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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.03.1998
Aktenzeichen: X ZR 39/95
Rechtsgebiete: PatG 1981


Vorschriften:

PatG 1981 § 1 Abs. 1
PatG 1981 § 3
PatG 1981 § 1 Abs. 1, § 3

Leuchtstoff

Ein bekannter Stoff wird nicht dadurch zu einem neuen Stoff, daß ein neuer (und möglicherweise als solcher erfinderischer) Weg zu seiner Herstellung oder Auswahl aufgezeigt wird.

BGH, Urt. v. 24. März 1998 - X ZR 39/95 - Bundespatentgericht


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X 2R 39/95

Verkündet am: 24. März 1998

Schanz Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Dr. Broß, Dr. Melullis und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats II) des Bundespatentgerichts vom 15. September 1994 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 14. August 1978 angemeldeten deutschen Patents 28 35 575 (Streitpatents), für das die Unionspriorität vom 23. August 1977 in Anspruch genommen ist.

Das Streitpatent umfaßt neun Patentansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"1. Leuchtstoff für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe, die einen vakuumdicht abgeschlossenen strahlendurchlässigen Kolben, auf dem der Leuchtstoff als Schicht aufgebracht ist, eine Glasfüllung, die Quecksilber und Edelgas enthält, und Mittel zum Aufrechterhalten einer Säulenentladung in der Gasfüllung aufweist, wobei die Leistungsdichte der von der Säule aufgenommenen Leistung bezogen auf die Oberfläche der Leuchtstoffschicht mindestens 500 W/m² beträgt und die von der Säule abgestrahlte Ultraviolett- Strahlung Wellenlängen vorwiegend von 185 und von 254 nm aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Leuchtstoff dadurch ausgewählt ist, daß von diesen Leuchtstoffen nur solche einer Auswahlmessung unterzogen sind, bei denen das Kation oder die Kombination der Kationen höchstens eine Elektronegativität von 1,4 besitzt, und dabei die Auswahlmessung darin besteht, eine Leuchtstoffprobe vorgegebener Probenoberfläche einer 15 Minuten langen Ultraviolett-Strahlung aus einer Meßgassäule mit Wellenlängen vorwiegend von 185 und 254 nm auszusetzen, wobei das Strahlungsleistungsverhältnis der Strahlung der beiden Wellenlängen zwischen 0,20 und 0,40 und die Leistungsdichte der von der Meßgassäule abgegebenen Strahlung bezogen auf die Probenoberfläche zwischen 150 und 500 W/m² liegt, und daß der Leuchtstoff bei der Auswahlmessung die Eigenschaft gezeigt hat, nach den 15 Minuten Bestrahlungsdauer eine um höchstens 5 % geringere Leuchtdichte zu zeigen als eine unbestrahlte Probe unter 254 nm-Anregung."

Wegen der weiteren Patentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Lehre des Streitpatents sei für den Fachmann in der Streitpatentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß er sie nacharbeiten könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik im übrigen nicht neu, jedenfalls aber beruhe die Lehre des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären, die Beklagte, die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Nichtigkeitsklage begehrt.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 unter Einbeziehung von Merkmalen des erteilten Unteranspruchs 8 als Verwendungsanspruch. Danach soll die Verwendung eines Leuchtstoffs in einer Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe mit einem Innendurchmesser des Kolbens von weniger als 20 mm, vorzugsweise 3 bis 15 mm bei im übrigen unveränderten Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 unter Schutz gestellt sein. Die Patentansprüche 2 bis 7 und 9 sollen auf den geänderten Patentanspruch 1 rückbezogen sein.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Herr Prof. Dr.-Ing. Schmidt-Clausen ein schriftliches Gutachten erstellt und dieses in der mündlichen Verhandlung erläutert und vertieft.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I. 1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft einen Leuchtstoff für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe, die einen vakuumdicht abgeschlossenen strahlendurchlässigen Kolben, auf dem der Leuchtstoff als Schicht aufgebracht ist, eine Gasfüllung, die Quecksilber und Edelgas enthält, und Mittel zum Aufrechterhalten einer Säulenentladung in der Gasfüllung aufweist, wobei die Leistungsdichte der von der Säule aufgenommenen Leistung, bezogen auf die Oberfläche der Leuchtstoffschicht, mindestens 500 W/m² beträgt und die von der Säule abgestrahle Ultraviolett-Strahlung Wellenlängen vorwiegend von 185 und von 254 nm aufweist. Niederdruckquecksilberdampfentladungslampen dieser Art waren bekannt (Streitpatentschrift S. 3 Z. 2-13). In der Streitpatentschrift wird mitgeteilt, daß kleinbauende Lampen dieser Art mit hohen, über 500 W/m² hinausgehenden Wandbelastungen etwa in der deutschen Offenlegungsschrift 21 09 898 vorbeschrieben waren, wo Wandbelastungen bis etwa 2.500 W/m² aufträten (Streitpatentschrift S. 3 Z. 25-33). Diese kleinbauenden Lampen (- sie werden im Geschäftsverkehr als Energiesparlampen bezeichnet und angeboten -) mit hoher Wandbelastung (d.h. mit einer hohen aufgenommenen elektrischen Leistung bezogen auf die Oberfläche der Leuchtstoffschicht, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat) haben nach der Beschreibung der Streitpatentschrift (S. 3 Z. 34-48) den großen Nachteil einer im Verhältnis zur zugeführten elektrischen Leistung geringen Lichtausbeute (Nutzstrahlung). Dies sei der Grund dafür, daß dieser Lampentyp als Ersatz der üblichen Glühlampen bisher nicht eingeführt worden sei.

Die Streitpatentschrift will hier Abhilfe schaffen und einen Leuchtstoff für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe mit einer hohen Dichte der aufgenommenen Leistung und mit einer hohen Strahlungsausbeute bereitstellen, so daß einerseits kompakte Lampen mit einer Ausbeute nahezu gleich der der normalen (großbauenden) Niederdruckquecksilberdampfentladungslampen und andererseits Lampen mit hohen Stromdichten und einer verbesserten Strahlungsausbeute verfügbar werden (Streitpatentschrift S. 3 Z. 49-53).

Das technische Problem der Bereitstellung eines solchen Leuchtstoffs für eine (kleinbauende) Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe soll gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden, der sich in folgende Merkmalsgruppen und Einzelmerkmale aufgliedern läßt:

Es soll ein Leuchtstoff für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe angegeben werden, wobei

1. die Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe folgende Merkmale aufweist:

1.1 einen Kolben,

a) der vakuumdicht abgeschlossen ist,

b) der strahlendurchlässig ist,

c) auf dem der Leuchtstoff als Schicht aufgebracht ist,

1.2 eine Gasfüllung,

a) die Quecksilber und Edelgas enthält,

1.3 Mittel zum Aufrechterhalten einer Säulenentladung in der Gasfüllung,

1.4 die Leistungsdichte der von der Säule aufgenommenen Leistung bezogen auf die Oberfläche der Leuchtstoffschicht beträgt mindestens 500 W/m²,

1.5 die von der Säule abgestrahlte Ultraviolett-Strahlung weist Wellenlängen vorwiegend von 185 und 254 nm auf.

- Oberbegriff -

2. Der Leuchtstoff wird mittels einer Auswahlmessung wie folgt ausgewählt:

2.1 Von den Leuchtstoffen werden nur solche der Auswahlmessung unterzogen, bei denen das Kation oder die Kombination der Kationen höchstens eine Elektronegativität von 1,4 besitzt,

2.2 eine Leuchtstoffprobe vorgegebener Probenoberfläche wird einer 15 Minuten langen Ultraviolett-Strahlung aus einer Meßgassäule mit Wellenlängen vorwiegend von 185 und 254 nm ausgesetzt, wobei

a) das Strahlungsleistungsverhältnis der Strahlung der beiden Wellenlängen zwischen 0,20 und 0,40 liegt und

b) die Leistungsdichte der von der Meßgassäule abgegebenen Strahlung bezogen auf die Probenoberfläche zwischen 150 und 500 W/m² liegt,

2.3 der Leuchtstoff zeigt bei der Auswahlmessung nach 15 Minuten Bestrahlungsdauer eine um höchstens 5 % geringere Leuchtdichte als eine unbestrahlte Probe unter 254 nm-Anregung.

- kennzeichnender Teil -

2. a) Durch Patentanspruch 1 des Streitpatents wird ein Leuchtstoff für eine als solche bereits bekannte, hochbelastete Kompaktlampe (Merkmalsgruppe 1) unter Schutz gestellt, wobei dieser Leuchtstoff nicht durch eine bestimmte chemische Strukturformel oder z.B. durch sein Kristallgitter oder andere Stoffparameter, sondern durch ein Auswahlmeßverfahren (Merkmalsgruppe 2) beschrieben ist. Trotz dieser Art der Kennzeichnung mit Verfahrensmerkmalen handelt es sich um einen Stoffanspruch. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt und angegeben, aus technischer Sicht verstehe der Fachmann den erteilten Patentanspruch 1 so, daß ein Leuchtstoff unter Schutz gestellt sei, dessen physikalische Eigenschaften durch ein bestimmtes Verfahren ermittelt werden können.

Versteht man den erteilten Patentanspruch 1 in dem Sinn, daß der beanspruchte Gegenstand ein Leuchtstoff mit bestimmten physikalischen Eigenschaften ist, die durch das angegebene Auswahlmeßverfahren bestimmt werden, wäre sein Gegenstand - wie noch im einzelnen darzulegen ist - schon deshalb neuheitsschädlich vorweggenommen, weil er auch bekannte Leuchtstoffe umfaßt. In den Unteransprüchen 4 und 5 sind konkrete Leuchtstoffe mit den physikalischen Eigenschaften des Patentanspruchs 1 genannt, die auf S. 5 Z. 11 ff. der Patentbeschreibung als bekannt bezeichnet sind. Die Bekanntheit dieser Leuchtstoffe hat nicht nur der gerichtliche Sachverständige bestätigt; sie ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, könnte man in Erwägung ziehen, daß durch den erteilten Patentanspruch 1 nur solche Leuchtstoffe unter Schutz gestellt sein sollen, die durch die Verfahrensschritte des Patentanspruchs 1 ausgewählt sind. Mit anderen Worten: Es sollen nicht alle Leuchtstoffe erfaßt sein, deren physikalische Eigenschaften den Bedingungen der Auswahlmessung genügen, sondern nur diejenigen, die tatsächlich (konkret) durch die Verfahrensschritte des Auswahlmeßverfahrens ausgesucht worden sind. Abgesehen davon, daß ein so verstandener Anspruch (wirtschaftlich) wenig sinnvoll wäre, würde sich dadurch an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme nichts ändern. Denn auch bei diesem Verständnis des Patentanspruchs 1 ist Gegenstand des Schutzes ein Leuchtstoff, der nicht geschützt werden kann, wenn er bereits bekannt war. Die Stoffe der Patentansprüche 4 und 5 waren aber bereits bekannt, wie unstreitig ist und der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat. Ein bekannter Stoff wird nicht dadurch zu einem neuen Stoff, daß ein neuer (und möglicherweise als solcher erfinderischer) Weg zu seiner Herstellung oder Auswahl aufgezeigt wird, wie sich schon aus § 139 Abs. 3 Satz 1 PatG ergibt (vgl. auch BGH, Urt. v. 14.01.1992 - X ZR 124/89, GRUR 1992, 375 ff. - Tablettensprengmittel).

Weil das Ergebnis bei dem einen wie dem anderen Verständnis des Patentanspruchs 1 dasselbe ist, kann unentschieden bleiben, ob der Fachmann das zuletzt erörterte Anspruchsverständnis, das nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen aus technischer Sicht fernliegend ist, überhaupt in Betracht ziehen wird.

b) Im Hinblick darauf, daß Leuchtstoffe gemäß Patentanspruch 1 am Prioritätstag des Streitpatents bekannt waren, macht die Beklagte geltend, in Wahrheit sei Gegenstand des Patentanspruchs I kein Leuchtstoff, sondern "eine Vorrichtung in Form einer Kombination von Leuchtstoff und Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe".

Diese Auffassung ist unzutreffend. Anspruchswortlaut und -sinn zeigen, daß es beim Gegenstand des Hauptanspruchs des Streitpatents nicht um eine Vorrichtung geht, die aus Leuchtstoff und Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe besteht.

Wie der Senat in der Entscheidung "Formstein" (BGHZ 98, 12, 18 ff.) im einzelnen dargelegt hat, kommt der Fassung der Patentansprüche nach geltendem Recht eine erheblich größere Bedeutung als früher zu. Denn entgegen der bis 1978 geltenden Rechtslage sind die Patentansprüche nicht mehr nur der Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung dessen, was vom Schutzbereich des Patents umfaßt ist (vgl. § 14 Satz 1 PatG; ferner BGHZ 105, 1, 10 - Ionenanalyse; BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.01.1995 - X ZB 15/93, GRUR 1995, 330, 331 ff. - Elektrische Steckverbindung). Auch wenn nach geltendem Recht zur Auslegung der Patentansprüche selbstverständlich die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind (vgl. § 14 Satz 2 PatG), so bleiben doch allein die Ansprüche die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung der Tragweite der geschützten Erfindung.

Betrachtet man die Gestaltung des Patentanspruchs 1 nach Wortlaut und Wortsinn, ist er eindeutig auf einen Leuchtstoff mit bestimmten physikalischen Parametern gerichtet, nämlich einer Elektronegativität von höchstens 1,4 (Merkmal 2.1) und einem Abfall der Leuchtdichte um höchstens 5 % bei einer Bestrahlungsdauer von 15 Minuten gegenüber einer unbestrahlten Probe unter 254 nm-Anregung (sog. Kurzfristrückgang), wobei die Einzelheiten der Ultraviolett-Bestrahlung in Merkmal 2.2 beschrieben sind.

Nun ist, da sich Patentschriften an Fachleute richten, nicht die Sicht des Semantikers, sondern die des Durchschnittsfachmanns entscheidend. Der gerichtliche Sachverständige hat das vorstehend erörterte Verständnis bestätigt, das im übrigen auch dem des fachkundigen Prüfers des Erteilungsverfahrens entspricht. Denn letzterer hat im Prüfungsbescheid vom 23. Oktober 1980 ausgeführt, der Sachanspruch sei auf den ausgewählten Leuchtstoff und nicht auf die Lampe zu richten, weil das Auswahlmeßverfahren "direkt nur den Leuchtstoff" beschreibe. Dem hat die Beklagte seinerzeit zugestimmt und entsprechend neu gefaßte Patentansprüche und eine diesen angepaßte Patentbeschreibung eingereicht.

Die Gestaltung des Patentanspruchs 1 als Stoffanspruch wird auch durch die Patentbeschreibung gestützt, die damit eingeleitet wird, daß es um die Bereitstellung eines Leuchtstoffs für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe gehe (Beschr. S. 1 Z. 64), wobei bei der Erörterung des technischen Problems darauf hingewiesen ist, daß ein Leuchtstoff bereitgestellt werden solle, der trotz hoher Wandbelastung zu einer hohen Lichtausbeute führe, wie sie bei niederbelasteten Leuchtstoffröhren erzielt werde. Bei der Eröterung der Problemstellung wird ausgeführt, wie ein Leuchtstoff mit den gewünschen physikalischen Eigenschaften aufgefunden werden kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß es im erteilten Patentanspruch 1 "Leuchtstoff für eine Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe ..." heißt. Derartige Angaben ändern nichts daran, daß die patentierte Sache (hier: der Leuchtstoff) grundsätzlich für jedweden Gebrauch geschützt ist (vgl. Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 1 PatG Rdn. 23 m.N.), und weisen lediglich auf die Eignung der geschützten Sache (hier: Einsatz des Leuchtstoffs in einer Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe) hin. Anhaltspunkte dafür, daß dies im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders sein könnte, sind nicht ersichtlich.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin offenbart Patentanspruch 1 des Streitpatents die unter Schutz gestellte Lehre so deutlich und vollständig, daß der Durchschnittsfachmann des Prioritätstages - ein mit der Entwicklung und Auslegung von Leuchtstofflampen befaßter Physiker mit Hochschulabschluß und mehrjähriger Berufserfahrung in diesem Entwicklungsbereich, der sich die notwendigen chemischen Spezialkenntnisse entweder selbst angeeignet hat oder der einen über diese Spezialkenntnisse verfügenden Chemiker zu Rate zieht - sie ohne erfinderisches Tun auffinden konnte.

Hierfür ist nicht erforderlich, daß der Durchschnittsfachmann im Patentanspruch so genaue und ins einzelne gehende Angaben über die bei der Nacharbeitung der Lehre des Streitpatents einzuhaltenden Bedingungen erhält, daß er sofort und ohne jeden Fehlschlag das gewünschte Ergebnis erreicht (vgl. BGH GRUR 1968, 311, 313 - Garmachverfahren; BGH GRUR 1976, 213, 214 - Brillengestelle), es genügt, wenn der Patentanspruch dem Fachmann in Verbindung mit der Beschreibung die entscheidende Richtung angibt, wie er vorzugehen hat, damit er das gewünschte Ergebnis erreichen kann. Die Notwendigkeit von Versuchen steht nicht entgegen, soweit sich diese im Rahmen des Üblichen halten und keine erfinderischen Überlegungen erfordern.

Diese zum Patentgesetz von 1968 entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze gelten unverändert auch für das geltende Recht nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 PatG in Verbindung mit den §§ 1, 21 Abs. 1 Nr. 2 und 35 Abs. 2 PatG (vgl. Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., Rdn. 5 zu § 1 PatG u. Rdn. 21-26 zu § 35 PatG); sie entsprechen in gleicher Weise auch der inhaltlich übereinstimmenden Regelung in Art. 5.2 Abs. 1 und Art. 83 EPÜ in Verbindung mit Art. 100 b und 138 1 b EPÜ und der dazu ergangenen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (vgl. EPA - T 14/83, ABl. EPA 1984, 105 = GRUR Int. 1984, 439; EPA - T 281/86, ABl. EPA 1989, 202, 207 = GRUR Int. 1990, 69, 71; EPA - T 923/92, ABl. EPA 1996, 564 = GRUR Int. 1997, 258).

Nach diesen Grundsätzen ist die Ausführbarkeit der Erfindung im vorliegenden Fall ausreichend offenbart.

In Übereinstimmung mit dem fachkundig besetzten Bundespatentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, daß die Lehre des Patentanspruchs 1 unter Berücksichtigung des Inhalts der Patentbeschreibung für einen Durchschnittsfachmann mit den Kenntnissen des Prioritätstages ausführbar war. Das für die Charakterisierung des erfindungsgemäßen Leuchtstoffs maßgebliche Auswahlmeßverfahren wird sowohl hinsichtlich der Auswahlregel zur Elektronegativität der Leuchtstoff-Kationen (als Maß für die sog. "Quecksilberfestigkeit") als auch hinsichtlich der Auswahlmessung (Kurzfristrückgang nach Bestrahlung der Leuchtstoffprobe) in der Beschreibung anhand von Ausführungsbeispielen im einzelnen dargelegt (vgl. Beschr. S. 4 Z. 29 bis S. 8 Z. 67), wobei z.B. in Tab. I zehn taugliche Leuchtstoffe (Beisp. 1-10) drei nicht tauglichen Leuchtstoffen (Beisp. a-c) gegenübergestellt sind. Die Meßanordnung ist dargestellt und die Meßbedingungen werden beschrieben, soweit sie dem Fachmann nicht ohnehin geläufig sind.

Sowohl der gerichtliche Sachverständige als auch das Bundespatentgericht haben bezüglich des Merkmals 2.1, das die Elektronegativität der Kationen betrifft, eindeutig erklärt, daß hier die von Pauling in "The Nature of the Chemical Bond" (erschienen 1948 in New York) auf S. 58 ff. und in der Auflage 1960 S. 93 gegebene Definition maßgeblich ist.

In der Patentbeschreibung ist klargestellt, daß bei einer Kombination von mehreren Kationen eines Leuchtstoffs der Schwerpunktwert, d.h. der gewichtete Mittelwert der Elektronegativität der Kationen maßgeblich ist (Beschr. S. 4 Z. 66 bis S. 5 Z. 2).

Der Fachmann wird über die Meßanordnung klar informiert. Eine Leuchtstoffprobe definierter Größe wird für die Dauer von 15 Minuten mit einer Ultraviolett-Strahlung der Wellenlänge Lambda = 185 nm und Lambda = 254 nm bestrahlt. Das Verhältnis der Bestrahlungsstärken bei den beiden Wellenlängen soll zwischen 0,20 und 0,40 liegen, die Bestrahlungsstärke zwischen 100 und 500 W/m². Der Leuchtstoff ist für eine Leuchtstofflampe mit erhöhter Wandbelastung (mindestens 500 W/m²) geeignet, wenn er nach 15 Minunten Bestrahlung eine um höchstens 5 % geringere Leuchtdichte aufweist als ein unbestrahlter Leuchtstoff, der ausschließlich mit einer Strahlung der Wellenlänge von 254 nm angeregt wird. Diese Messung prüft den Kurzfristrückgang der Lichtausbeute durch die Ultraviolett-Strahlung, man erhält also eine Aussage über die Ultraviolett-Resistenz des Leuchtstoffs.

II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist gegenüber der deutschen Offenlegungsschrift 27 47 330 nicht mehr neu. Diese nachveröffentlichte Offenlegungsschrift mit älterem Zeitrang ist gemäß § 2 Abs. 2, § 2 a Satz 2 PatG 1978 - jetzt § 3 Abs. 2, § 4 Satz 2 PatG 1981 - bei der Prüfung der Neuheit zu berücksichtigen.

In den auf Patentanspruch 1 des Streitpatents zurückbezogenen Unteransprüchen 4 und 5 wie in der Patentbeschreibung sind Leuchtstoffe mit einer speziellen chemischen Konstitution als bevorzugte Ausführungsformen des Leuchtstoffs nach Anspruch 1 angegeben, bei denen die im Anspruch 1 vorgegebenen Kriterien der Elektronegativität der Kationen und des Kurzfristrückgangs gemäß den Merkmalen 2 bis 2.3 des Patentanspruchs erfüllt sind.

Der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt und die Beklagte räumt selbst ein, daß diese Leuchtstoffe aus vorveröffentlichten Patentanmeldungen bekannt sind, wie dies auch auf S. 5 Z. 7-47 der Beschreibung der Streitpatentschrift angegeben ist, wo auf die deutsche Patentschrift 18 06 751, die deutsche Offenlegungsschrift 23 52 411, die deutsche Offenlegungsschrift 23 53 943 und die deutsche Offenlegungsschrift 23 57 811 verwiesen ist.

Die in den Unteransprüchen 3 bis 5 genannten Leuchtstoffe sind aus der deutschen Offenlegungsschrift 27 47 330 speziell für hochbelastete Leuchtstofflampen mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen Merkmalen 1 bis 1.5 bekannt. Die Beklagte macht zwar geltend, das Bundespatentgericht habe die sich aus dieser Schrift ergebende maximale Wandbelastung falsch berechnet (das Bundespatentgericht errechnet 884 W/m²), sie räumt aber ein, daß dieselbe deutlich über dem in Merkmal 1.4 genannten Wert von mindestens 500 W/m² liege (sie errechnet 796 W/m²).

2. Im übrigen wäre das Ergebnis kein anderes, wenn man die nachveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 27 47 330 mit älterem Zeitrang (und die ebenfalls nachveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 27 47 259) völlig außer Betracht läßt. Denn der Gegenstand des erteilten Hauptanspruchs ist auch durch den vorveröffentlichten Stand der Technik nahegelegt.

Wie bereits dargelegt ist, waren Leuchtstoffe mit den in Patentanspruch 1 angegebenen physikalischen Parametern am Prioritätstag bereits bekannt, insbesondere die in den Patentansprüchen 4 und 5 genannten. Die Angaben auf S. 5 der Streitpatentschrift belegen es, der gerichtliche Sachverständige bestätigt es und die Beklagte sagt es selbst.

Darüber hinaus waren auch hochbelastete Niederdruckquecksilberdampfentladungslampen bereits bekannt, wie sich aus der deutschen Auslegeschrift 21 09 898 ergibt, die sich mit kleinbauenden Leuchtstofflampen für tragbare Leuchten befaßt, von denen in den Fig. 1 und 6 zwei Ausführungsformen dargestellt sind. Im übrigen wird in der deutschen Auslegeschrift 21 09 898 referiert, daß es auch schon vorher Leuchtstofflampen mit kleinen Abmessungen gegeben habe (aaO, Sp. 2 Z. 14 ff.).

Wie der gerichtliche Sachverständige berichtet hat, arbeitete die Fachwelt vor dem Prioritätstag des Streitpatents intensiv daran, brauchbare kleinbauende Leuchtstofflampen zu entwickeln. Dies wird durch die Angaben der Streitpatentschrift bestätigt (S. 3 Z. 25 ff.). Der gerichtliche Sachverständige hat weiter bekundet, für jeden Fachmann sei es selbstverständlich gewesen, bei der Entwicklung kleinbauender Leuchtstofflampen auf die Leuchtstoffe zurückzugreifen, die allgemein für Niederdruckquecksilberdampfentladungslampen als besonders geeignet und vorteilhaft gerade bekannt geworden waren. Es habe für den Fachmann nahegelegen, diese Leuchtstoffe für den Einsatz in kleinbauenden Leuchtstofflampen zu testen. Die Bekundung des gerichtlichen Sachverständigen ist nicht nur einleuchtend, sie ist auch durch einen im Januar 1975 von Verstegen und anderen verfaßten wissenschaftlichen Beitrag über eine neue Generation vors Leuchtstofflampen mit einer Lichtausbeute von 80 lm/W oder mehr belegt, in dem über die Entwicklung und Einführung äußerst leistungsfähiger neuer Leuchtstoffe berichtet wird, durch die eine wesentlich erhöhte Lichtausbeute erreichbar sei.

3. Bei den Unteransprüchen 2 bis 7 und 9 handelt es sich nach den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen entweder um bereits bekannte Leuchtstoffe oder um für den Fachmann selbstverständliche Abwandlungen und Ausgestaltungen. Da die Parteien gegen diese Beurteilung keine Einwendungen erhoben haben, sind weitere Ausführungen insoweit nicht veranlaßt.

4. Ein eigener erfinderischer Gehalt wird nur bezüglich des Unteranspruchs 8 geltend gemacht, der die Verwendung eines patentgemäßen Leuchtstoffs in einer Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe betrifft, deren Kolben die Form eines Rohres besitzt, dessen Querschnitt senkrecht auf der Achse des Rohres nahezu kreisförmig ist und dessen Innendurchmesser 3 bis 15 mm beträgt.

Auch darin liegt keine erfinderische Leistung. Aus den nachveröffentlichten prioritätsälteren deutschen Offenlegungsschriften 27 47 330 und 27 47 259 ergibt sich allerdings nichts über kleinbauende Niederdruckquecksilberdampfentladungslampen mit dieser Gestaltung und diesen Maßangaben. Daß dort hochbelastete Lampen angesprochen sind, sagt über kleinbauende Lampen und deren Gestaltung nichts aus.

Jedoch zeigt bereits die deutsche Auslegeschrift 21 09 898 in Fig. 1 eine rohrförmige, kleinbauende Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe mit einem senkrecht zur Rohrachse kreisförmigen Querschnitt. Wie sich aus der Tabelle in Sp. 5 Z. 15 ff. dieser Schrift ergibt, weist der Innendurchmesser des die positive Säule überdeckenden Röhrenabschnitts einen Durchmesser A von 6 bis 14 mm und einen Innendurchmesser B des Röhrenabschnitts mit Elektrode von 10 bis 14 mm auf. Aus den Kurven der Fig. 4 und 5 ist darüber hinaus zu entnehmen, daß der Innendurchmesser A auch 5 mm sein kann. Der Fachmann würde diesen Wert allerdings wegen des ungünstigen Kurvenverlaufs nicht wählen. Gleichwohl ändert dies nichts daran, daß sich die Angaben in Patentanspruch 8 des Streitpatents mit denen der deutschen Auslegeschrift 21 09 898 teilweise überschneiden.

Im übrigen hat der gerichtliche Sachverständige keinen Grund angeben können, der den Fachmann davon hätte abhalten können, die bekannten leistungsstarken Leuchtstoffe in rohrförmigen Lampen mit geringem Durchmesser zu testen und einzusetzen; diesbezügliche Hinderungsgründe sind auch nicht ersichtlich.

Daraus folgt zugleich, daß das Streitpatent auch mit dem hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1, der auf die Verwendung eines Leuchtstoffs in einer Niederdruckquecksilberdampfentladungslampe mit einem Innendurchmesser des Kolbens von weniger als 20 mm, vorzugsweise 3 bis 15 mm, bei im übrigen unveränderten Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 gerichtet ist, nicht aufrechterhalten werden kann. Es ist zwar zulässig, einen auf ein Erzeugnis gerichteten Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren auf eine bestimmte Art der Verwendung dieses Erzeugnisses zu beschränken, wenn diese Verwendung in der Patentschrift offenbart ist (BGH, Urt. v. 17.09.1987 - X ZR 56/86, GRUR 1988, 287 ff. - Abschlußblende). Es mangelt im vorliegenden Fall aber auch insoweit an der erfinderischen Tätigkeit.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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