW 1992, 1965 unter II 2), war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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