Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: X ZR 35/01
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 121 Abs. 2
ZPO § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 35/01

Verkündet am: 18. Oktober 2005

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2005 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 26. September 2000 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Januar 1990 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 389 008 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft eine transportable Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, und umfasst 18 Patentansprüche, die die Klägerin sämtlich mit der Nichtigkeitsklage angegriffen hat. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:

"A fair ground attraction transportable in parts on separate carriages, comprising carrier portions in two or more parts, each carrier portion being transportable in folded condition on one of said carriages, characterized in that the carriages are containers comprising on the upper side of opposed side walls hinges for pivotally connecting the parts of said carrier portions."

In der in der Streitpatentschrift gegebenen deutschen Übersetzung hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:

"Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger aufweisen."

Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, Patentanspruch 1 des Streitpatents sei gegenüber der ursprünglich angemeldeten Fassung unzulässig erweitert sowie wegen Vorbenutzung und jedenfalls mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Sie hat beantragt, das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im vollen Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat Patentanspruch 1 mit folgendem Wortlaut verteidigt:

"Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben aufweisen."

Im übrigen ist die Beklagte der Klage entgegengetreten.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent wie vor dem Bundespatentgericht verteidigt; für die Patentansprüche 2 bis 13 wird insoweit auf Anl. 1 zum Sitzungsprotokoll des Bundespatentgerichts vom 26. September 2000 (GA 140 a, 140 b) verwiesen.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit geänderten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den folgenden Hilfsanträgen 1 und 2.

Hilfsantrag 1:

Anspruch 1:

"Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind, und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben und zum Längsverschieben aufweisen, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen."

Hieran schließen sich die Ansprüche 4 bis 13 nach dem Hauptantrag der Beklagten in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 als Ansprüche 2 bis 11 an.

Hilfsantrag 2:

Anspruch 1:

"Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind, und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben und zum Längsverschieben aufweisen, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen, und dass die Hubzylinder mit ihren oberen Enden drehbar am Wagenrahmen verbunden und mit ihren unteren Enden auf dem Boden abgestützt sind, während die in einem Winkel zu den Hubzylindern angeordnete, mit dem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange einerseits drehbar mit dem zu verschiebenden Wagen verbunden und andererseits auf dem Boden abgestützt ist."

Hieran schließen sich die Patentansprüche 5 bis 13 nach dem Hauptantrag der Beklagten in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 als Ansprüche 2 bis 10 an.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. Harald M. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft eine Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportiert werden kann und Träger für Seitenteile aufweist, die zum Transport auf einem der genannten Wagen zusammengefaltet werden können. Die Streitpatentschrift gibt an, eine derartige Vorrichtung sei aus der britischen Patentschrift 1 212 779 bekannt, und beschreibt es als Aufgabe der Erfindung, die Vorrichtung höher auszuführen, um die Benutzung für das Publikum aufregender zu machen, aber ohne größere Abmessungen, welche die Kosten erhöhen würden. Außerdem soll eine genaue Positionierung der Wagen zueinander erreicht werden.

Die dazu vorgeschlagene Lösung lässt sich in der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt gliedern:

a) Die Belustigungsvorrichtung (insbesondere Riesenrad) ist in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig,

b) die Belustigungsvorrichtung ist mit Seitenteilen versehen,

c) die Seitenteile weisen Träger in zwei oder mehreren Teilen auf,

d) jeder Träger ist in zusammengefaltetem Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig,

e) jedes Seitenteil weist zwei Träger auf, die heruntergelassen werden können,

f) die Wagen sind Behälter,

g) die Behälter besitzen an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke,

h) die Gelenke dienen zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern,

i) derart, dass

i1) einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt,

i2) der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und

i3) die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können,

j) die freien Enden der Träger sind durch eine Hauptachse gekuppelt,

k) auf der Hauptachse sind die Speichen des Riesenrades drehbar montiert und

l) die Wagen weisen Mittel zum seitlichen Verschieben auf.

Die Fig. 1 bis 8 der Streitpatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel. In ihm bilden drei nebeneinander stehende Wagen die Basis des Riesenrades. Die beiden äußeren Wagen tragen die Seitenteile des Riesenrades. Sie bestehen aus je zwei an ihrer Spitze durch die Hauptachse 2 des Riesenrades miteinander verbundenen und so ein dreieckiges Traggerüst bildenden Trägern 5.

Die Träger sind mit Gelenken an der Oberseite entgegengesetzter Seitenwände der Wagen befestigt. Dabei ist einer der Träger mit dem Wagen am Gelenk 13 drehbar, aber dauerhaft, der andere dagegen an der entgegengesetzten Seite lösbar verbunden. Beide Träger sind an ihren freien Enden, d.h. der Spitze des Dreiecks, über ein Gelenk 15 drehbar miteinander verbunden.

Wird die lösbare Verbindung des einen Trägers am Wagen gelöst, können beide Träger mittels der Gelenke 13 und 15 (in Fig. 4 b unzutreffend mit 14 bezeichnet) zusammengefaltet, heruntergelassen und in zusammengefaltetem Zustand flach auf dem Wagen liegend transportiert werden.

Zum Aufbauen des Traggerüsts wird der mit dem Behälter über das Gelenk 13 fest verbundene Träger mit dem Hubzylinder 21 angehoben. Damit wird gleichzeitig auch der mit dem ersten Träger über das Gelenk 15 gekoppelte zweite Träger aufgerichtet. Dann wird das untere Ende des zweiten Trägers zur gegenüberliegenden Seite gebracht und dort an der Oberseite der Seitenwand lösbar befestigt.

Die Wagen weisen außerdem Mittel zum seitlichen Verschieben auf, um sie auf engem Raum genau zueinander positionieren zu können. Im Ausführungsbeispiel (Fig. 5 a bis 5 c) sind diese Mittel zwei am Chassis des Wagens schwenkbar angeordnete Hubzylinder und dazu im Winkel angeordnete, mit einem Zylinder 20 versehene Zug- oder Schubstangen, die mit einem Ende am Wagen verbunden und mit dem anderen Ende auf dem Boden abgestützt sind. Die beiden Hubzylinder sind über einen waagerechten Balken auf dem Boden abgestützt. Die Hubzylinder können den Wagen anheben, bis er vom Boden freikommt. Dann kann der Wagen mit den Zylindern 20 seitlich bewegt und in die gewünschte Position gebracht werden, wo er durch Absenken der Hubzylinder abgesetzt wird. Gegebenenfalls kann der Vorgang wiederholt werden, bis die gewünschte Position erreicht ist.

II. Das Streitpatent hat auch mit den verteidigten Ansprüchen keinen Bestand. Sein Gegenstand ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

1. Der Gegenstand des Streitpatents wird in keiner der nachfolgend näher abgehandelten Entgegenhaltungen vollständig vorweggenommen.

a) Die britische Patentschrift 1 212 779 beschreibt ein Riesenrad, das in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist (Merkmal a)). Zwei Wagen bilden die Seitenteile des Riesenrades, aus denen zwei Träger mit teleskopartig ausfahrbaren Verlängerungen hydraulisch ausgeklappt werden können. Da jeder Träger infolge der Verlängerungen aus mindestens zwei Teilen besteht, sind damit die Merkmale b) bis e) erfüllt. Die Hauptachse des Riesenrades verkuppelt ferner die freien Enden der Träger auf einer Seite der sich gegenüberstehenden Wagen, die die Seitenteile des Riesenrades bilden (Merkmal j) des Streitpatents). Es fehlt aber der Gedanke, einen der Träger lösbar an dem Wagen zu befestigen (Merkmal i2)), so dass die freien Enden der zwei Träger dergestalt miteinander verbunden werden können, dass bei hydraulischem Ausfahren lediglich eines der Träger der zweite automatisch ausgeklappt wird. Nach der britischen Patentschrift werden beide Träger separat an an den Wagen angebrachten Gelenken dauerhaft befestigt und einzeln über separate Hubzylinder hoch geschwenkt. Sodann werden die freien Enden der Träger miteinander verbunden (Merkmale i1), i3); vgl. Fig. 1, 3 u. 4 der britischen Patentschrift). Die Transportwagen für die Seitenteile sind ferner nicht gemäß Merkmal f) als Behälter, sondern als Flachbett- oder Tiefladerkonstruktionen ausgeführt (vgl. S. 1 Z. 34-37 u. S. 3 Z. 11-15 m. Fig. 2, 3 u. 7 der britischen Patentschrift). Die seitlichen Transportwagen der britischen Patentschrift weisen somit zwar an ihrer Oberseite Gelenke auf, die zur Befestigung der seitlichen Träger dienen. Insoweit sind die Merkmale g) und h) erfüllt. Da die Wagen aber nicht als Behälter ausgeführt sind, sind die Gelenke auch nicht im Sinne dieser Merkmale an Behältern angebracht. Keine Aussage enthält die britische Patentschrift darüber, wie die Speichen des Riesenrades montiert sind (Merkmal k), vgl. S. 4 Z. 24-27 der britischen Patentschrift; S. 9 Z. 14-15 deutsche Übersetzung). Schließlich fehlen bei dem britischen Patent Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen (Merkmal l)).

b) Die US-Patentschrift 2 847 216 lehrt eine Konstruktion, die als Basis lediglich ein Tiefladergestell verwendet und deshalb auch keine Mittel zum seitlichen Verschieben der Transportwagen aufweist (Merkmale a) und l) nicht erfüllt). Der einzige Wagen ist auch nicht als Behälter (Merkmal f)) ausgestaltet.

c) Riesenrad des Herstellers C.

Als Anl. KNi 8 wurde in das Verfahren ein Prospekt des Herstellers C. eingeführt, der - wie von keiner Partei bezweifelt - 1988 publiziert wurde und deshalb als Vorveröffentlichung zu berücksichtigen ist. Er zeigt ein Riesenrad, das auf- und abgebaut und in zerlegtem Zustand auf Wagen transportiert werden kann. Auch werden beim Aufbau drei Transportfahrzeuge als gemeinsame Basis für das Riesenrad nebeneinander gestellt. Hierbei fehlt jedoch jedenfalls die Merkmalsgruppe i). Die seitlichen Träger können erst in aufgerichtetem Zustand miteinander verbunden werden. Nicht vorhanden ist auch Merkmal l). Das Riesenrad des Herstellers C. weist zwar hydraulische Stempel zur waagrechten Ausrichtung der nebeneinander gestellten Transportwagen auf, jedoch keine Einrichtung zum seitlichen Verschieben.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung durch offenkundige Vorbenutzung auf dem Betriebsgelände der Beklagten im Stand der Technik vorweggenommen war. Jedenfalls beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Denn er war dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt.

a) Wie auch der Sachverständige schriftlich und in seinen mündlichen Darlegungen vor dem Senat ausgeführt hat, ist hier maßgeblicher Fachmann ein Fachhochschul- oder Diplomingenieur des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung in Konstruktion und Entwicklung von Fahrgeschäften für Jahrmärkte oder Volksfeste. Setzte sich ein solcher Fachmann zum Ziel, ein möglichst hohes Riesenrad zu konstruieren, das zerlegt transportiert und an den jeweiligen Einsatzorten besonders schnell und einfach auf- und abgebaut werden kann, konnte er bei seinen Überlegungen von der britischen Patentschrift 1 212 779 (Anl. KNi 3) ausgehen. Denn bei dieser Konstruktion werden wie im Streitpatent drei Transportwagen als Basis des Riesenrades genutzt, wobei an den beiden seitlichen Transportwagen ausklappbare Träger für die Seitenteile des Riesenrades befestigt sind, die einen mehrteiligen Aufbau aufweisen (Fig. 8).

Wie der Sachverständige bestätigt hat, konnte der Fachmann als Nachteil dieser Konstruktion erkennen, dass die Verbindung der gegenüberliegenden Träger eines Seitenteils eine Montage in großer Höhe erforderte, nachdem die Träger jeweils einzeln angehoben wurden. Angesichts der Qualifikation des maßgeblichen Fachmanns spricht bereits einiges dafür, dass es zu seinem handwerklichen Können gehörte, zur Beseitigung dieses Nachteils eine ein- und ausklappbare, dreieckige Trägerstruktur so zu gestalten, dass die Verbindung der im ausgeklappten Zustand schwer zugänglichen oberen Enden der Träger mittels eines Drehgelenks bereits vor dem Ausklappen erfolgt und infolgedessen die Schwerkraft zum Ausklappen eines der Träger genutzt werden kann, so dass lediglich der andere einen Antrieb für den Klappmechanismus benötigt. Jedenfalls konnte der Fachmann diesen Gedanken konkret für Riesenräder der US-Patentschrift 2 847 216 (KNi 7) entnehmen. Zum Aufrichten der Träger für die Seitenteile des Riesenrades wird dort nur ein Hydraulikzylinder verwendet, der einen schwenkbar an der Basis befestigten Träger hoch drückt, an dessen Ende schwenkbar der im aufgebauten Zustand gegenüberliegende Träger des Seitenteils angebracht ist. Dieser Träger klappt beim hydraulischen Hochfahren aus und wird sodann fest, aber lösbar mit der Basis verbunden (Sp. 4 Z. 20-31, Sp. 6 Z. 33-38 KNi 7).

Für den Fachmann war offensichtlich, dass dieser Klappmechanismus universal bei transportablen Riesenrädern Verwendung finden konnte und nicht auf der speziellen Konstruktion des Riesenrades der US-Patentschrift beruhte, etwa auf der Verwendung lediglich eines Transportwagens für die gesamte Konstruktion. Ihm war auch klar, dass die Funktionsfähigkeit dieses Klappmechanismus nicht von der Größe eines Riesenrades abhängt und sich mit ihm wegen des Wegfalls eines der beiden Hydraulikzylinder durchaus erhebliche Kosteneinsparungen erzielen ließen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass Hydraulikzylinder kostspielige Bauteile sind. Damit war die Kombination der Konstruktionen nach der britischen Patentschrift mit dem Klappmechanismus der US-Patentschrift für den Fachmann als bloße Aggregation naheliegend. Die Aufnahme des Merkmals i2) des Streitpatents vermag deshalb keine erfinderische Tätigkeit zu begründen.

b) Ebenfalls nicht erfinderisch ist der Vorschlag, die Seitenteile in Behältern unterzubringen. Sollen die Seitenteile des Riesenrades einerseits auf Wagen transportfähig bleiben und andererseits problemlos aufgeklappt werden können, so ist die Länge der Träger der Seitenteile grundsätzlich begrenzt durch die Länge des Transportwagens. Soll dennoch ein Riesenrad größerer Höhe konstruiert werden, liegt es auf der Hand, das Gelenk 13, an dem die Träger der Seitenteile dauerhaft fest mit dem Wagen verbunden sind, auf dem Chassis des Wagens erhöht zu befestigen. Eine solche Erhöhung war bereits aus der US-Patentschrift 2 847 216 bekannt. Dort wird sie durch gegenüberliegende, hoch stehende Stege 49 realisiert (vgl. dort Fig. 1). Im Hinblick auf das auf ihnen lastende, hohe Gewicht des Riesenrades müssen diese Stege um so mehr abgestützt werden, je höher sie ausgeführt werden. Zur Stabilisierung können stützende Streben eingesetzt werden (vgl. etwa Bezugszeichen 51 in Fig. 1 der US-Patentschrift). Dem Fachmann war aber vertraut, dass er zur Stabilisierung anstelle von Stützen oder Streben, die den unteren Gelenkpunkt der Träger mit der Oberseite der Wagen verbinden, entweder eine Portalkonstruktion verwenden kann, bei der die an der Seitenwand gegenüberliegenden, unteren Befestigungspunkte der Träger durch hinreichend starke Querstreben entlang der Längsseite des Wagens verbunden werden, oder eine geschlossene Seitenwand. Wird eine Ausführung mit geschlossenen Seitenwänden erwogen, erkennt der Fachmann, dass durch Verschließen auch der Stirnwände offensichtlich zusätzliche Stabilität der Konstruktion gewonnen wird. Dann ergibt sich ein Behälter. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass diese verschiedenen Methoden, eine Konstruktion zu stabilisieren, gleichwertig und dem Fachmann geläufig waren. Um entsprechend dem Bedürfnis der Branche und des Publikums höhere Riesenräder zu bauen, war es deshalb naheliegend, die Befestigungspunkte der seitlichen Träger an den oberen Ecken als Behälter ausgebildeter Wagen anzubringen.

c) Nach Merkmal j) des Streitpatents sind die freien Enden der Träger durch eine Hauptachse gekuppelt. Die Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auf die Beschreibung des Streitpatents verwiesen, wonach die Hauptachse bereits in liegender Position der Träger montiert und dann in ihre Arbeitsposition automatisch angehoben werde, wenn die hydraulisch angetriebenen Träger der einen Seite des Riesenrades aufgerichtet würden (Sp. 4 Z. 3-6 Streitpatent; S. 6 Z. 9-13 deutsche Übersetzung). Auch diese Montageerleichterung, die im Wortlaut der Patentansprüche keinen Niederschlag gefunden hat, könnte keine erfinderische Leistung begründen. Es entsprach dem Stand der Technik, die Hauptachse des Riesenrades gemeinsam mit einem hydraulisch angetriebenen seitlichen Träger hochzufahren (vgl. etwa Fig. 3, 4 der britischen Patentschrift oder Fig. 1, 4 m. Sp. 4 Z. 62-66 der US-Patentschrift). Zwar wird das Lager der Hauptachse in der britischen Patentschrift nicht zugleich zur Verbindung der freien oberen Enden der seitlichen Träger genutzt. Dazu dient vielmehr ein flanschartiger Verbindungssteg 15. Werden jedoch die freien oberen Enden der Träger mit einem Gelenk verbunden, um das automatische Ausklappen des zweiten Trägers beim hydraulischen Hochfahren des ersten Trägers zu ermöglichen, muss der flanschartige Verbindungssteg zwangsläufig wegfallen. Es liegt dann für den Fachmann nahe, das Gelenk zur oberen Verbindung der Träger zugleich als Lager für die Aufnahme der Hauptachse zu nutzen. Dagegen spricht nicht, dass diese Lösung in der US-Patentschrift nicht gewählt wurde. Dort sind das Gelenk zur oberen Verbindung der Träger und die Hauptachse getrennt (vgl. Fig. 1, Nr. 56 u. 67 der US-Patentschrift). Diese Anordnung ergab sich dort aber zwangsläufig aus der Notwendigkeit, das gesamte Fahrgeschäft auf einem einzigen Transportwagen zu verstauen. Dies ist nur möglich, wenn sich die Hauptachse auf dem seitlichen Träger 52 beim Auf- und Abbau verschieben lässt (vgl. Fig. 1 u. 4 der US-Patentschrift). Um den Vorteil der einfachen Montage der Seitenteile zu erhalten, muss jedoch die gelenkige Verbindung der freien Enden der Träger dauerhaft erfolgen. Die Position dieses Gelenks liegt deshalb dauerhaft fest. Die Anforderung einer verschiebbaren Hauptachse ließ sich daher bei der Lösung der US-Patentschrift nicht mit der gelenkigen Verbindung der oberen Enden der oberen Enden der Träger vereinbaren. Deshalb musste das Lager der Hauptachse von dem Gelenk getrennt werden, das die Träger verbindet. Bei der Verwendung von drei Wagen wie in der britischen Patentschrift stellte sich das Problem der beweglichen Hauptachse jedoch nicht, so dass der Nutzung des Lagers der Hauptachse für das Verbindungsgelenk der seitlichen Träger nichts im Wege stand.

d) Mit Merkmal k) des Streitpatents, wonach die Speichen des Riesenrades auf der Hauptachse drehbar montiert sind, kann die Montage des Riesenrades erleichtert werden. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Fig. 3 des Streitpatents verwiesen, die das Ausklappen der drehbar an der Hauptachse montierten Speichen zeige. Anspruch, Zeichnungen und Beschreibung des Streitpatents sind in dieser Beziehung undeutlich. Selbst wenn man aber diesen Vorteil bei der Montage als Element der patentgemäßen Lösung betrachtet, ergibt sich daraus kein erfinderischer Gehalt. Die Speichen des Riesenrades müssen an der Achse befestigt werden. Hierfür bietet sich eine drehbare Befestigung der Speichen an der Achse an. An der Hauptachse drehbar befestigte Speichen waren auch schon aus der US-Patentschrift bekannt (vgl. Fig. 4 m. Sp. 6 Z. 19-32 der Beschreibung); ebenso gab es sie bereits bei der Lösung gemäß dem Prospekt des Herstellers C. (Rückseite des Prospekts, kleine Bilder unten rechts, KNi 8).

e) Für ein Riesenrad soweit ersichtlich erstmals lehrt das Streitpatent Mittel zum seitlichen Verschieben der Transportwagen (Merkmal l)). Dem Prospekt des Herstellers C. sind nur hydraulische Stempel zur Nivellierung der Basis des Riesenrades zu entnehmen (kleines Foto auf der Rückseite des Prospekts, KNi 8, links unten). Die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung ist allerdings, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat (GutA 21 f.), mit derjenigen der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 identisch. Diese Offenlegungsschrift zeigt ein auf Stellzylindern basierendes System, mit dem es möglich ist, ein Transportfahrzeug im Pilgerschrittverfahren um seine Vertikalachse zu schwenken. Der dort beschriebene Stellmechanismus unterscheidet sich von demjenigen des Ausführungsbeispiels des Streitpatents lediglich dadurch, dass der Stellzylinder für die seitliche Verschiebebewegung in der Offenlegungsschrift horizontal, im Streitpatent dagegen schräg angeordnet ist. Wie der Sachverständige überzeugend erläutert hat, begründet auch dies jedoch keine relevanten Unterschiede der beiden Lösungen. Die Offenlegungsschrift bezieht sich auf das Gebiet des Spezialfahrzeugbaus, insbesondere der Garagentransportfahrzeuge. Es kann dahingestellt bleiben, wie hoch spezialisiert die auf dem Gebiet des Spezialfahrzeugbaus tätigen Fachleute arbeiten. Für den Konstrukteur eines Riesenrades, der sich mit der Problematik von dessen genauer seitlicher Positionierung befasst, ist zu erwarten, sich in benachbarten Gebieten des Spezialfahrzeugbaus umzusehen und sich mit dort tätigen Fachleuten auszutauschen. Dem Fachmann für Fahrgeschäfte erschloss sich jedenfalls auf diesem Weg die Lösung der deutschen Offenlegungsschrift zum platzsparenden, seitlichen Verschieben eines Transportfahrzeugs. Es war für ihn daher naheliegend, diese Lösung auch bei Transportfahrzeugen für Riesenräder einzusetzen, dies um so mehr, als aus dem Prospekt des Herstellers C. bereits die Verwendung von Hydraulikzylindern zur Nivellierung der Aufstellfläche bekannt war und es sich deshalb anbot, derartige Zylinder auch zum seitlichen Verschieben einzusetzen. Angesichts der Qualifikation des Fachmanns gehörte zur fachmännischen Erkenntnis darüber hinaus, dass man über eine Vervielfachung der von der deutschen Offenlegungsschrift vorgeschlagenen Einrichtung jede gewünschte Verschiebbarkeit des Riesenrades erreichen konnte.

f) Im Ergebnis fügt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung damit der bekannten Konstruktion der britischen Patentschrift den Klappmechanismus der US-Patentschrift und die Einrichtung zum seitlichen Verschieben aus der deutschen Offenlegungsschrift hinzu. Auch in der Zusammenschau begründen diese Unterschiede zu der britischen Patentschrift jedoch keine erfinderische Tätigkeit. Denn diese Verbesserungen lagen auf der Hand. Die Lösung des Streitpatents ergab sich aus der fachmännischen Addition der Wirkung bekannter Elemente, wobei jedes Element nur ein isoliertes Einzelergebnis beiträgt, ohne dass ein zusätzlicher technischer Gesamterfolg erzielt wird. Eine erfinderische Tätigkeit kann damit nicht begründet werden.

III. Auch in der Fassung der Hilfsanträge hat Patentanspruch 1 keinen Bestand.

a) Hilfsantrag 1 fügt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung die kennzeichnenden Merkmale der verteidigten Unteransprüche 2 und 3 hinzu. Die Transportwagen der Seitenteile sollen danach nicht nur mit Mitteln zum seitlichen Verschieben, sondern auch zum Längsverschieben ausgestattet sein, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen. Die Verwendung der dort als Abstützzylinder bezeichneten Hubzylinder sowie eines mit einer Schubstange ausgestatteten Stellzylinders als Mittel zum seitlichen Verschieben eines Transportfahrzeugs waren aus der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 (KNi 21) bekannt. Mittel zum Längsverschieben sind den Transportwagen immanent, weil Wagen im Allgemeinen mit Rädern versehen sind, die ein Vor- und Zurücksetzen auf der Längsachse ermöglichen. Die Montage eines Riesenrades auf Transportwagen war etwa aus der britischen Patentschrift sowie dem Prospekt des Herstellers C. bekannt.

b) Hilfsantrag 2 nimmt in Hilfsantrag 1 zusätzlich die kennzeichnenden Merkmale des verteidigten Unteranspruchs 4 auf. Diese Merkmale beschreiben die zum seitlichen Verschieben bestimmten Hubzylinder näher. Diese Beschreibung geht aber nicht über das hinaus, was dem Fachmann aus der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 (KNi 21) ersichtlich ist oder von ihm auf der Grundlage handwerklichen Könnens in Umsetzung der schon in Hilfsantrag 1 enthaltenen Lehre über Mittel zum seitlichen und längsseitigen Verschieben zu erwarten ist. Wie bereits ausgeführt, vermag auch die von Hilfsantrag 2 gelehrte Anordnung der Zug- oder Schubstange in einem Winkel zu den Hubzylindern, also ihre schräge Anordnung, eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen (vgl. oben II. 2. e)).

IV. Mit Patentanspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen abhängigen Unteransprüche 2 bis 13, die lediglich die weiteren sinnvollen Ausgestaltungen der patentgemäßen Vorrichtung betreffen und keinen eigenen erfinderischen Gehalt haben, für nichtig zu erklären.

Das Streitpatent ist ferner in dem Umfang für nichtig zu erklären, in dem die Beklagte es nicht mehr verteidigt hat (vgl. Sen.Urt. v. 04.06.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe), nachdem gegen die Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung keine Bedenken bestehen (vgl. Sen.Urt. v. 12.10.2004 - X ZR 190/00, GRUR 2005, 233 - Paneelelemente).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück