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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: X ZB 29/08
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 124 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 4
Bei Rücknahme des Nachprüfungsantrags im Beschwerdeverfahren findet keine Erstattung von Auslagen statt, die den Beteiligten im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden sind.
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 24. März 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und

die Richter Scharen, Dr. Lemke, Gröning und Dr. Achilles

beschlossen:

Tenor:

Eine Erstattung der zur Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer entstandenen Auslagen der Antragstellerin und der Beigeladenen findet nicht statt.

Im Übrigen hat das vorlegende Oberlandesgericht die noch notwendigen Kostenentscheidungen zu treffen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beteiligte sich an einer Ausschreibung mit einem Angebot, das die Antragsgegnerin vom weiteren Vergabeverfahren ausschloss.

Die Antragstellerin hat die Vergabekammer angerufen. Nachdem sie die Beigeladene am Verfahren beteiligt hatte, hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und u.a. ausgesprochen, die Antragstellerin habe die bei der Vergabekammer entstandenen Kosten sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen.

Die Antragstellerin hat sofortige Beschwerde erhoben und im Verlauf des Beschwerdeverfahrens im Hinblick darauf, dass sie für den Fall voraussichtlicher Erfolglosigkeit ihres Rechtsmittels eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags ernsthaft erwäge, um entsprechende Mitteilung gebeten, wenn sich das Oberlandesgericht nach seiner vorläufigen Einschätzung den Beschwerdegründen nicht anschließen könne. Mit Beschluss vom 24. Juni 2008 hat der Vergabesenat mitgeteilt, dass die sofortige Beschwerde voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Die Antragstellerin hat daraufhin die Rücknahme ihres Nachprüfungsantrags erklärt.

Die Antragstellerin erstrebt nunmehr, es möge jedenfalls ausgesprochen werden, dass eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer bei der Antragsgegnerin und der Beigeladenen entstandenen Aufwendungen nicht stattfinde.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem entgegen.

Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB vorgelegt. Es hält die Rücknahme des Nachprüfungsantrags jedenfalls deshalb für wirksam, weil sie vor der mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat erklärt worden sei. Der Vergabesenat müsse deshalb eine Kostenentscheidung sowohl hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren entstandnen Kosten als auch hinsichtlich der für die Tätigkeit der Vergabekammer angefallenen Kosten und der Erstattung der außergerichtlichen Kosten treffen, die der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden seien. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen trage die Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Aus § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V. mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG folge ferner, dass die Antragstellerin in jedem Fall auch die für die Tätigkeit der Vergabekammer anfallenden Kosten zu tragen habe. Wie bereits vom Oberlandesgericht Dresden (NZBau 2007, 264) entschieden, spreche schließlich einiges dafür, dass sich die Verpflichtung der Antragstellerin zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer bereits aus der Kostenentscheidung der Vergabekammer in dem Beschluss vom 11. April 2008 ergebe. Jedenfalls sei aber ein zur Kostentragungspflicht insoweit führendes Unterliegen der Antragstellerin i.S. des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB unabhängig von einer nachträglichen Rücknahme des Nachprüfungsantrags dann anzunehmen, wenn die Vergabekammer tatsächlich eine Entscheidung getroffen habe, die das sachliche Begehren des Antragstellers ganz oder teilweise als unzulässig oder unbegründet zurückweise. Andernfalls träte die vom Gesetzgeber ersichtlich nicht bezweckte Folge ein, dass sich ein Antragsteller nachträglich - nämlich dann, wenn er alle Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft und erkannt habe, dass sein Nachprüfungsbegehren endgültig keinen Erfolg haben werde - der in § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB angeordneten Kostentragungspflicht entziehen könnte. Die danach gebotene Kostenentscheidung weiche jedoch insbesondere von einem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Januar 2008 ab (Verg W 10/07), weil diesem als tragende Begründung der Rechtssatz zugrunde liege, dass trotz einer zunächst ergangenen, das Nachprüfungsbegehren des Antragstellers zurückweisenden Entscheidung der Vergabekammer ein Unterliegen des Antragstellers dann nicht mehr gegeben sei, wenn der Nachprüfungsantrag in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen worden sei.

II.

1.

Die Beteiligten streiten nur noch darum, wer welche Kosten zu tragen bzw. zu erstatten habe. Das vorlegende Oberlandesgericht hält eine Entscheidung für nötig, die alle in beiden Rechtszügen entstandenen Kosten umfasst, hat aber die von ihm für notwendig gehaltene Kostenentscheidung auch nicht teilweise selbst getroffen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Vorlage die gesamte nach Auffassung des Oberlandesgerichts noch zu treffende Kostenentscheidung umfasst.

2.

Die Vorlage ist nur insoweit zulässig, als in Frage steht, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung vor der Vergabekammer notwendigen Auslagen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu tragen hat. Insoweit besteht eine entscheidungserhebliche Divergenz i.S.d. § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB. Denn das vorlegende Oberlandesgericht meint, dass diese Kosten aufgrund der Kostenentscheidung der Vergabekammer von der vor der Vergabekammer unterlegenen Antragstellerin zu tragen sind, während dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Januar 2008 die Auffassung zugrunde liegt, nach Rücknahme des Nachprüfungsantrags im Beschwerdeverfahren finde mangels Unterliegens einer Partei eine Erstattung von Kosten der Vorinstanz nicht statt (ebenso mittlerweile z.B. OLG Frankfurt VergabeR 2009, 104).

3.

Ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung vor der Vergabekammer notwendigen Auslagen haben sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene selbst zu tragen.

a)

Dies folgt daraus, dass nach § 128 Abs. 4 GWB eine Erstattung von Kosten, die im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden sind, nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Für den hier interessierenden Fall der Rücknahme des Nachprüfungsantrags sieht das Gesetz eine solche Erstattung auch nicht im Hinblick auf die Auslagen eines Beigeladenen vor. Das kann aus den in den Senatsbeschlüssen vom 25. Oktober 2005 (X ZB 22/05, NZBau 2006, 196 - Aufwendungen des Antragsgegners; X ZB 24/05, 25/05 und 26/05 - Aufwendungen des Beigeladenen) unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2003 (X ZB 14/03, NZBau 2004, 285 m.w.N.) näher ausgeführten Gründen auch nicht als planwidrige Lücke des Gesetzes angesehen werden. Es muss deshalb bei dem allgemeinen Kostengrundsatz bleiben, dass derjenige, der wegen eines Verfahrens, das er anstrengt oder an dem er sich beteiligt, etwas aufwendet, diese Auslagen selbst zu tragen hat.

b)

Der Umstand, dass die Vergabekammer im Streitfall erkannt hat, die Antragstellerin habe die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen und dass dieser Beschluss bei seinem Erlass durch § 128 Abs. 4 Satz 2 gedeckt war, rechtfertigt kein Abweichen hiervon. Denn dieser Beschluss war durch den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin veranlasst. Nach Rücknahme dieses Antrags kann er mithin keine Grundlage mehr für eine Pflicht zur Kostentragung oder eine entsprechende Kostenentscheidung bilden.

c)

Die Antragstellerin konnte ihren Nachprüfungsantrag auch zurücknehmen, obwohl bereits eine Entscheidung der Vergabekammer über diesen Antrag ergangen war. Der Nachprüfungsantrag steht zur freien Disposition des Unternehmens, das sich in dem Anspruch darauf verletzt fühlt, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Denn gemäß § 107 Abs. 1 GWB findet ohne Antrag kein Nachprüfungsverfahren statt. Das schließt als selbstverständliche Folge ein, dass der Antragsteller seinen Antrag jederzeit wieder zurücknehmen kann, solange und soweit noch eine formell bestandskräftige sachliche Entscheidung über diesen Antrag aussteht. Anders verhielte es sich erst, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Möglichkeit der Rücknahme einschränkten, wie dies beispielsweise § 269 Abs. 1 ZPO für die Klagerücknahme vorsieht. Eine solche Einschränkung enthält das Gesetz jedoch nicht (vgl. auch zum Patentnichtigkeitsverfahren Sen. Beschl. v. 22.06.1993 - X ZR 25/86, MDR 1993, 1073).

4.

Im Übrigen vermag der Senat eine Divergenz oder deren Entscheidungserheblichkeit nicht zu erkennen.

a)

Was die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer anbelangt, ist von dem vorlegenden Oberlandesgericht keine abweichende Entscheidung beabsichtigt. Diese Gebühren und Auslagen fallen nach Meinung des vorlegenden Oberlandesgerichts jedenfalls gem. § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG der Antragstellerin als Veranlasserin zur Last. Das weicht nicht von dem zum Anlass der Vorlage genommenen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ab, weil auch dieses Oberlandesgericht die genannten Vorschriften für maßgeblich gehalten hat, wenn der Nachprüfungsantrag zurückgenommen worden ist. Die Heranziehung von § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG entspricht darüber hinaus auch der Rechtsprechung des Senats (Sen. Beschl. v. 25.10.2005 - X ZB 15/05, NZBau 2006, 392 m.w.N.).

b)

Was die das Verfahren vor der Vergabekammer betreffenden Auslagen der Antragsgegnerin anbelangt, ist jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit einer Divergenz nicht dargetan. Denn das vorlegende Oberlandesgericht hält es für möglich, den von ihm für geboten gehaltenen Kostenausspruch zu Gunsten der Antragsgegnerin ohnehin treffen zu können, nämlich weil § 80 Abs. 1 Satz 5 VwVfG BW eine Billigkeitsregelung vorsehe, die ausweislich der Gründe des Hinweisbeschlusses vom 24. Juni 2008 zum Nachteil der Antragstellerin ausgehen müsse. Das vorlegende Oberlandesgericht wird deshalb nunmehr entscheiden müssen, ob es auf Grund dieser Vorschrift die Antragstellerin mit Kosten der Antragsgegnerin belasten kann (a.A. VK BW , Beschl. v. 04.04.2007 - 1 VK 16/07), oder ob auch im Hinblick auf die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin angesichts des unter 3. Ausgeführten eine Erstattung nicht in Betracht kommt.

c)

Was schließlich die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten anbelangt, entspricht die auf entsprechende Rechtsprechung des Senats (Sen. Beschl. v. 25.10.2005 - X ZB 15/05, NZBau 2006, 392 m.w.N.) gestützte Meinung des vorlegenden Oberlandesgerichts, die Gerichtskosten des durch die zulässige Rücknahme des Nachprüfungsantrags in der Sache beendeten Beschwerdeverfahrens und die im Beschwerdeverfahren den Beteiligten entstandenen Kosten habe die Antragstellerin zu tragen, mittlerweile allgemeiner Meinung.

Ende der Entscheidung

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