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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: VIII ZR 93/01
Rechtsgebiete: ZPO, StVZO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
StVZO § 29
BGB § 463
BGB § 459 Abs. 2
BGB § 459 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 93/01

Verkündet am: 13. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Wiechers

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin als Leasingnehmerin der Käuferin, der Firma B. Leasing GmbH, berechtigt ist, aus abgetretenem Recht der Leasinggeberin von der Beklagten als Verkäuferin des Leasingfahrzeugs, eines gebrauchten Lastkraftwagens, wegen dessen Mangelhaftigkeit Schadensersatz zu verlangen.

Die Klägerin hatte zunächst beabsichtigt, von der Beklagten dieses Fahrzeug selbst zu erwerben. Ausgehend davon, daß ihr die Klägerin einen entsprechenden "Auftrag" erteilt habe, hatte die Beklagte ihr unter dem Datum vom 16. Dezember 1997 eine "Auftragsbestätigung" übersandt.

Am 17. Dezember 1997 schlossen die Klägerin und die B. Leasing GmbH über das Fahrzeug einen Leasingvertrag. In den Vertragsbedingungen zum Leasingvertrag wird der Ausschluß der Haftung der Leasinggeberin für Fehler der Leasingsache und die Abtretung aller ihr gegen den Lieferanten der Leasingsache zustehenden Gewährleistungsansprüche an den Leasingnehmer bestimmt. Am 18. Dezember 1997 unterzeichnete die Beklagte den ihr von der Leasinggesellschaft übersandten Kaufvertrag über den Lastkraftwagen. Darin heißt es unter anderem:

"Zu den nachstehenden bzw. angehefteten Bedingungen schließen die Parteien B. Leasing GmbH als Käufer und der nachstehend bezeichnete Verkäufer diesen Kaufvertrag."

Am 18. Dezember 1997 wurde das Leasingfahrzeug der Klägerin übergeben. Bereits kurz nach dessen Übernahme rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten verschiedene Mängel. Diese erteilte der Firma R. am 5. Januar 1998 einen Reparaturauftrag und übernahm auch die Reparaturkosten. In der Folgezeit erteilte die Klägerin der Firma R. weitere Reparaturaufträge. Am 2. März 1998 beauftragte die Klägerin den Sachverständigen H. mit der Erstellung eines Gutachtens über den Zustand des Lastkraftwagens. Der Sachverständige erstattete unter dem 5. März 1998 zwei im wesentlichen gleichlautende Gutachten.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises von 101.200 DM Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Lastkraftwagen, Freistellung von Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 15.792,33 DM, Ersatz der Kosten von 1.510,65 DM für zwei Gutachten sowie die Feststellung, daß die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Mit der Anschlußrevision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf die Gutachterkosten weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein aus abgetretenem Recht der Leasinggeberin hergeleiteter Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB nicht zu. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß dem Lastkraftwagen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt habe. Zwar könne in der von der Klägerin behaupteten Zusage, von seiten der Beklagten werde vor Übergabe des Lastkraftwagens noch die Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO durchgeführt, durchaus die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB gesehen werden. Die Klägerin habe jedoch nicht nachgewiesen, daß der Lastkraftwagen bereits im Zeitpunkt der TÜV-Überprüfung sowie der Bremssonderuntersuchung am 17. Dezember 1997 mit den von ihr behaupteten und von dem Sachverständigen H. bei seiner Untersuchung am 2. März 1998 festgestellten Mängeln behaftet gewesen sei. Auf die Mängel, deren Behebung Gegenstand des Auftrags vom 5. Januar 1998 gewesen sei, könne die Klägerin sich selbst dann, wenn sie einer beanstandungslosen TÜV-Abnahme entgegengestanden hätten, jedenfalls deswegen nicht berufen, weil sie damit einverstanden gewesen sei, daß die Beklagte sie bei der Firma R. auf eigene Kosten habe beseitigen lassen. Die Klägerin könne jedoch Wandelung des Kaufvertrages verlangen, da der Lastkraftwagen bei Übergabe mangelhaft im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB gewesen sei. Ein zur Wandelung berechtigender Mangel sei in der Verschweißung der Radbolzen an der Radnabe der zweiten Achse zu sehen. Das Vorliegen dieses Mangels, der nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses des Landgerichts vom 17. Dezember 1998 gewesen sei, habe der Privatsachverständige H. festgestellt. Der Mangel sei auch im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen. Die Annahme, die Klägerin habe die Anschweißung der Radbolzen selbst vorgenommen, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung. Dem Wandelungsrecht der Klägerin stehe ein Gewährleistungsausschluß nicht entgegen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die einen vollständigen Gewährleistungsausschluß vorsähen, seien nicht Bestandteil des Kaufvertrages mit der Leasinggeberin geworden.

Da die Voraussetzungen des § 463 BGB nicht gegeben seien, habe die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigen H. und der DEKRA-Prüfbescheinigung.

II.

Diese Ausführungen halten den Rügen der Revision und der Anschlußrevision nicht stand.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings entgegen der Auffassung der Revision, daß das Berufungsgericht von einem Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Leasinggeberin sowie einem der Klägerin seitens der Leasinggeberin abgetretenen Wandelungsrecht ausgegangen ist. Die Beklagte unterzeichnete am 18. Dezember 1997 den ihr von der Leasinggesellschaft übersandten Kaufvertrag; sie nahm damit das Angebot der Leasingfirma zum Abschluß des Kaufvertrages über den Lastkraftwagen an. Der Leasinggeberin standen demnach grundsätzlich die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu, die aber nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeberin vom Leasingnehmer, hier der Klägerin, geltend zu machen sind.

Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, ein etwa zuvor zustande gekommener Kaufvertrag zwischen den Parteien sei mit dem Abschluß des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der Leasinggeberin einverständlich aufgehoben worden. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre Auffassung, ein Kaufvertrag, den ein Nutzungsinteressent mit dem Lieferanten schließe, bleibe bindend, auch wenn der Interessent im nachhinein einen Leasingvertrag schließe, auf die Entscheidungen des Senats vom 19. Dezember 1979 (VIII ZR 95/79, NJW 1980, 698) sowie vom 9. Mai 1990 (VIII ZR 222/89, NJW-RR 1990, 1009). Diesen beiden Entscheidungen liegen Sachverhalte zugrunde, die mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar sind. In beiden Fällen sind Kaufverträge mit einer Leasingfinanzierungsklausel geschlossen worden; in beiden Fällen kam es weder zu einem Kaufvertrag mit der Leasingfirma noch zu einem Leasingvertrag mit dem Autokäufer.

2. Zu Recht rügt die Revision aber, daß die Würdigung des Berufungsgerichts, die verschweißten Radbolzen seien als ein Mangel anzusehen, der bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen sei, auf Verfahrensfehlern beruht (§ 286 ZPO).

a) Soweit das Berufungsgericht in der Verschweißung der Radbolzen an der Radnabe einen Mangel des Fahrzeugs in Abgrenzung zu den zuvor behandelten Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen - für die es, im Revisionsverfahren unangegriffen, eine Haftung der Beklagten verneint - gesehen hat, setzt es sich in Widerspruch zu dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten, ohne sich mit diesem auseinandergesetzt zu haben. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Berufungsgerichts war der Zustand der Radbolzen Gegenstand des landgerichtlichen Beweisbeschlusses und des eingeholten Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Schäden insoweit Verschleißschäden seien. Warum das Berufungsgericht entgegen diesen eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß es sich bei der "Verschweißung" nicht um eine Verschleißerscheinung handle, läßt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Das Berufungsgericht geht offensichtlich davon aus, daß die "Verschweißung" der Radbolzen an der Radnabe, wie sie der Sachverständige H. in seinem Gutachten festgestellt hat, nur durch einen äußeren Eingriff erfolgt sein kann. Daß eine derartige "Verschweißung" aber auch durch eine entsprechende Erhitzung beim Fahren eingetreten sein kann, worauf die Revision hinweist, hat das Berufungsgericht nicht bedacht. Das Berufungsgericht maßt sich damit eine Sachkunde an, die es nicht hat.

b) Das Berufungsgericht hat auch wesentlichen Sachvortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen (§ 286 ZPO). Die Revision verweist auf den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, eine Verschweißung der Radbolzen sei nur bei einer Überprüfung der Verdrehsicherheit der Radbolzen feststellbar, eine solche Prüfung habe sie am 17. Dezember 1997 durchführen lassen; dabei seien in dieser Hinsicht keine Beanstandungen der Radbolzen erhoben worden, was dafür spreche, daß die Radbolzen bei Übergabe des Fahrzeugs am 18. Dezember 1997 nicht verschweißt gewesen seien. Dieser Sachvortrag der Beklagten steht im Widerspruch zur Annahme des Berufungsgerichts, der Mangel sei bereits bei Übergabe des Fahrzeugs am 18. Dezember 1997 vorhanden gewesen.

c) Schließlich sind die Würdigungen des Berufungsgerichts widersprüchlich (§ 286 ZPO). Das Berufungsgericht hat zunächst ausgeführt, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß der Lastkraftwagen bereits am 17. Dezember 1997 diejenigen Mängel aufgewiesen habe, die der Sachverständige H. bei seiner Untersuchung am 2. März 1998 festgestellt habe. Zu den von dem Sachverständigen H. am 2. März 1998 festgestellten Mängeln gehören jedoch auch die festgeschweißten Radbolzen an den Radnaben der zweiten Achse rechts. Gleichwohl hat das Berufungsgericht dann angenommen, diese Mängel seien bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen.

3. Die Anschlußrevision hat ebenfalls Erfolg. Sie macht zu Recht geltend, daß der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 BGB und damit ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigengutachtens sowie der DEKRA-Prüfbescheinigung zustehen könnte, wenn - wovon das Berufungsgericht ausgeht - im Zeitpunkt der Übergabe die Radbolzen an der Radnabe festgeschweißt waren und die Beklagte - wie von der Klägerin behauptet - zugesagt hat, vor Übergabe des Lastkraftwagens werde noch die Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO durchgeführt. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens der Klägerin hat das Berufungsgericht hierin die Zusicherung eines den Vorschriften einer solchen Untersuchung tatsächlich entsprechenden Zustands des Fahrzeugs gesehen (BGHZ 103, 275, 280 f).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keinen Bestand haben. Die Sache ist jedoch nicht zur Endentscheidung reif, da es hierzu noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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