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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: X ZR 234/02
Rechtsgebiete: ZPO, PatG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 259
PatG § 139 Abs. 2
BGB § 242 Be
a) Der Patentverletzer kann auf Auskunft und Schadensersatz auch wegen solcher Handlungen in Anspruch genommen werden, die er über den Schluß der mündlichen Verhandlung hinaus in Fortführung der bereits begangenen, mit der Klage als patentverletzend angegriffenen Handlungen begeht.

b) Ist im Klagevorbringen oder im Urteil nichts Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht, ist eine Verurteilung zur Auskunft wegen Patentverletzung regelmäßig im Sinne einer solchen auch in die Zukunft gerichteten Verurteilung auszulegen.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 234/02

Verkündet am: 4. Mai 2004

Taxameter

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Oktober 2002 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war eingetragener Inhaber des am 2. November 1982 angemeldeten und im Verlaufe des Revisionsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 32 40 773 (Klagepatents), dessen Patentanspruch 1 lautet:

"Elektronische Überwachungsvorrichtung für die vom Fahrer eines Kraftfahrzeuges, insbesondere Lastkraftwagens oder Busses abgeleistete Fahrzeit, mit einem Betätigungselement und mit einer Einrichtung zur Abschaltung der Zündeinrichtung des Kraftfahrzeuges beim Überschreiten der höchstzulässigen Fahrzeit, dadurch gekennzeichnet, daß das Betätigungselement als Codierkarte ausgebildet ist, auf welcher die für den Fahrer in einem bestimmten Zeitraum zulässige Fahrzeit gespeichert ist, und daß ein Lese- und Schreibgerät zum Einlesen der zulässigen Fahrzeit und zum Abspeichern der in dem bestimmten Zeitraum noch zulässigen Rest-Fahrzeit vorgesehen ist."

Die in Österreich ansässige Beklagte zu 1, deren Geschäfte der Beklagte zu 2 führt, vertreibt unter der Bezeichnung "H. electronic" Taxameter, die mit einem als Fahrer-Card oder Fahrer-Key bezeichneten, einem bestimmten Fahrer zugeordneten Speichermedium zusammenarbeiten, auf dem Daten für eine bestimmte Anzahl von "Schichten" gespeichert werden. Die Beklagte zu 3, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 4 ist, entwickelte Software für das Taxametersystem der Beklagten zu 1 und stellte dieses System 1987 in Köln öffentlich vor.

Der Kläger sah in dem Taxametersystem "H. electronic" eine Verletzung des Klagepatents und nahm die Beklagten deswegen vor dem Landgericht Berlin in Anspruch, das die Beklagten zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilte und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz feststellte. Die Berufung der Beklagten wies das Kammergericht mit Urteil vom 8. Januar 1993 mit der Maßgabe rechtskräftig zurück, daß den Beklagten untersagt wurde,

ein Taxametersystem anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, das durch Kodierkarten betätigt wird, auf denen die Anzahl der zulässigen Fahrer-Schichten speicherbar ist, und bei dem durch ein Lese- und Schreibgerät die noch zulässigen Rest-Schichten eingelesen und abgespeichert werden können.

Der Kläger behauptet, die Beklagten setzten den Vertrieb des im Vorprozeß angegriffenen Taxametersystems auch nach Erlaß des Urteils des Kammergerichts fort. Er beantragte deswegen beim Landgericht Berlin die Festsetzung von Zwangsmitteln, mit denen die Beklagten zur Rechnungslegung über die seither begangenen Verletzungshandlungen angehalten werden sollten. Diesen Antrag wies das Landgericht zurück. Die Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg; das Kammergericht wies sie mit der Begründung zurück, der Vollstreckungstitel erfasse nur solche Handlungen, die bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß am 10. November 1992 begangen worden seien.

Der Kläger hat die Beklagten daraufhin vor dem Landgericht Mannheim im Wege der Stufenklage auf Rechnungslegung sowie auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe Mitt. 2003, 309). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.

Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.

I. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hindert im Streitfall das Verbot, über einen rechtskräftig beschiedenen Anspruch erneut zu entscheiden, die Zulässigkeit der Klage nicht.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Geltendmachung des Klageanspruchs stehe die Rechtskraft des Urteils des Kammergerichts entgegen. Die dort ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung erstrecke sich entgegen der vom Kammergericht im Zwangsmittelverfahren vertretenen Auffassung nicht lediglich auf den Zeitraum bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, sondern verpflichte die Beklagten auch zu Angaben über künftige Verletzungshandlungen.

2. Die Revision meint demgegenüber, ein titulierter Auskunftsanspruch beschränke sich auf den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen, wenn - wie im Urteil des Kammergerichts - auf die Voraussetzungen des § 259 ZPO nicht eingegangen sei. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, müsse jedoch eine erneute Titulierung möglich sein, wenn - wie im Streitfall - der Zwangsmittelantrag des Gläubigers rechtskräftig zurückgewiesen sei und der titulierte Auskunftsanspruch daher für die Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozeß nicht durchsetzbar sei.

3. Diese Rüge hat im Ergebnis Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, daß sich der Umfang der vom Kammergericht ausgesprochenen Verurteilung zur Rechnungslegung auch auf künftige, nach Schluß der mündlichen Verhandlung begangene, in der Urteilsformel bezeichnete Handlungen erstreckt.

() Der Umfang der materiellen Rechtskraft eines formell rechtskräftigen Titels ist bei einem mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenen Urteil aus diesem zu entnehmen (vgl. BGHZ 5, 189 m.w.N.). Unklarheiten des Tenors des rechtskräftigen Urteils sind anhand des Tatbestands und der Entscheidungsgründe im Wege der Auslegung zu beseitigen. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, dürfen dabei nicht berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 25.8.1999 - XII ZR 136/97, BGHR ZPO § 313 - Bestimmtheit 1; Urt. v. 6.11.1985 - IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440). Sachliche Gründe, hiervon bei Klagen auf Auskunft oder Rechnungslegung abzuweichen, bestehen nicht.

() Die Auslegung des Tenors des rechtskräftigen Urteils hat zu klären, worüber das Gericht im Vorprozeß tatsächlich entschieden hat. Im Streitfall führt dies zu der Frage, ob das Kammergericht in seinem Urteil vom 8. Januar 1993 auch über ein Begehren nach Rechnungslegung entschieden hat, das aus damaliger Sicht - auch - als Klage auf Leistungen angesehen werden mußte, die erst nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen fällig wurden. Solche Klagen sind nur unter den Voraussetzungen der §§ 257 bis 259 ZPO zulässig, wobei im vorliegenden Fall vorrangig § 259 ZPO in Betracht zu ziehen ist.

Dem Berufungsgericht könnte deshalb in seiner Beurteilung schon dann beigetreten werden, wenn Tatbestand oder Entscheidungsgründe des Urteils des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 Anhaltspunkte enthielten, daß dieses Gericht den in diesen Vorschriften geregelten Besonderheiten Rechnung getragen hat. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Kammergericht hat in seinem die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 8. Januar 1993 betreffenden Beschluß vom 4. Dezember 1998 zutreffend darauf hingewiesen, aus seinem Urteil ergebe sich nicht, daß die Voraussetzungen des § 259 ZPO vorgetragen und geprüft worden seien. Auch das Berufungsgericht hat Gegenteiliges nicht festgestellt.

() Zu Recht argumentiert das Berufungsgericht aber mit der Erkenntnis, daß ein im Wege der Rechnungslegung zu erfüllendes klageweise geltend gemachtes Auskunftsbegehren dann, wenn - wie hier - abweichende Anhaltspunkte fehlen, als auch auf künftige Rechnungslegung gerichtet auszulegen sei.

Jedenfalls im Streitfall kann den Klageanträgen des Klägers im Vorprozeß, so wie sie nach außen, d.h. für das Gericht und die Prozeßgegner erkennbar, in Erscheinung getreten sind (vgl. zu diesem Maßstab Sen.Urt. v. 12.1.1984 - X ZR 79/82, Umdr. S. 10), als Begehren auf Rechnungslegung entnommen werden, daß die gewünschten Angaben auch hinsichtlich der erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen des Vorprozesses begangenen, im Unterlassungsantrag des Klägers näher bezeichneten Handlungen (im folgenden: Verletzungshandlungen) gemacht werden sollten. Denn der Rechnungslegungsantrag war Teil eines umfassenden, sich gegen Patentverletzungen der Beklagten richtenden Rechtsschutzbegehrens des Klägers. Der Unterlassungsantrag sollte einschränkungslos alle zukünftigen Verletzungshandlungen der Beklagten betreffen. Der Antrag auf Schadensersatzfeststellung knüpfte nur an die im Unterlassungsantrag bezeichneten Handlungen an, ohne auf den Zeitpunkt ihrer Begehung abzustellen, und sollte alle durch solche Verletzungshandlungen entstandenen und noch entstehenden Schäden des Klägers umfassen. Das machte deutlich, daß die Schadensersatzpflicht für alle Handlungen geklärt werden sollte, die vom Kläger ausweislich des Unterlassungsantrags als Patentverletzung angesehen werden. Der Antrag auf Schadensersatzfeststellung schloß also auch Schäden durch Verletzungshandlungen der Beklagten ein, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen des Vorprozesses begangen sein würden. Da der Rechnungslegungsanspruch - wie das Kammergericht zutreffend ausgeführt hat - als Hilfsanspruch zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs anerkannt ist, den zu beziffern einem Kläger ermöglicht werden soll, war es deshalb die für Gericht und Gegner nächstliegende Deutung, daß mit dem Rechnungslegungsantrag diese Möglichkeit ausgeschöpft werden und auch dieser Antrag ebenfalls künftige Verletzungshandlungen betreffen sollte.

Denn der Schluß der mündlichen Verhandlung gibt dem Beklagten eines Patentverletzungsprozesses regelmäßig noch keinen Anlaß, die angegriffenen Handlungen, die er als rechtmäßig verteidigt, einzustellen, insbesondere wenn zu diesem Zeitpunkt ein Urteil noch nicht ergeht. Der Kläger, der sein Auskunfts- und Schadensersatzbegehren auf diesen Zeitraum beschränkte, erhielte daher mit einem stattgebenden Urteil häufig einen Titel, der einen Teil der als patentverletzend angegriffenen Handlungen von der Verpflichtung zur Auskunft und zum Schadensersatz ausnähme. Besonders deutlich wäre dies, wenn der verurteilte Beklagte das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung anföchte und auch während des Berufungsverfahrens mit den angegriffenen Handlungen fortführe. Der Kläger wäre dann genötigt, sich der Berufung anzuschließen, um der Fortdauer der Verletzungshandlungen Rechnung zu tragen. Daher widerspricht die Annahme, die Klageanträge sollten den Zeitraum nach Schluß der mündlichen Verhandlung nicht erfassen, regelmäßig dem erkennbaren Interesse des Klägers.

Einer dem Rechnung tragenden Auslegung des Klagebegehrens des Klägers im Vorprozeß steht nicht entgegen, daß im Rechnungslegungsantrag die betreffenden Verhaltensweisen der Beklagten lediglich im Perfekt angegeben waren ("begangen haben"). Denn Rechnungslegung kann der Sache immer nur hinsichtlich Handlungen verlangt werden, die tatsächlich begangen worden sind. Für die zeitliche Eingrenzung, welche begangenen Verletzungshandlungen von einem Klagebegehren umfaßt sein sollen, gibt diese Formulierung für sich gesehen deshalb Verläßliches nicht her.

() Die ausgehend vom Inhalt des gesamten Klageantrags des Klägers im Vorprozeß vorgenommene Auslegung des Tenors des Urteils des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 widerspricht im Streitfall auch nicht den eingangs genannten Maßstäben der Urteilsauslegung. Der Klageantrag des Klägers im Vorprozeß ist nämlich vollständig in dem Urteil des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 wiedergegeben. Er und sein Inhalt sind damit zulässiges Auslegungsmittel für die Tragweite dieses Urteils.

Da dieses Urteil im Tenor dem Klageantrag entspricht, ist es schließlich auch geboten, das Urteil des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 ebenso wie den Klageantrag auszulegen. Denn es kann regelmäßig ohne weiteres angenommen werden, daß mit einem dem Klageantrag entsprechenden Tenor dasjenige zugesprochen werden soll, was für Gericht und Gegner erkennbar mit der Klage begehrt worden ist.

Diese Folgerung wäre nur dann nicht angebracht, wenn sich aus den Entscheidungsgründen Einschränkungen ergäben. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Urteil des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 läßt nicht erkennen, daß dem Kläger etwas abgesprochen werden sollte. Wie bereits erwähnt, ist der Rechnungslegungsanspruch dem Kläger ausweislich der Begründung des Kammergerichts vielmehr zugesprochen worden, damit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch beziffern kann. Das ist im Umfang des vom Kläger geltend gemachten Feststellungsantrags nur möglich, wenn auch erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen des Vorprozesses begangene Verletzungshandlungen der Beklagten in die ausgesprochene Rechnungslegungspflicht einbezogen sind. Unter diesen Umständen ergibt sich eine Einschränkung des Urteils des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 auch nicht daraus, daß das Kammergericht sich in diesem Urteil mit den Voraussetzungen der §§ 257 bis 259 ZPO nicht befaßt hat. Insoweit liegt nur ein Mangel der Begründung des Urteils vom 8. Januar 1993 vor.

() Dem vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Verständnis der Urteilsformel des Kammergerichts steht schließlich auch nicht entgegen, daß in einem Fall wie dem vorliegenden die Voraussetzungen des § 259 ZPO - erkennbar - nicht gegeben wären. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Mitt. 2001, 424) geht es bei der Erstreckung der Auskunft über den Schluß der mündlichen Verhandlung hinaus nicht etwa um einen künftigen Anspruch. Der Anspruch auf Auskunft wie auf Schadensersatz entsteht vielmehr aufgrund jeder einzelnen der - im Urteil festgestellten - bereits begangenen Verletzungshandlungen. Einer zeitlichen Abgrenzung bedarf es dabei lediglich insoweit, als der Zeitraum, innerhalb dessen eine Benutzungshandlung erfolgt ist, für deren Kennzeichnung als schuldhaft rechtswidrige Verletzungshandlungen bestimmend ist. So muß, wenn das Patent bei Erlaß des Urteils bereits abgelaufen sei, der Zeitpunkt des Erlöschens, und dann, wenn etwa die Benutzung erst von einem bestimmten Zeitpunkt ab als rechtswidrig und schuldhaft angesehen werden kann, dieser Zeitpunkt festgelegt werden. Abgesehen hiervon entbehrt aber sowohl die Feststellung der Schadensersatzpflicht als auch die Verurteilung zur Auskunft jeder zeitlichen Beziehung (BGHZ 117, 264, 278 f. - Nicola; eingehend dazu zuletzt Grosch/Schilling in Festschrift für Eisenführ, S. 131). Jede Verletzungshandlung begründet daher dem Grunde nach die Verpflichtung des Verletzers, über alle anderen - vergangenen und künftigen - Handlungen Auskunft zu erteilen, die in gleicher Weise durch den konkreten Verletzungstatbestand gekennzeichnet sind, wie er sich aus der Verwirklichung des geltend gemachten Patentanspruchs durch die konkrete angegriffene Ausführungsform ergibt. Ein Auskunftsanspruch, der den Verletzer nur verpflichtete, über eben dasjenige konkrete Umsatzgeschäft Auskunft zu erteilen, das den Anspruch auslöst, wäre nahezu ohne jeden Wert, da der Verletzte dann nur Auskunft über diejenigen Verletzungshandlungen erhielte, die er zuvor darlegen könnte.

Dem steht auch nicht entgegen, daß eine Erstreckung der Auskunftspflicht auf zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch in der Zukunft liegende Verletzungshandlungen eine mit § 259 ZPO unvereinbare Erstreckung der materiellen Rechtskraft in die Zukunft bedeuten würde (so aber Grosch/Schilling, aaO, S. 145, 148). Denn die künftigen Handlungen werden nach dem Vorstehenden gerade nicht als anspruchsbegründender Sachverhalt herangezogen, sondern aktualisieren nur im Sinne einer Fälligkeitsvoraussetzung den auf irgendeine zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits begangene Verletzungshandlung gegründeten Anspruch.

b) Grundsätzlich zutreffend ist hiernach auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß das rechtskräftige Urteil des Kammergerichts einer erneuten klageweisen Geltendmachung des bereits titulierten Auskunftsanspruchs entgegensteht. Das Berufungsgericht hat jedoch außer Acht gelassen, daß der dem zugrundeliegende Rechtssatz nicht ausnahmslos gilt.

() So ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß das Wiederholungsverbot nicht durchgreift, wenn der vollstreckbare Titel verlorengegangen oder vernichtet ist und nicht wiederhergestellt werden kann (BGHZ 4, 314, 321 f.; BGHZ 93, 287, 289). In derartigen Fällen besteht für die Wiederholung des rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits ein unabweisbares Bedürfnis. Sinn und Zweck des Instituts der Rechtskraft stehen nicht entgegen, sondern erfordern gerade umgekehrt entsprechende Ausnahmen vom Wiederholungsverbot. Solange der Inhalt des Titels festgestellt werden kann, kann der materiellen Rechtskraft dadurch Rechnung getragen werden, daß das Gericht bei Erlaß des neuen Titels an den Inhalt des verlorengegangen gebunden ist. Es stellt sich dann nur noch die Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis für die Schaffung eines neuen Titels, das jedoch nicht verneint werden kann, wenn der ursprüngliche Titel in Verlust geraten ist und nicht wiederhergestellt werden kann.

() Grundsätzlich nicht anders verhält es sich, wenn aufgrund der Unbestimmtheit oder Unklarheit des Titels anderweitig nicht behebbare Zweifel bestehen, ob der Titel der materiellen Rechtskraft fähig ist oder wie weit diese reicht, und dem Titelgläubiger infolgedessen eine zuverlässige Grundlage zur Durchsetzung des gesamten oder eines Teils des ausgeurteilten Anspruchs nicht zur Verfügung steht (BGHZ 36, 11, 14; BGH, Urt. v. 3.6.1997 - XI ZR 133/96, NJW 1997, 2320, 2321; Urt. v. 3.12.1957 - I ZR 157/56, GRUR 1958, 359, 361 - Sarex). Auch in einem derartigen Fall ist nur ein neues Klageverfahren geeignet, die Reichweite des Titels zwischen den Parteien verbindlich zu klären. Vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe können diese Funktion nicht erfüllen, da sie stets nur die beantragte Vollstreckungsmaßnahme betreffen, jedoch nicht geeignet sind, den Inhalt des Vollstreckungstitels selbst verbindlich festzulegen.

Im Streitfall bestehen die Zulassung einer neuen Klage rechtfertigende Zweifel an der Reichweite des Urteils des Kammergerichts, da sich das Urteil über die zeitliche Erstreckung der ausgeurteilten Verpflichtung zur Auskunft nicht ausdrücklich verhält und das Kammergericht demgemäß die Erzwingung der Auskunft für den Zeitraum nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß mit der Begründung abgelehnt hat, daß sich der Titel auf diesen Zeitraum nicht erstrecke.

() Allerdings ist im Falle des unbestimmten oder unklaren Titels grundsätzlich die Feststellungsklage das richtige Mittel zur Klärung des Streits über die Reichweite des Titels, schon weil andernfalls die Gefahr einer doppelten Titulierung ein- und desselben prozessualen Anspruchs besteht (BGHZ 36, 11, 14; BGH, Urt. v. 3.6.1997 aaO). Abgesehen davon, daß dies die Abweisung der Klage indessen schon deshalb nicht rechtfertigen kann, weil das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, danach jedenfalls auf eine entsprechende Antragstellung hätte hinwirken müssen (§ 139 ZPO), ist eine neue Leistungsklage jedoch nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1989 - I ZR 85/87, WRP 1989, 572, 573 f. - Bioäquivalenz-Werbung; insoweit in BGHZ 107, 136 nicht abgedruckt; Melullis, Hdb. d. Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdn. 553 ff.). Denn die Feststellungsklage soll dem Titelgläubiger eine zuverlässige Grundlage zur Durchsetzung des bereits ausgeurteilten Anspruchs in der Zwangsvollstreckung verschaffen. Hier hat das Kammergericht jedoch die Erzwingung der Auskunft bereits rechtskräftig abgelehnt. Einerseits droht damit eine Vollstreckung aus zwei Titeln nicht. Andererseits hülfe, soweit die Rechtskraft der im Zwangsvollstreckungsverfahren ergangenen Entscheidung des Kammergerichts reicht, dem Kläger auch ein Feststellungsurteil nicht weiter. Würde ihm in dieser Situation ein neuer Leistungstitel verweigert, würde er entgegen Sinn und Zweck des Instituts der Rechtskraft und des Wiederholungsverbots rechtlos gestellt, da der erste Titel so behandelt würde, als erfasse er den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nicht, während ihm zugleich eben wegen dieses ersten Titels die (erneute) Zuerkennung seines Anspruchs verweigert würde.

II. Eine abschließende Entscheidung über die Auskunftsklage ist dem Senat nicht möglich.

Denn das Berufungsgericht hat - nach seinem Ausgangspunkt folgerichtig - nicht geprüft, ob der Auskunftsanspruch, wie die Beklagten geltend machen, durch Erfüllung erloschen ist. In diesem Fall wäre das Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage zu verneinen. An der Wiederherstellung eines verlorengegangenen Titels oder der Klärung der Reichweite eines Titels besteht regelmäßig dann kein schutzwürdiges Interesse, wenn die Vollstreckung aus dem Titel, der das neue Klageverfahren dienen soll, sogleich für unzulässig zu erklären wäre. Das wäre der Fall, wenn die Beklagten, wie sie behaupten, die geschuldete Auskunft bereits erteilt hätten.

III. Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts weist der Senat auf folgendes hin:

1. Für die Entscheidung, ob eine erteilte oder im Verlaufe des neuen Berufungsverfahrens gegebenenfalls noch zu erteilende Auskunft den titulierten Auskunftsanspruch erfüllt, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß das Urteil des Kammergerichts nur Taxameter erfaßt, die so programmiert sind, daß der Taxameter nach Abarbeitung der vorgegebenen Anzahl an Schichten als solcher nicht mehr in Betrieb genommen werden kann. Das ergibt die Auslegung der Urteilsformel, die für sich genommen den Gegenstand der Verurteilung nur unzureichend erkennen läßt.

a) Das damalige Klagepatent, auf das das Urteil des Kammergerichts gegründet ist, betrifft nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 eine elektronische Überwachungsvorrichtung für die vom Fahrer eines Kraftfahrzeuges abgeleistete Fahrzeit mit einem Betätigungselement und mit einer Einrichtung zur Abschaltung der Zündeinrichtung des Kraftfahrzeuges beim Überschreiten der höchstzulässigen Fahrzeit. Die im Urteil des Kammergerichts wörtlich wiedergegebene Patentschrift bemängelt an einer aus der US-Patentschrift 43 38 512 bekannten Vorrichtung dieser Art, daß für jeden Fahrer ein besonderes Aufzeichnungsgerät vorgesehen sei, das der Fahrer bei einem Wechsel des Fahrzeugs neben dem zur Betätigung erforderlichen mechanischen Schlüssel mit sich führen müsse. Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, den baulichen Aufwand für die dem Fahrer persönlich zugeordnete elektronische Überwachungsvorrichtung zu verringern und insbesondere die elektronische Überwachungsvorrichtung manipulationssicher auszubilden. Die erfindungsgemäße Lösung besteht aus einer elektronischen Überwachungsvorrichtung für die vom Fahrer eines Kraftfahrzeuges abgeleistete Fahrzeit mit

(a) einer Einrichtung zur Abschaltung der Zündeinrichtung des Kraftfahrzeugs beim Überschreiten der höchstzulässigen Fahrzeit,

(b) einem Lese- und Schreibgerät zum Einlesen der zulässigen Fahrzeit und zum Abspeichern der in dem bestimmten Zeitraum noch zulässigen Restfahrzeit und

(c) einem Betätigungselement, das als Kodierkarte ausgebildet ist, auf welcher die für den Fahrer in einem bestimmten Zeitraum zulässige Fahrzeit gespeichert ist.

Durch die Verwendung der Kodierkarte soll der gerätetechnische Aufwand erheblich vereinfacht werden, da die elektronische Überwachungsvorrichtung Bestandteil des Fahrzeugs wird und der Fahrer nur die Kodierkarte bei sich tragen und in die Überwachungsvorrichtung einführen muß. Auf dieser Kodierkarte wird die für den Fahrer zulässige Fahrzeit gespeichert und "entwertet". Nach Ablauf der zulässigen Fahrzeit wird auf die Zündeinrichtung und/oder Kraftstoffzufuhr eingewirkt und das Kraftfahrzeug stillgesetzt.

b) In der Urteilsformel des Kammergerichts wird eine Einrichtung zur Abschaltung der Zündeinrichtung des Kraftfahrzeugs nicht erwähnt; Merkmal a ist vielmehr ersatzlos entfallen. Nach dem Tatbestand wies das angegriffene Taxametersystem eine solche Einrichtung auch nicht auf. Vielmehr konnte auf dem Betätigungselement (Merkmal c) - einer Speicherkarte - eine bestimmte Anzahl von nach ihrer Dauer nicht bestimmten "Schichten" gespeichert werden. Die Anzahl der möglichen Schichten konnte der Taxiunternehmer im Rahmen der bis zu 15 Schichten reichenden Speicherkapazität der Karte beliebig eingeben. War die vorgegebene Anzahl von Schichten verbraucht, konnte der Taxameter mit der betreffenden Speicherkarte nicht mehr in Betrieb gesetzt werden. Vielmehr wurde dem Fahrer durch optische und akustische Signale angezeigt, daß der Taxameter nicht betriebsbereit sei (Urteilsumdruck S. 7-9). In den Entscheidungsgründen führt das Kammergericht aus, das Klagepatent genieße einen Schutzbereich, der über die nach der Patentschrift im Vordergrund stehende Überwachung der dem Fahrer eines Kraftfahrzeugs gezogenen Fahrzeitgrenze hinausgehe und die Überwachung der Einhaltung einer dem Taxifahrer vorgegebenen Anzahl von Fahrschichten einschließe. Der bloße Unterschied in der Maßeinheit ändere in der Substanz nichts an der Gleichartigkeit des Problems, in dem einen wie in dem anderen Falle die Einhaltung der Grenze durch eine technische Vorkehrung zu gewährleisten. Sowohl bei dem Klagepatent als auch bei der angegriffenen Handhabung auf seiten der Beklagten werde durch technische Gegebenheiten bewirkt, daß der Fahrer nicht weiterarbeiten könne; bei dem Klagepatent sei die Stillegung des Fahrzeugs vorgesehen, bei dem Taxi könne nicht mehr der Taxameter eingeschaltet werden. Der letztgenannte Unterschied sei nicht geeignet, die angegriffene Vorrichtung als außerhalb des Schutzbereichs des Patents liegend erscheinen zu lassen. Das (vorstehend als Merkmal a bezeichnete) Merkmal stehe im Oberbegriff des Patentanspruchs, der nicht den Kern der Erfindung kennzeichne.

Sodann fährt das Urteil fort:

"Aus dem hiernach gebotenen Blickwinkel ergibt sich, daß das Erfinderische in dem Einsatz der Codierkarte für die Überwachung der dem Fahrer gezogenen Betätigungsgrenze liegt, ohne daß es auf Einzelheiten der technischen Reaktion des Überwachungssystems bei Erreichen des Grenzpunktes ankommt. Wesentlich ist allerdings nach der Sinngebung durch den Überwachungszweck, daß überhaupt für den Fahrer eine spürbare Folge eintritt. Die Stillegung des Fahrzeugs ist die schwerstwiegende Reaktion, nicht aber die einzige, die einen sinnvollen Funktionszusammenhang mit der der Fahrerüberwachung dienenden Erfindung ergibt. Für die Benutzung des Erfindungsgedankens kommt es auf die Übernahme auch eben dieser technischen Reaktion nicht an. Es handelt sich um ein Merkmal, das für die Verwirklichung der Erfindung ohne Belang ist, und insofern als Überbestimmung (vgl. Benkard/Ullmann, aaO § 14 PatG Rdn. 143) in dem Oberbegriff des Patentanspruchs enthalten ist."

Die Qualifikation des Oberbegriffs des Patentanspruchs als Überbestimmung könnte zwar für sich genommen dafür sprechen, daß das Kammergericht bei der Fassung der Urteilsformel das Merkmal a bewußt übergangen hat. Dessen Bewertung als Überbestimmung steht jedoch im Widerspruch zu den vorangehenden Ausführungen, die mehrmals erwähnen, daß auch bei der angegriffenen Ausführungsform der Fahrer durch "technische Gegebenheiten" an der weiteren Fahrt gehindert werde, indem nämlich der Taxameter nicht mehr in Betrieb genommen werden könne. Das rechtfertigt die Annahme, daß das Kammergericht mit der Urteilsformel nur eine Ausführungsform erfassen wollte, bei der die Überwachungseinrichtung derart gesteuert ist, daß nach "Verbrauch" der vorgegebenen Schichten der Taxameter als solcher nicht mehr in Gang gesetzt werden kann.

Da nach den weiteren Feststellungen des Kammergerichts diese Steuerung durch ein von dem angegriffenen Taxametersystem abgearbeitetes Programm bewirkt wird, sind Gegenstand der titulierten Auskunftspflicht Taxametersysteme, die so programmiert sind, daß der Taxameter nach Abarbeitung der vorgegebenen Anzahl an Schichten als solcher nicht mehr in Betrieb genommen werden kann.

2. Sollte das Berufungsgericht eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs verneinen und diesen erneut ausurteilen, wird es zweckmäßigerweise den Gegenstand der Verurteilung im Sinne der vorstehenden Ausführungen genauer fassen. Denn das Berufungsgericht ist zwar inhaltlich an das Urteil des Kammergerichts gebunden, nicht jedoch an die von diesem gewählte unvollständige Formulierung des Urteilsausspruchs.

Ferner wird den Beklagten in diesem Fall ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen sein, da auch das Urteil des Kammergerichts eine entsprechende, im Klageantrag jedoch nicht (ausdrücklich) enthaltene Einschränkung enthält.

3. Nach vollständiger Auskunftserteilung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls über den Klageantrag auf Verurteilung der Beklagten zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft zu entscheiden haben.



Ende der Entscheidung

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