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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: X ZB 23/07
Rechtsgebiete: GebrMG, PatG


Vorschriften:

GebrMG § 2 Nr. 3
GebrMG § 18 Abs. 4
PatG § 108 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZB 23/07

vom 29. Juli 2008

in der Rechtsbeschwerdesache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Gröning beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der am 20. März 2007 verkündete Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmusterbeschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben, soweit über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 der Rechtsbeschwerdeführerin entschieden worden ist. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 75.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 299 24 199 mit der Bezeichnung "Telekommunikationsanordnung zur Übertragung von Rückkanaldaten einer Verbindung zwischen einem Endgerät und einem Server eines Paketvermittlungsnetzes". Das Gebrauchsmuster, das am 1. August 2002 eingetragen worden ist, umfasst 38 Schutzansprüche. Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet: "1. Telekommunikationsanordnung zur Übertragung von Rückkanal-Daten in einer Verbindung zwischen einem Endgerät und einem Server eines Paketvermittlungsnetzes, zumindest auf einer Teilstrecke des Rückkanals wahlweise schmalbandig über das Paketvermittlungsnetz und/oder POTS/ISDN-Leitungen und/oder breitbandig über einen Breitband-Rückkanal, mit:

a) Mitteln zum Aufbau einer Verbindung zwischen dem Endgerät (1) und dem Server (4) über das Paketvermittlungsnetz (3),

b) Mitteln zum schmalbandigen Übertragen von Rückkanal-Daten vom Server (4) zum Endgerät (1),

c) Mitteln zum wiederholten Prüfen beim Server (4) und/oder einer Steuereinheit (5, 15), die Teil des Paketvermittlungsnetzes (3) ist oder zu diesem Zugang hat, ob ein durch den Nutzer des Endgerätes (1) oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine Rückkanal-Datenübertragung via Breitband-Rückkanal oder zum Zuschalten einer Rückkanal-Datenübertragung via Breitband-Rückkanal vorliegt,

d) Mitteln zum Wechseln auf eine Übertragung via Breitband-Rückkanal während der bestehenden Verbindung bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, oder Mitteln zum Zuschalten eines derartigen Kanals, wobei Rückkanal-Daten zunächst breitbandig vom Server (4) zu einem Breitband-Zugangsswitch (5) übertragen und dann vom Breitband-Zugangsswitch (5) auf den Breitband-Rückkanal gegeben werden,

e) Mitteln zum Zurückwechseln auf eine schmalbandige Übertragung der Rückkanal-Daten, sofern ein entsprechendes weiteres Steuersignal des Nutzers oder des Netzwerkmanagements vorliegt." Die Schutzansprüche 2 bis 22 betreffen Ausgestaltungen der Telekommunikationsanordnung nach Schutzanspruch 1, einen Switch zur Übertragung von Rückkanaldaten in einer Verbindung zwischen einem Endgerät und einem Server eines Vermittlungsnetzes (Schutzanspruch 23 mit Ausgestaltungen in den Ansprüchen 24 bis 34) sowie eine Steuereinheit zur Verwendung in einer Telekommunikationsanordnung gemäß Anspruch 1 (Schutzanspruch 35 mit Ausgestaltungen in den Ansprüchen 36 bis 38). Auf Antrag der Rechtsbeschwerdegegnerinnen zu 1 und 2 hat das Deutsche Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 27. September 2005 die teilweise Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet. Hiergegen haben die Rechtsbeschwerdegegnerinnen Beschwerde eingelegt. Das Bundespatentgericht hat durch den angefochtenen Beschluss das Gebrauchsmuster, das die Rechtsbeschwerdeführerin in der Fassung von 4 Hilfsanträgen verteidigt hat, in vollem Umfang gelöscht. Das Bundespatentgericht hat auf Anregung der Rechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdegegnerinnen die Rechtsbeschwerde zugelassen. Es hat dazu in den Gründen ausgeführt, dies geschehe im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob die im Verfahren geltend gemachten Schutzansprüche gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen zu 1 bis 3 als Verfahrensansprüche oder als Vorrichtungsansprüche einzuordnen seien und somit dem Schutzausschluss des § 2 Nr. 3 GebrMG unterfielen. II. Die Rechtsbeschwerde ist durch diese Entscheidung des Bundespatentgerichts nur zugelassen, soweit über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 entschieden worden ist. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung zwar grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage, die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne Wirkung (st. Rspr. d. Sen.; zuletzt Beschl. v. 29.04.2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 f. - Basisstation). Zulässig ist jedoch die Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstandes, die sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Beschl. v. 28.04.1994 - I ZB 5/92, GRUR 1994, 730 - Value; Beschl. v. 14.05.2008 - XII ZB 78/07; BGHZ 153, 358, 360 f.; BGH, Urt. v. 17.06.2004 - VII ZR 226/04, NJW 2004, 3264, 3265). Das Bundespatentgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung eine solche Beschränkung vorgenommen. Nur für die Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 kam es auf die von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage an. Die Entscheidung über den Hilfsantrag 4 ist von dieser Rechtsfrage nicht betroffen. Das Bundespatentgericht hat insoweit die Löschung darauf gestützt, dass der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Die von ihm vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde bezieht sich daher auf einen abtrennbaren Teil, der die Entscheidung ansonsten nicht betrifft. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde im Übrigen ergibt sich aus § 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 108 Abs. 1 PatG. III. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Bundespatentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 ausgeführt: Der auf eine Telekommunikationsanordnung gerichtete Schutzanspruch 1 habe im Wesentlichen einen prozessualen Ablauf zur Übertragung von Rückkanaldaten in einer Ebene-7-Verbindung gemäß dem OSI-Referenzmodell (L7-Verbindung) zwischen einem Endgerät und einem Server eines Paketvermittlungsnetzes zum Gegenstand und betreffe deshalb ein Arbeitsverfahren, das gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sei. Anspruch 1 habe in Bezug auf die wahlweise Übertragung der Rückkanaldaten zumindest auf einer Teilstrecke des Rückkanals schmalbandig über das Paketvermittlungsnetz und POTS/ISDN-Leitungen und/oder breitbandig über einen Breitband-Rückkanal eine zeitliche Abfolge von Schritten zum Gegenstand, nämlich zunächst den Aufbau einer Verbindung zwischen dem Endgerät und dem Server über das Paketvermittlungsnetz, nachfolgend ein schmalbandiges Übertragen von Rückkanaldaten vom Server zum Endgerät, wobei die Daten vom Server zu einem Breitband-Zugangsswitch, vom Breitband-Zugangsswitch über das Paketvermittlungsnetz zu einem Einwählknoten und vom Einwählknoten an das Endgerät übertragen würden. Anschließend erfolge ein wiederholtes Prüfen beim Breitband-Zugangsswitch, ob ein durch den Nutzer des Endgeräts oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine Rückkanal-Datenübertragung via Breitband-Rückkanal oder zum Zuschalten einer Rückkanal-Datenübertragung via Breitband-Rückkanal bis zum Endgerät vorliege. Falls der Prüfvorgang ergebe, dass ein entsprechendes Steuersignal vorliege, folge ein Wechseln auf eine Übertragung via Breitband-Rückkanal während der bestehenden Übertragung, oder es werde ein derartiger Kanal zugeschaltet, wobei in der Folge wiederum Rückkanaldaten zunächst breitbandig vom Server zum Breitband-Zugangsswitch und dann vom Breitband-Zugangsswitch auf den Breitband-Rückkanal bis zum Endgerät übertragen würden. Schließlich erfolge ein Zurückwechseln auf eine schmalbandige Übertragung der Rückkanaldaten, sofern beim Prüfen ein entsprechendes weiteres Steuersignal des Nutzers oder des Netzwerkmanagements vorliege. Eine solche zeitliche Abfolge von Arbeitsschritten stelle ein Arbeitsverfahren dar. Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, das Bundespatentgericht habe sich nicht hinreichend am Inhalt der Schutzansprüche orientiert. Schutzanspruch 1 bezeichne eine Vorrichtung mit Mitteln zur Durchführung verschiedener Aufgaben und Befehle im Rahmen der Übertragung von Rückkanaldaten. Allerdings seien die Mittel nicht räumlich körperlich, sondern hinsichtlich ihrer Funktion umschrieben. Im Bereich der Telekommunikation und Datenübertragung würden Funktionen in aller Regel durch eine Kombination von Computer-Hardware und Software bereitgestellt. Die Umschreibung einer Funktion durch Mittel sei eine geeignete Formulierung, da eine weitergehende Beschreibung der gegenständlichen Ausgestaltung in der Regel nicht möglich sei. Die Mittel seien stets ein Mikroprozessor, der Befehle einer bestimmten Software ausführe und dadurch eine Funktion bereitstelle. Anders als bei mechanischen Erfindungen existiere keine äußere Struktur oder gegenständliche Ausgestaltung, die eine Funktion bereitstellen würde. Die einzelnen Funktionen seien einer gegenständlichen Beschreibung nicht zugänglich. Anspruch 1 erhalte seine strukturelle Substanz durch die Angabe eines "Endgeräts", eines "Servers", eines "Paketvermittlungsnetzes", eines "Rückkanals", eines "Paketvermittlungsnetzes", eines "Breitband-Rückkanals", eines "Breitband-Zugangsswitches" und eines "Einwählknotens". Wie diese Komponenten funktionell zusammen zu wirken hätten, werde durch die funktionellen Merkmale des Anspruchs angegeben, ohne dass dazu Hinweise auf eine gegenständliche Ausgestaltung notwendig oder sinnvoll seien. IV. Über die Reichweite des Anwendungsbereichs von § 2 Nr. 3 GebrMG hat der Senat bereits entschieden (Beschl. v. 17.02.2004 - X ZB 9/03, GRUR 2004, 495 ff. - Signalfolge; Beschl. v. 05.10.2005 - X ZB 7/03, GRUR 2006, 135 ff. - Arzneimittelgebrauchsmuster). Bei Einführung dieser Regelung durch das Produktpirateriegesetz hat der Gesetzgeber die Absicht verfolgt, auf das bis dahin geltende Raumformerfordernis zu verzichten und erreichen wollen, dass alle technischen Erfindungen, also zum Beispiel auch gestaltlose Stoffe als Gebrauchsmuster geschützt werden können, wobei nur Verfahrenserfindungen ausgeschlossen bleiben sollten, da sie sich mangels konkreter Darstellbarkeit für ein ungeprüftes Schutzrecht nicht eigneten (BT-Drucks. 11/5744, S. 31 ff.; BlPMZ 1990, 195, 199). In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wird als Grund dafür angeführt, dass bei Verfahrenserfindungen wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln es an einer Überprüfbarkeit auf Schutzfähigkeit und Schutzumfang mangele (Bericht S. 23; BlPMZ 1990, 195, 197). Die Vorschrift ordnet demgemäß an, dass Verfahren als Gebrauchsmuster nicht geschützt werden, wobei der Verfahrensbegriff der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes entspricht, und insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren einschließt (Sen.Beschl. v. 17.02.2004 aaO S. 497). Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht um ein Arbeitsverfahren. Schutzanspruch 1 betrifft eine Anordnung, nämlich eine Telekommunikationsanordnung. Er beschreibt die bei dieser Anordnung zur Anwendung kommenden Arbeitsmittel nach Funktion und Arbeitsweise, die zugleich auch die Vorrichtung kennzeichnen. Ein solcher Vorrichtungsanspruch ist nach herkömmlicher Definition ein Erzeugnis- und kein Verfahrensanspruch (Benkard/Mellulis/Bacher Patentgesetz, 10. Aufl. § 1 Rdn. 23). Er unterfällt daher nicht dem Schutzrechtsausschluss des § 2 Nr. 3 GbrMG. Das Bundespatentgericht wird seine Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 daher nicht auf § 2 Nr. 3 GebrMG stützen können. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Ende der Entscheidung

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