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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: X ZR 212/98
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 121 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 212/98

Verkündet am: 23. Januar 2002

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. September 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der als Patentinhaberin eingetragenen und mit der Beklagten als übernehmender Gesellschaft verschmolzenen H. Werkstatt-Technik GmbH Inhaberin des am 5. Mai 1994 angemeldeten deutschen Patents 44 15 931 (Streitpatents). Die Patentansprüche 1 und 5 lauten:

"1. Verfahren zum Ausgleich einer Unwucht an einem Kraftfahrzeugrad, dessen Scheibenrad im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende Radscheibenteile aufweist, bei dem in Abhängigkeit von während eines Meßvorgangs ermittelten Meßwerten für eine an der Innenseite des Scheibenrades befindliche Ausgleichsebene mit zugeordnetem Ausgleichsradius eine Ausgleichsgröße nach Winkellage und Ausgleichsmasse für den mit an der Innenseite des Scheibenrades zu befestigenden Klebegewichten durchzuführenden Unwuchtausgleich bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile bestimmt und gespeichert werden, daß die für die in der Innenseite des Scheibenrades befindliche Ausgleichsebene bestimmte Ausgleichsgröße dann in zwei Ausgleichsmassen in solchen Winkellagen, in denen die radial durchgehenden Radscheibenteile vorhanden sind, zerlegt wird, wenn die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße außerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt, und daß die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte in den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades befestigt werden.

5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 mit einer Hauptwelle, auf welcher das Kraftfahrzeugrad aufspannbar ist, einer kraftschlüssig mit der Hauptwelle verbundenen Kraftmeßeinrichtung, einer mit der Hauptwelle gekoppelten Drehwinkelmeßeinrichtung, einer an die Drehwinkelmeßeinrichtung und an die Kraftmeßeinrichtung angeschlossenen Auswerteeinrichtung zur Bestimmung der Ausgleichsmassen und Winkellagen für den Unwuchtausgleich mittels Klebegewichten in einer Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades, dadurch gekennzeichnet, daß die Auswerteeinrichtung (1) an einen Speicher (2) angeschlossen ist, in welchem die Winkellage der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle (3) befestigten Kraftfahrzeugrades (4) gespeichert sind und daß die Auswerteeinrichtung (1) einen Vektorrechner aufweist, der die von der Drehwinkelmeßeinrichtung (5) und der Kraftmeßeinrichtung (6) gelieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen zerlegt, die in den Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen."

Wegen des Wortlauts der Patentanspruch 1 untergeordneten Ansprüche 2 bis 4 und des Patentanspruch 5 untergeordneten Anspruchs 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Nichtigkeitsklage greift die Klägerin das Streitpatent als mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig an.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. W., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit dem Bundespatentgericht und der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die das mit dem Streitpatent im wesentlichen inhaltsgleiche europäische Patent 681 170 widerrufen hat, ist der Senat der Überzeugung, daß das Streitpatent nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Ausgleich einer Unwucht an einem Scheibenrad eines Kraftfahrzeugs und eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens.

Bei dem Verfahren werden durch einen Meßvorgang Meßwerte für eine an der Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit zugehörigem Ausgleichsradius ermittelt. In Abhängigkeit von diesen Meßwerten wird nach Winkellage und Ausgleichsmasse eine Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich bestimmt, der sodann mit an der Innenseite des Scheibenrads zu befestigenden Klebegewichten ausgeführt wird.

Die Streitpatentschrift schildert eine solche Befestigung selbstklebender Ausgleichsgewichte an der Innenseite des Scheibenrads als bei Scheibenrädern bekannt, die keine Felgenhörner zum Befestigen von Unwuchtausgleichgewichten aufweisen. Die Anbringung von Klebegewichten in der Felgenschüssel, wie sie etwa die deutsche Offenlegungsschrift 42 29 865 (D 1) beschreibt, soll gewährleisten, daß das äußere Erscheinungsbild der Radscheibe durch das Ausgleichsgewicht nicht beeinträchtigt wird (D 1, Sp. 6, Z. 62-66). Die Winkellage des Ausgleichsgewichts wird durch den ermittelten Unwuchtvektor bestimmt.

Bei Leichtmetallrädern, insbesondere Aluminiumrädern, die als Speichenräder ausgebildet sind, bei denen sich im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende Radscheibenteile abwechseln, ergibt sich jedoch der Nachteil, daß ein in der Felgenschüssel im Winkelbereich einer Materialunterbrechung angebrachtes Ausgleichsgewicht von außen sichtbar ist und damit trotz seiner Anbringung an der Innenseite des Scheibenrades optisch als störend empfunden wird.

Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, den Unwuchtausgleich so durchzuführen, daß diese Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Scheibenrades vermieden wird.

Erfindungsgemäß geschieht dies dadurch, daß die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile bestimmt und gespeichert werden. Befindet sich in der Winkellage des wie eingangs dargestellt ermittelten Ausgleichsvektors eine Materialunterbrechung, wird die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichsmassen zerlegt, deren Winkellage innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt. Die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte werden sodann in den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades befestigt und sind von außen nicht mehr sichtbar.

Nach Merkmalen gegliedert besteht das erfindungsgemäße Verfahren zum Ausgleich einer Unwucht an einem Kraftfahrzeugrad, dessen Scheibenrad im Bereich der Radscheibe Materialunterbrechungen und radial durchgehende Radscheibenteile aufweist, aus folgenden Elementen:

1. Die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile werden bestimmt und gespeichert.

2. Während eines Meßvorgangs werden Meßwerte für eine an der Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit zugeordnetem Ausgleichsradius ermittelt.

3. In Abhängigkeit von diesen Meßwerten wird eine Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich nach Winkellage und Ausgleichsmasse bestimmt.

4. Liegt die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile, wird das der Ausgleichsmasse entsprechende Klebegewicht in der zugeordneten Winkellage in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades befestigt.

5. Liegt die Winkellage der bestimmten Ausgleichsgröße außerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile,

5.1 wird die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichsmassen zerlegt, deren Winkellage innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt, und

5.2 werden die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte in den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades befestigt.

Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1

1. ist versehen mit

1.1 einer Hauptwelle, auf welcher das Kraftfahrzeugrad aufspannbar ist,

1.2 einer kraftschlüssig mit der Hauptwelle verbundenen Kraftmeßeinrichtung,

1.3 einer mit der Hauptwelle gekoppelten Drehwinkelmeßeinrichtung und

1.4 einer an die Drehwinkelmeßeinrichtung und an die Kraftmeßeinrichtung angeschlossenen Auswerteeinrichtung zur Bestimmung der Ausgleichsmassen und Winkellagen für den Unwuchtausgleich mittels Klebegewichten in einer Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrads.

2. Die Auswerteeinrichtung ist an einen Speicher angeschlossen, in welchem die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle befestigten Kraftfahrzeugrades gespeichert sind.

3. Die Auswerteeinrichtung weist einen Vektorrechner auf, der die von der Drehwinkelmeßeinrichtung und der Kraftmeßeinrichtung gelieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen zerlegt, die in den Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen.

II. Das erfindungsgemäße Verfahren ist neu, da im Stand der Technik die Winkellagen der Materialunterbrechungen und/oder der radial durchgehenden Radscheibenteile nicht bestimmt und demgemäß auch nicht dazu verwendet worden sind, Masse und Winkellage der Ausgleichsgröße festzulegen. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, daß der Stand der Technik dem Fachmann das erfindungsgemäße Verfahren nahegelegt hat, so daß es zu seiner Auffindung keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte (§§ 1 Abs. 1, 4, 21 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 PatG).

1. Als Fachmann ist nach den überzeugenden und auch von den Parteien nicht angegriffenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ein Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluß anzusehen, der ein Studium des allgemeinen Maschinenbaus (mit den Schwerpunkten Maschinendynamik oder Schwingungslehre), der Konstruktions- oder auch der Feinwerktechnik absolviert und in einem mit der Prüfstandstechnik befaßten, in der Regel spezialisierten Unternehmen zu den in diesem Bereich erforderlichen tiefgreifenden physikalischen Kenntnissen und dem notwendigen hohen Abstraktionsvermögen entsprechende praktische Erfahrungen erworben hat.

2. Diesem Fachmann war das Verfahren bekannt, Meßwerte für eine an der Innenseite des Scheibenrads befindliche Ausgleichsebene mit zugeordnetem Ausgleichsradius zu ermitteln, in Abhängigkeit von diesen Meßwerten eine Ausgleichsgröße für den Unwuchtausgleich nach Winkellage und Ausgleichsmasse zu bestimmen und das der Ausgleichsmasse entsprechende Klebegewicht in der zugeordneten Winkellage in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades zu befestigen (Merkmale 2 bis 4). Ein solches Verfahren wird in der in der Streitpatentschrift erörterten deutschen Offenlegungsschrift 42 29 865 ebenso dargestellt wie in dem gleichfalls erwähnten Prospekt "geodyna 3000/geodyna 3500" der Beklagten (D 6).

Der Fachmann mußte dabei schon im Hinblick auf das optische Erscheinungsbild der - in der Regel hochpreisigen - Scheibenräder grundsätzlich bestrebt sein, die Ausgleichsmassen so anzuordnen, daß sich insoweit keine störenden Beeinträchtigungen durch sichtbare Klebegewichte ergaben. Beispielhaft wird dies durch die Offenlegungsschrift 42 29 865 mit dem Hinweis belegt, durch das Anbringen eines versteckten Klebegewichts in der Felgenschüssel werde das attraktive Erscheinungsbild des Kraftfahrzeugrades, insbesondere Leichtmetallrades, nicht gestört (Sp. 6 Z. 62-66). Ebenso betont die Firmenschrift "geodyna" der Beklagten (S. 4) die Zielsetzung, Klebegewichte so zu plazieren, daß "wertvolle Alu-Räder ... nicht mehr durch falsch angebrachte Gewichte beschädigt oder die Optik negativ beeinflußt" wird.

3. Infolge der Materialdurchbrechungen in der Radscheibe genügt bei Speichenrädern die Anordnung in der Felgenschüssel allein zur versteckten Anbringung der Klebegewichte jedoch nicht. Fällt nämlich die für die Ausgleichsgröße ermittelte Winkellage in einen durchbrochenen und damit von außen einsehbaren Bereich und wird das Klebegewicht dort angebracht, ergibt sich genau diejenige Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Rades, die der Fachmann zu vermeiden trachtete und die er als für den Nutzer des Fahrzeuges umso weniger hinnehmbar ansehen mußte, desto mehr Wert dieser Nutzer - insbesondere bei auch auf optische Wirkung abzielenden hochpreisigen Leichtmetallrädern - auf das äußere Erscheinungsbild legte.

Daraus ergab sich für den Fachmann unmittelbar die Forderung, die Klebegewichte in der Felgenschüssel dort anzubringen, wo sie nicht sichtbar sind, nämlich in den Winkellagen, in denen die Radscheibe nicht durchbrochen ist, sondern sich auf der Außenseite radial durchgehende Radscheibenteile befinden, durch die das optisch störende Ausgleichsgewicht verdeckt wird. Das gebot immer dann eine Verlagerung des Anbringungsortes der Ausgleichsmasse, wenn deren auf herkömmliche Weise errechnete Winkellage nach diesem Kriterium nicht verwendet werden konnte. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, war es für den Fachmann selbstverständlich, daß er für eine solche Verlagerung ihres Anbringungsortes die Ausgleichsmasse aufteilen konnte und mußte. Die Methode einer solchen Aufteilung, nämlich die Zerlegung des Ausgleichsvektors in zwei Vektoren geeigneter Winkellagen und die Bestimmung der entsprechenden Ausgleichsmassen, gehörte, wie der gerichtliche Sachverständige weiter ausgeführt hat, zum elementaren "Handwerkzeug" des Fachmanns.

Der gerichtliche Sachverständige hat demgemäß in der US-Patentschrift 4 357 832 (D 12), die sich allgemein mit einer elektronischen Auswuchtvorrichtung für drehende Körper befaßt, nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch vornehmlich auf schnell drehende Rotoren wie etwa Turbinen zielt, nur ein Beispiel für die Anwendung dieser dem Fachmann bekannten Aufteilung der Ausgleichsgröße gesehen. Dort wird im Anschluß an den Hinweis (Sp. 8 Z. 58-67), daß es notwendig sein könne, die Ausgleichsmasse an anderen als den ermittelten Punkten anzubringen, weil diese nicht mit vorgesehenen Gewindebohrungen für die Aufnahme von Ausgleichsgewichten zusammenfallen oder nicht - wie erforderlich - auf einer Schaufel einer Schaufelturbine liegen, vorgeschlagen, in diesem Fall den einzelnen Vektor in zwei Vektoren aufzulösen, die die Aufnahmebohrungen oder die Schaufeln schneiden. Unter Bezugnahme auf Figur 1 der Druckschrift wird beschrieben (Sp. 9 Z. 13-24), daß der Mikroprozessor so programmiert sei, daß der Computer den Ausgleichsvektor in zwei Vektoren auflöse, deren Größe und Winkel von den Anzeigen 40, 42 und 44, 46 wiedergegeben würden, wenn die Anzahl der Aufnahmepunkte für die Ausgleichsgewichte über den Schalter 34 eingegeben werde.

Um das der Erfindung zugrundeliegende Problem zu lösen, mußte der Fachmann nach alledem lediglich die ihm bekannte, in der US-Patentschrift 4 357 832 beispielhaft bei einer beschränkten Anzahl von Gewindebohrungen oder möglichen Anbringungsorten für Ausgleichsmassen bei einer Schaufelturbine herangezogene Zerlegung des Ausgleichsvektors auf den Fall anwenden, daß ein Ausgleichsgewicht wegen der optischen Wirkung an anderen als der errechneten, nämlich an von außen nicht einsehbaren Stellen angebracht werden soll. Um dies tun zu können, d.h. die Ausgleichsgröße in zwei Ausgleichsmassen zerlegen zu können, deren Winkellage innerhalb der radial durchgehenden Radscheibenteile liegt (Merkmal 5.1), mußte der Fachmann zwangsläufig zunächst die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile in irgendeiner, auch vom Streitpatent offengelassenen Weise bestimmen und (für die Berechnung) speichern (Merkmal 1). Daß die den beiden zerlegten Ausgleichsmassen entsprechenden Klebegewichte schließlich in den zugeordneten Winkellagen in der Ausgleichsebene an der Innenseite des Scheibenrades zu befestigen sind (Merkmal 5.2), versteht sich von selbst; dazu werden Ausgleichsmassen und Winkellagen bestimmt.

4. Bei dieser Sachlage kann der von der Beklagten hervorgehobene Gesichtspunkt, daß die versteckte Anbringung eines Ausgleichsgewichts einerseits und die Aufteilungsmöglichkeit für ein Ausgleichsgewicht in zwei Ersatzgewichte andererseits lange Zeit jeweils für sich bekannt gewesen seien, ohne daß die Fachwelt beides miteinander in Verbindung gebracht habe, keine andere Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen.

Im übrigen kann eine solche zeitliche Entwicklung zwar indiziell für die Notwendigkeit einer erfinderischen Tätigkeit sprechen (Sen.Urt. v. 26.1.1982 - X ZR 27/79, GRUR 1982, 289, 290 - Massenausgleich). Bereits das Bundespatentgericht hat jedoch unter Verweis auf die aus dem Jahre 1994 stammende Druckschrift "geodyna" der Beklagten, in der von einem "ständig wachsenden Anteil an Leichtmetallfelgen" gesprochen wird, darauf hingewiesen, daß Fragen der Optik von Kraftfahrzeugrädern in jüngerer Zeit insbesondere durch die Verbreitung von hochpreisigen Leichtmetallrädern und die damit gestiegenen Anforderungen der Kunden an das optische Erscheinungsbild erheblich an Bedeutung gewonnen hätten. Der gerichtliche Sachverständige hat diese ähnlich auch von der Einspruchsabteilung des EPA herangezogene Entwicklung durch den Hinweis untermauert, daß die von modernen Serienfahrzeugen erreichbaren hohen Geschwindigkeiten Speichenräder auch zur Abfuhr der Bremswärme erforderten oder jedenfalls zweckmäßig machten. Besteht indes das von der Erfindung befriedigte Bedürfnis erst seit kürzerer Zeit, läßt sich aus dem "Zeitmoment" kein beachtliches Argument für eine erfinderische Tätigkeit ableiten (Sen.Urt. vom 4.6.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 861 f. - Rauchgasklappe; EPA, GRUR Int. 1983, 650, 653 - Metallveredlung/BASF). Daß sich die Erfindung des Streitpatents, wie die Beklagte behauptet, in der Praxis weithin durchgesetzt hat, besagt unter den gegebenen Umständen für sich allein ebenfalls nichts (vgl. Sen.Urt. vom 4.6.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 862 - Rauchgasklappe).

III. Aus den gleichen Gründen fehlt auch dem nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 5 die Patentfähigkeit. Die in Merkmal 1 bezeichneten Vorrichtungselemente Hauptwelle (Merkmal 1.1), Kraftmeßeinrichtung (Merkmal 1.2), Drehwinkelmeßeinrichtung (Merkmal 1.3) und Auswerteeinrichtung (Merkmal 1.4) sind notwendige Bestandteile einer Auswuchtmaschine, die das Verfahren nach der deutschen Offenlegungsschrift 42 29 865 ausführen kann und etwa in dem Prospekt "geodyna 3000/geodyna 3500" der Beklagten dargestellt ist. Der Speicher, in welchem die Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile des an der Hauptwelle befestigten Kraftfahrzeugrades gespeichert sind und an den die Auswerteeinrichtung angeschlossen ist (Merkmal 2), und der Vektorrechner, der die von der Drehwinkelmeßeinrichtung und der Kraftmeßeinrichtung gelieferten Meßwerte in Ausgleichsmassen zerlegt, die in den Winkellagen der radial durchgehenden Radscheibenteile liegen (Merkmal 3), sind die vorrichtungsmäßigen Hilfsmittel, mit denen die Verfahrensmerkmale 1 und 5.1 ausgeführt werden. Sie sind lediglich abstrakt und als dem Fachmann bekannte Standardbauelemente bezeichnet; in der Funktion, in der sie nach Anspruch 5 verwendet werden, sind sie ebenso wie die Verfahrensmaßnahmen selbst beispielsweise der US-Patentschrift 4 357 832 zu entnehmen. Auch die Beklagte nimmt für ihre Entwicklung eine erfinderische Leistung nicht in Anspruch.

IV. Die Unteransprüche 2 bis 4 und 6 enthalten für die praktische Ausführung zweckmäßige handwerkliche Ausgestaltungen der Lehre nach den Patentansprüchen 1 und 5, die gleichfalls nichts Patentfähiges enthalten; die Beklagte macht insoweit auch nichts geltend.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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