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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.10.2003
Aktenzeichen: X ZR 118/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 528
Auf einen Schenkungsvertrag, der vor dem 3. Oktober 1990 in der damaligen DDR geschlossen und vollzogen worden ist, ist § 528 BGB nicht anwendbar.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 118/02

Verkündet am: 28. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das am 5. April 2002 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt als Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht Rückgewähr einer Schenkung wegen Notbedarfs gemäß § 528 BGB, hilfsweise die Rückabwicklung des Schenkungsvertrages wegen Nichtigkeit.

Die Schenkerin, die am 11. Juni 2000 verstorbene E. J. , beantragte im Jahre 1989 bei der Klägerin Sozialhilfe. In ihrem Antrag gab sie als Vermögen einen Erbanspruch an, nicht aber Grundeigentum an einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 19.404 m² in der damaligen DDR. Den Erbanspruch trat sie an die Klägerin ab, die den im Wege eines Vergleichs zur Abgeltung dieses Erbanspruchs gezahlten Betrag von 30.000,-- DM auf die der Schenkerin gewährten Leistungen verrechnete.

Durch Schenkungsvertrag vor dem staatlichen Notariat der damaligen DDR vom 7. Juni 1990 übertrug die Schenkerin der Beklagten die landwirtschaftliche Nutzfläche; die Beklagte wurde am 5. September 1990 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin erfuhr im Oktober 1993 von der Schenkung und leitete durch Bescheid vom 11. November 1993 den nach ihrer Auffassung gemäß § 528 BGB bestehenden Rückforderungsanspruch der Schenkerin gemäß § 90 BSHG auf sich über. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, sie habe nach Verrechnung des Betrages von 30.000,-- DM der Schenkerin ab März 1992 Sozialleistungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 102.592,17 DM gewährt. Diesen Betrag nebst Zinsen verlangt sie von der Beklagten. Ihre Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Rückforderungsanspruch weiter. Die Beklagte ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch gemäß §§ 528 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB a.F. in Verbindung mit § 90 BSHG aufgrund einer Verarmung der Schenkerin nicht zu, denn gemäß Art. 232 § 1 EGBGB finde § 528 BGB auf den vorliegenden Schenkungsvertrag keine Anwendung. Anzuwenden sei vielmehr das Recht der DDR und damit das ZGB. Dieses habe die Verteilung der Risiken bei einem Schenkungsvertrag anders geregelt als das BGB. Eine Herausgabepflicht habe § 356 Abs. 1 ZGB ausgeschlossen. Diese Risikoverteilung sei auch für die Zeit nach dem 3. Oktober 1990 bestimmend und könne nicht durch Anwendung des § 528 BGB im nachhinein verändert werden. Die Übergangsregelung des Art. 232 § 1 EGBGB beschränke sich zwar auf das Schuldverhältnis selbst; für neue, von außen auf das Schuldverhältnis einwirkende, sich auch nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebenden Umstände, die nach Ablauf des 2. Oktober 1990 auf das Schuldverhältnis einwirkten, fänden statt dessen die allgemeinen Regeln des BGB Anwendung. Bei der Verarmung des Schenkers handele es sich jedoch nicht um einen von außen auf das Schuldverhältnis einwirkenden Umstand.

2. Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen sind nicht begründet. Die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 232 § 1 EGBGB durch das Berufungsgericht hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

a) Art. 232 § 1 EGBGB bestimmt, daß für ein Schuldverhältnis, welches vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Die Übergangsvorschrift ist wortgleich mit derjenigen des Art. 170 EGBGB, welche das Verhältnis des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs im Verhältnis zu dem vor dem 1. Januar 1900 geltenden Landesrecht regelte. Nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 bestand in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darin, diejenigen Schenkungen, die vor dessen Inkrafttreten vollzogen waren, den bisher geltenden Regelungen zu unterwerfen. Zu der Parallelvorschrift des Art. 170 EGBGB hat das Reichsgericht entschieden, daß die Voraussetzungen des Widerrufs einer Schenkung (wegen Undanks) nach dem Recht zu beurteilen sind, dem die Schenkung selbst untersteht, und zwar auch dann, wenn sich die Tatsachen, die das Widerrufsrecht begründen sollen, erst nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ereignet haben (RGZ 62, 328; dem folgend Staudinger/Keidel, 9. Aufl., 1929, Art. 170 EGBGB Anm. 7; Fuchs, Die Übergangsbestimmungen des Einführungsgesetzes des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Gruchots Beiträge 44 (1900), S. 1, 15; Dernburg, Schuldverhältnisse, 3. Aufl., 1906, 2. Abt., § 209 IV; für die "Dürftigkeitseinrede" des Schenkers aus § 519 BGB RG Recht 1913, Nr. 1618).

Die Regelung des Art. 170 EGBGB ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes (BGHZ 10, 391, 394; 44, 192, 194). Daß der Gesetzgeber der wortgleichen Regelung des Art. 232 § 1 EGBGB einen anderen Inhalt geben wollte, ist nicht ersichtlich.

b) Die Vorschrift ist allerdings so auszulegen, daß neues Recht insoweit anzuwenden ist, als es sich um neue, von außen an das Schuldverhältnis herantretende, sich nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebenden Umstände handelt (BGHZ 123, 58, 63; 130, 76, 83; MünchKomm./Heinrichs, 3. Aufl., 1999, Art. 232 § 1 EGBGB Rdn. 14).

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Verarmung des Schenkers nicht um einen von außen auf das Schuldverhältnis wirkenden Umstand. Art. 232 § 1 EGBGB knüpft nicht an das Entstehen des Anspruchs an, sondern an das Entstehen des Schuldverhältnisses. Das Schuldverhältnis Schenkung ist aber von vornherein mit dem Recht nach § 528 BGB belastet. Das Recht aus § 528 BGB ist Bestandteil des Rechtsgeschäfts. Es entsteht nicht erst mit der den Widerruf begründenden Tatsache, sondern wird durch diese nur ausgelöst. Mit der Verarmung des Schenkers verwirklicht sich ein dem Schenkungsvertrag von Anfang an anhaftendes Risiko. Die Rechtsfolgen dieses Risikos sind nach dem für den Schenkungsvertrag maßgeblichen Recht zu beurteilen, in dem sie ihre Grundlage haben (RG, Recht 1913, Nr. 1619). Wie bei bedingten oder befristeten Verträgen bleibt daher das für das Rechtsgeschäft maßgebliche Recht weiterhin bestimmend, auch wenn die Bedingung oder Befristung erst nach dem Stichtag eintritt (vgl. BGHZ 134, 170, 175 f.). Auf einen Schenkungsvertrag, der vor dem 3. Oktober 1990 in der damaligen DDR geschlossen und vollzogen worden ist, ist § 528 BGB demnach nicht anwendbar.

c) Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das ZGB der DDR angewandt, das eine Rückforderung nicht vorsieht, und sich an der Anwendung des ZGB der DDR nicht deshalb gehindert gesehen, weil es sich bei § 528 BGB um eine spezialgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 242 BGB ebenso wie die aus dieser Vorschrift abgeleiteten Rechtsinstitute einschließlich der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auch auf Altverträge aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 anzuwenden, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein übergesetzliches Prinzip darstellt, das allen Rechtsordnungen immanent ist (vgl. BGHZ 120, 10, 22; 124, 321 ff.). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht darauf abgestellt, daß es Ziel der Anwendung des übergesetzlichen Rechtssatzes von Treu und Glauben auch auf Altverträge ist, diesem Grundsatz widersprechende Ergebnisse zu vermeiden, nicht aber die in Spezialvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgenommene Risikoverteilung entgegen Art. 232 § 1 EGBGB an die Stelle der im Altrecht abweichend geregelten Risikoverteilung zu setzen.

II. 1. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks auch nicht deshalb zu, weil der Schenkungsvertrag nichtig gewesen sei. Die Klägerin habe nicht vorgetragen und es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages gewußt habe, daß die Schenkerin bereits Sozialhilfe bezogen habe. Auch die Klägerin selbst gehe hiervon offenbar aus, wenn sie der Beklagten vorwerfe, sich dieser Einsicht grob fahrlässig verschlossen zu haben. Umstände, aus denen sich ergäbe, daß sich dieser Umstand der Beklagten hätte aufdrängen müssen, habe die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Allein das nach den Umständen naheliegende bewußte Handeln der Schenkerin zum Nachteil der Klägerin reiche zur Begründung der Sittenwidrigkeit des Schenkungsvertrages nicht aus.

2. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe dabei erhebliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen, dringt sie auch hiermit nicht durch. Der von der Klägerin in Bezug genommene Vortrag läßt nicht erkennen, inwiefern sich die Beklagte der Kenntnis vom Sozialhilfebezug der Schenkerin verschlossen hätte. Aus welchen Umständen die Klägerin herleiten will, daß sich auch für die Beklagte solche Überlegungen aufgedrängt hätten, hat sie nicht dargelegt. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen Sittenwidrigkeit verneint hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.



Ende der Entscheidung

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