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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: VIII ZR 80/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 556
Zu den Einwendungen gegen eine Abrechnung des Vermieters über Vorauszahlungen für Betriebskosten, die der Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung geltend machen muss, gehört auch der Einwand, dass der Vermieter Betriebskosten, die nach der mietvertraglichen Vereinbarung durch eine Teilinklusivmiete abgegolten sein sollten, abredewidrig konkret abgerechnet habe (Fortführung Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 279/06, NJW 2008, 283).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 80/07

Verkündet am: 5. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel und den Richter Dr. Achilles

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Februar 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe eines Betrages von mehr als 184,16 € nebst anteiligen Zinsen zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 6. Juli 2006 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 808,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2006 zu zahlen.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges und des Berufungsrechtszuges haben die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen. Von den Kosten des Revisionsrechtszuges haben die Klägerin 3/7 und die Beklagte 4/7 zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die Mitmieterin einer ihrer Wohnungen war, die Nachzahlung von Nebenkosten für die Kalenderjahre 2001 bis 2004. Der Mietvertrag besagt zu den Nebenkosten in § 4 Abs. 2 Folgendes:

"Neben dem Mietzins gem. Ziffer 1. werden anteilig sämtliche Betriebskosten i.S. von Anlage 3 zu § 27 II BV umgelegt..."

Durch die dann folgende Aufstellung der einzelnen Nebenkostenpositionen verläuft ein diagonaler Strich von links unten nach rechts oben, auf dem sich der Zusatz befindet: "siehe Zusatzvereinbarung".

Diese Zusatzvereinbarung lautet unter Ziff. 2:

"In Ergänzung der in § 4 Abs. 2 des Mietvertrages vorgesehenen Regelung der Nebenkosten gilt folgendes:

 Neben der Grundmiete von = 550,00 DM
sind Betriebskosten 80,00 DM
einer Vorauszahlung von 
die Kosten für die Entwässerung, Wasser- und allgem. Stromverbrauch (2 Pers. X 25,00 DM) 50,00 DM
die Heizkostenvorauszahlung mit 80,00 DM
die Treppenhausreinigung 25,00 DM
die Kosten für die Gemeinschaftsantennenanlage 24,77 DM
insgesamt brutto monatlich 809,77 DM

zu zahlen."

Die Auslegung der im Mietvertrag getroffenen Nebenkostenabrede ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin ist so verfahren, dass sie in den binnen Jahresfrist nach Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode erteilten Nebenkostenabrechnungen die umgelegten Kosten insgesamt vereinzelt unter Nennung der Gesamtausgaben, der Verteilungsmaßstäbe und der auf die Beklagte im Verhältnis zur Gesamtmenge entfallenden Anteile aufgelistet sowie unter Saldierung mit den jeweils geleisteten Vorauszahlungsbeträgen in Rechnung gestellt hat.

Das Amtsgericht hat die Klage mangels ordnungsgemäßer Nebenkostenabrechnung abgewiesen. Das Berufungsgericht, das die Abrechnungen als formal ordnungsgemäß angesehen hat, hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihre Nachzahlungsforderungen auch im Übrigen weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat nur hinsichtlich der Abrechnungsjahre 2001 bis 2003 Erfolg. Hinsichtlich des Abrechnungsjahres 2004 ist sie unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat die in Höhe von 992,96 € beanspruchte Nebenkostennachforderung nur in Höhe von 559,85 € zuerkannt und zur Begründung ausgeführt:

Die Ausfüllung des Formularvertrages mit dem diagonal über die Nebenkostenpositionen verlaufenden Verweis auf die Zusatzvereinbarung sei als ein Durchstreichen der dort abgedruckten Nebenkostenregelung einschließlich der dort enthaltenen Bezugnahme auf Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung zu verstehen und habe die Bedeutung, dass die Zusatzvereinbarung den derart überschriebenen Vertragspassus nicht ergänzt, sondern ihn ersetzt habe. Zu erstatten seien danach nur diejenigen Nebenkosten, die in der Zusatzvereinbarung aufgelistet seien. Die nicht einzeln aufgeführten Betriebskosten hätten dagegen pauschal mit dem dort genannten Betrag von 80 DM monatlich abgegolten werden sollen. Dem entsprechend seien die neben den genau abzurechnenden Nebenkostenpositionen Wasser, Abwasser, Heizkosten, Kabel/Antenne und Treppenhausreinigung angefallenen übrigen Betriebskosten nicht - wie geschehen - mit den genauen Umlagewerten in die Nebenkostenabrechnungen einzustellen, sondern mit der monatlichen Pauschale von 80 DM (= 40,90 €). Das habe zur Folge, dass die darin enthaltenen, jedoch genau abgerechneten Kosten zu korrigieren seien, soweit sie von der vereinbarten Pauschale abwichen. Dem stehe auch § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB nicht entgegen. Die Vorschrift schließe Einwendungen des Mieters nicht aus, wenn der Vermieter trotz Vereinbarung einer Teilinklusivmiete darin enthaltene Betriebskosten abredewidrig abrechne.

II.

Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Soweit das Berufungsgericht dem auf der Nebenkostenabrede des Formularvertrages quer geschriebenen Verweis auf die Zusatzvereinbarung nicht nur eine Ergänzung, sondern eine inhaltlich abschließende Ersetzung der Erstattungsabrede entnommen hat, beanstandet die Revision dies ohne Erfolg als rechtsfehlerhaft. Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach dem Wortlaut der Ergänzungsvereinbarung die hier getroffene Nebenkostenabrede "in Ergänzung der in § 4, Abs. 2 des Mietvertrages vorgesehenen Regelung der Nebenkosten" gelten sollte, und dass dort das Kästchen betreffend die Vorauszahlung und nicht betreffend einen möglichen Festbetrag angekreuzt ist, was nach Auffassung der Revision dafür spricht, dass die Zusatzvereinbarung nicht die Erstattungsfähigkeit einzelner Nebenkosten regeln, sondern sich in ihrem Bedeutungsgehalt auf die Festlegung eines bestimmten Vorauszahlungsbetrages beschränken soll. Das Berufungsgericht hat jedoch erkannt, dass die Eintragungen im Mietvertragsformular insgesamt missverständlich sind, und den quer geschriebenen Verweis auf die Zusatzvereinbarung gleichwohl als weitergehende Ersetzung der Nebenkostenabrede gewertet. Hierbei hat es sich auf den Wortlaut der Ergänzungsvereinbarung gestützt, der dafür spricht, dass lediglich für die genannten Einzelkosten eine Vorauszahlung geleistet werden sollte, während die insoweit unbenannt vor die Klammer gezogenen Betriebskosten mit 80 DM monatlich pauschal abgegolten sein sollten. Diese Auslegung ist möglich und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Als tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung ist sie daher für das Revisionsgericht bindend.

2. Diese Vertragsauslegung kommt jedoch nur für das Abrechnungsjahr 2004 zum Tragen, weil die Beklagte nur für diesen Zeitraum nicht durch § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB mit ihrem Einwand ausgeschlossen ist, die Klägerin habe unrichtig abgerechnet. Lediglich gegenüber der für das Kalenderjahr 2004 erteilten Nebenkostenabrechnung vom 8. Dezember 2005 hat die Beklagte binnen Jahresfrist, nämlich mit dem im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsatz vom 23. Juni 2006, gerügt, dass die Abrechnung nicht der mietvertraglichen Nebenkostenregelung entspreche. Für die drei vorausgegangenen Abrechnungsjahre ist hingegen binnen Jahresfrist keine vergleichbare Beanstandung erhoben worden. Deshalb ist die Beklagte mit diesem Einwand für die Kalenderjahre 2001 bis 2003 ausgeschlossen (§ 556 Abs. 3 Satz 6 BGB). Der Einwendungsausschluss nach dieser Vorschrift betrifft, wie der Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 10. Oktober 2007 (VIII ZR 279/06, NJW 2008, 283 = WuM 2007, 694) entschieden hat, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch Einwendungen, mit denen der Mieter gegenüber einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung beanstandet, dass es für bestimmte Betriebskosten an einer vertraglichen Vereinbarung über deren Umlage fehle (aaO, unter B II). Das gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass der Vermieter Betriebskosten abrechnet, die nach der mietvertraglichen Vereinbarung durch eine Teilinklusivmiete abgegolten sein sollten.

Zur Frage, ob die Beklagte eine verspätete Geltendmachung von Einwendungen nicht zu vertreten hat, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, nachdem hierzu bereits kein Sachvortrag der Beklagten gehalten war. Ein solcher Sachvortrag ist angesichts der offensichtlichen Abweichungen der erteilten Betriebskostenabrechnungen von der Teilpauschalierungsabrede der Ergänzungsvereinbarung zum Mietvertrag auch nicht zu erwarten.

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben und ist gem. § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben, soweit sie für die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2001 bis 2003 den nach § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB eingetretenen Einwendungsausschluss abgelehnt und für diese Jahre anstelle der geltend gemachten Nachzahlung von 777,40 € (182,18 € für 2001, 17,41 € für 2002 und 577,81 € für 2003) nur einen Betrag von insgesamt 528,45 € zuerkannt hat (53,24 € Nachzahlung für 2001, 89,99 € Guthaben für 2002 und 565,20 € Nachzahlung für 2003). Für das vom Einwendungsausschluss nicht erfasste Kalenderjahr 2004 hat das Berufungsgericht dagegen rechtsfehlerfrei einen Nachzahlungsbetrag von 31,40 € festgestellt, so dass die Beklagte der Klägerin für den gesamten Abrechnungszeitraum von 2001 bis 2004 noch eine Nachzahlung von 808,80 € schuldet. Hinsichtlich des weitergehenden Betrages ist die Klage deshalb abzuweisen, was der Senat in der Sache selbst entscheiden kann, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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