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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: VIII ZR 99/06
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89b
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
HGB § 89b Abs. 3
HGB § 89b Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZR 99/06

vom 15. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst, die Richterin Dr. Hessel sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 22. März 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Streitwert: 850.000,- €.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die bis zum 30. September 2003 Vertragshändlerin der Beklagten war, beansprucht von dieser zum einen die Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs und zum anderen die Zahlung der in einer Sondervereinbarung zugesagten Verkaufsunterstützung. Nach Erlass der Verordnung Nr. 1400/2002/EG vom 31. Juli 2002 (Kfz-GruppenfreistellungsVO) kündigte die Beklagte den mit der Klägerin auf unbestimmte Zeit geschlossenen Händlervertrag durch Schreiben vom 23. September 2002 zum 30. September 2003. Zugleich kündigte sie an, der Klägerin die an die geänderte Verordnung angepassten neuen Vertragstexte sowie die Auswahlkriterien für den Abschluss der einzelnen Verträge alsbald zur Verfügung stellen zu wollen, was durch Rundschreiben vom 17. Oktober 2002 und in einer endgültigen, mit der P.-Händlervereinigung abgestimmten Fassung durch Rundschreiben vom 22. August 2003 geschah. Nachdem die Klägerin zunächst noch mit Schreiben vom 6. Januar 2003 ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss eines Neuwagen-, Service- und Ersatzteilvertrages bekundet hatte, kündigte sie unter dem 17. Januar 2003 ihren Mitarbeitern und machte durch Schreiben vom 20. Januar 2003 gegenüber der Beklagten einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend, den sie im anschließenden Rechtsstreit auf mehr als 800.000 € beziffert hat. Darüber hinaus hat sie neben Restansprüchen aus einer Ersatzteileübernahme durch die Beklagte eine ihr durch Sondervereinbarung als Prämie zugesagte Verkaufsunterstützung für das Jahr 2002 geltend gemacht, während die Beklagte Zahlungen, die sie aufgrund dieser Sondervereinbarung bereits an die Klägerin geleistet hatte, widerklagend zurückgefordert hat.

Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsantrages zur Zahlung der Verkaufsunterstützung verurteilt sowie der Widerklage unter Abweisung im Übrigen nur hinsichtlich einer geringfügigen Überzahlung stattgegeben. Darüber hinaus hat das Landgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Ausgleichs gemäß § 89b HGB dem Grunde nach ausgesprochen. Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden, wobei das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde macht geltend, die Revision hätte zur Klärung der rechtsgrundsätzlichen Frage zugelassen werden müssen, ob die Ablehnung eines neuen Händlervertrages zu zumutbaren Bedingungen durch den Vertragshändler einer eigenen Kündigung des Vertragshändlers im Sinne des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB mit der Folge des Ausschlusses des Vertragshändlerausgleichsanspruchs gleichkomme. Diese Frage ist mittlerweile durch Urteil des Senats vom 28. Februar 2007 (VIII ZR 30/06, WM 2007, 1042, unter II 1 und 2, zur Veröffentlichung in BGHZ 171, 192 bestimmt) im Sinne des vom Berufungsgericht eingenommenen Standpunktes geklärt worden. Da die Nichtzulassungsbeschwerde bereits vor Erlass dieses Senatsurteils eingelegt worden ist, hätte zum Zeitpunkt der Einlegung der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht verneint werden können. Die Revision wäre daher zuzulassen gewesen mit der Folge, dass im Revisionsverfahren über die im Allgemeininteresse liegende Klärung der Zulassungsfrage hinaus auch eine volle Überprüfung des Berufungsurteils auf Rechtsfehler stattgefunden hätte. Diese verfahrensrechtliche Position darf der Beklagten nicht entzogen werden. Dem entsprechend ist in solch einem Fall die Revision zuzulassen, wenn sie Aussicht auf Erfolg hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - I ZR 197/03, GRUR 2004, 712, unter II 2 b; Beschluss vom 8. September 2004 - V ZR 260/03, NJW 2005,154, unter II 2 b; Beschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02, NJW-RR 2005, 438, unter II 2).

2. Diese Erfolgsaussicht ist im Streitfall indessen zu verneinen.

a) Die mit der beabsichtigten Revision in erster Linie bekämpfte Auffassung des Berufungsgerichts, die Ablehnung eines neuen Händlervertrages im Anschluss an die - von der Klägerin hingenommene - Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte schließe den Ausgleichsanspruch nicht gemäß § 89b Abs. 3 HGB aus, steht im Einklang mit dem später ergangenen Senatsurteil vom 28. Februar 2007 (aaO).

b) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde ferner, zum Ausgleichsanspruch fehle es in dem insoweit ergangenen Grundurteil an Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Klägerin als Folge der Vertragsbeendigung Nachteile erlitten habe. Dasselbe gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe den unter Gegenbeweis gestellten Sachvortrag der Beklagten, der für die Zeit nach Beendigung des Händlervertrages geschlossene Pachtvertrag über das Betriebsgrundstück der Klägerin sei nur deshalb zu Stande gekommen, weil die Klägerin ihre Kundendaten auf die Pächterin übertragen habe, was umgekehrt pachtzinserhöhend berücksichtigt worden sei, als unzulässigen Ausforschungsbeweis behandelt und damit übergangen. Es trifft zwar zu, dass eine Vorabentscheidung über den Grund eines Ausgleichsanspruchs nur ergehen darf, wenn sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 HGB gegeben sind (Senatsurteil vom 28. Februar 2007, aaO, unter II 3). Allerdings liegen die kündigungsbedingten Provisionsverluste, die § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB zum Entstehen eines Ausgleichsanspruchs verlangt, auf der Hand, nachdem die Klägerin von dem Angebot der Beklagten, den gekündigten Händlervertrag zu geänderten Bedingungen fortzusetzen, keinen Gebrauch gemacht, sondern ihren Betrieb als Kfz-Händler aufgegeben und das Betriebsgrundstück an einen Dritten verpachtet hat. Soweit die Beklagte berücksichtigt wissen will, dass die Klägerin der Pächterin ihre Kundenkartei überlassen und dadurch eine Pachtzinserhöhung erzielt habe, handelt es sich um einen vom Berufungsgericht gewürdigten Umstand, bei dem es allerdings nur darum geht, einen anspruchsmindernden oder anspruchsausschließenden Gesichtspunkt in die Billigkeitsabwägung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB einzustellen (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 350/04, WM 2006, 1919, unter II 3 a). Dass in dem mit 4.000 € monatlich vereinbarten Pachtzins ein Vergütungsanteil für die Überlassung der Kundenkartei enthalten sein könnte, der nach seinem Betrag die behaupteten Provisionsverluste der Klägerin ausgleicht, ist fern liegend und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden. Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsfehler davon ausgehen können, dass diese Umstände allenfalls bei den Berechnungen zur Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sind und gegebenenfalls zu Abzügen führen können.

c) Unbegründet ist weiterhin die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe die in Ziff. 4.3.1. der Sondervereinbarung einem Rückforderungsanspruch zu Grunde gelegten Kündigungsereignisse unzutreffend beurteilt. Genauso wenig wie im Rahmen des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB die Ablehnung einer Fortsetzung des gekündigten Händlervertrages als eine eigene Kündigung der Klägerin bewertet werden kann, kommt dies bei der zu beurteilenden Rückforderungsklausel in Betracht. Soweit die Beklagte auch eine sog. Strukturkündigung nach Art. XIII Abs. 2 des Händlervertrages als eine von der Rückforderungsklausel erfasste außerordentliche Kündigung gewertet wissen will, ist das Berufungsgericht in vertretbarer, aus der Interessenlage der Vertragsparteien gewonnener tatrichterlicher Würdigung zu dem abweichenden Ergebnis gelangt, dass unter einer zur Auslösung des Rückforderungsanspruchs führenden außerordentlichen Kündigung nur eine im Verhalten der Klägerin liegende Kündigung verstanden werden könne. Diesen auch mit Blick auf § 89b Abs. 3 HGB nicht fern liegenden Auslegungsansatz beanstandet die Beschwerde zu Unrecht als unvertretbar und setzt dabei ihre eigene Würdigung im Ergebnis nur an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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